20. November 2024
Die internationale Presseschau

Kommentiert wird weiterhin der russische Angriffskrieg in der Ukraine. Zudem ist der mutmaßliche Sabotageakt auf zwei Kommunikationskabel in der Ostsee Thema. Doch zunächst blicken wir nach Hongkong, wo 45 Aktivisten der Demokratiebewegung zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden sind.

Hongkong: Ein Polizist versucht, eine Frau daran zu hindern, vor dem Gericht in West Kowloon ein Transparent mit der Aufschrift "Gott ist mit dir" in englischer und chinesischer Sprache zu zeigen.
Die Verurteilung von 45 Demokratie-Aktivisten in Hongkong ist ein Thema in den ausländischen Zeitungen. (Liau Chung-Ren / ZUMA Press Wire / d / Liau Chung-Ren)
Die norwegische Zeitung DAGBLADET erläutert: "Die Grundlage bildeten Pekings sogenannte Sicherheitsgesetze, mit denen die Behörden gegen Oppositionelle vorgehen. Mit diesem Prozess wurde ein weiteres Stück Hoffnung auf mehr Freiheit in Hongkong begraben. Länder wie die USA und Australien äußerten umgehend Kritik und sprachen von politisch motivierten Verfahren ohne Respekt vor der Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Aber auch Norwegen könnte sich hier durchaus noch stärker engagieren. Es muss deutlich dagegen protestiert werden, dass sich China nicht um die 1997 eingegangene Verpflichtung schert, Hongkong für 50 Jahre Autonomie zu gewähren, und dass das diktatorische Regime so brutal gegen Hongkongs Zivilgesellschaft vorgeht", meint DAGBLADET aus Oslo.
Die japanische Zeitung ASAHI SHIMBUN aus Tokio hebt hervor: "Alle Prozesse in Hongkong, die das Gesetz über die nationale Sicherheit betreffen, werden von Richtern geleitet, die im Sinne der chinesischen Regierung handeln. Hongkong hat auch seine lange verteidigte richterliche Autonomie verloren. Das nationale Sicherheitsgesetz hat die Bürger Hongkongs ihrer Freiheiten beraubt, und Medienorganisationen, die Peking und der Regierung Hongkongs kritisch gegenüberstehen, wurden mundtot gemacht."
Die britische Zeitung THE GUARDIAN spricht von einem Schauprozess: "Die Kriminalisierung legitimer politischer Aktivitäten vervollständigt die Ausmerzung der bürgerlichen Freiheiten, die augenscheinlich ein halbes Jahrhundert lang unter der Formel 'ein Land, zwei Systeme' garantiert wurden. Dies flankierte die Rückkehr des Territoriums zur chinesischen Herrschaft 1997. Während das Festland unter Chinas Staatschef Xi Jinping seit Jahren eine zunehmende Repression erlebt, werden in Hongkong Rechte und Freiheiten in unglaublicher Geschwindigkeit abgeschafft", hält THE GUARDIAN aus London fest.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz glaubt: "Die Machthaber in Peking wollen mit ihrem kompromisslosen Vorgehen in Hongkong für 'Stabilität' sorgen, wie sie gebetsmühlenartig wiederholen. Nur mit politischer Stabilität, so die Denkweise in der chinesischen Hauptstadt, lasse sich der wirtschaftliche Erfolg der ehemaligen britischen Kronkolonie sichern. Doch ein globaler Finanz- und Wirtschaftsplatz wie Hongkong, der sich selbst als Asiens Tor zur Welt vermarktet, braucht ein offenes gesellschaftliches Klima, eine kritische Diskussionskultur und auch einen Wettbewerb der Ideen und Ansichten. Das haben die Regierenden in Peking nicht verstanden", notiert die NZZ.
Themenwechsel. Die türkische Zeitung KARAR geht ein auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und stellt heraus, die US-Regierung unter dem scheidenden Präsidenten Biden habe Kiew vor Kurzem den Einsatz von Raketen mit höherer Reichweite genehmigt: "Es ist unwahrscheinlich, dass die ATACMS den Verlauf des Konflikts zugunsten der Ukraine verändern werden. Aber der US-Präsident hat diese Entscheidung wegen der Beteiligung nordkoreanischer Truppen am Krieg getroffen. Trumps Sohn schrieb in den sozialen Medien, der militärisch-industrielle Komplex habe sich eingemischt, um den Dritten Weltkrieg auszulösen, bevor sein Vater an die Macht komme und Frieden bringe. Es ist zu hoffen, dass Russland die gleiche Erkenntnis gewonnen hat und nicht daran denkt, den Krieg zu eskalieren oder Atomwaffen einzusetzen, auch nicht taktisch." Das war KARAR aus Istanbul.
Die spanische Zeitung LA VANGUARDIA verweist auf den ukranischen Präsidenten Selenskyj. Dieser habe entschieden, sechs der ATACMS-Raketen direkt "auf russisches Staatsgebiet abzufeuern. Die Reaktion von Wladimir Putin ließ nicht lange auf sich warten: Er aktualisierte die russische Nukleardoktrin, die nun den Einsatz atomarer Waffen erlaubt, falls Russland durch konventionelle Waffen angegriffen wird, die seine Souveränität gefährden - genau das ist nun eingetreten. Man sollte nicht mit dem Feuer spielen. Die militärische Eskalation muss so schnell wie möglich gestoppt werden", mahnt LA VANGUARDIA aus Barcelona.
Die chinesische Staatszeitung JIEFANG RIBAO spekuliert mit Blick auf Bidens' Erlaubnis zum Einsatz der Raketen: "Möglicherweise will der scheidende US-Präsident seinen Nachfolger Trump damit vor vollendete Tatsachen stellen. Die Ukraine wiederum ist bestrebt, ihre Lage an der Front und somit ihre Verhandlungsposition zu verbessern, denn Trump hatte schließlich im Wahlkampf versprochen, den Konflikt innerhalb von 24 Stunden zu lösen. Die russischen Streitkräfte werden dasselbe versuchen, sodass in diesem Winter noch mit erbitterten Kämpfen zu rechnen ist. Bis zu Trumps Amtsantritt sind es noch zwei Monate. Ob dann tatsächlich eine Wende herbeigeführt werden kann, mit der Aufnahme von Friedensgesprächen, die zu der Schaffung einer Pufferzone führen könnten, ist bislang nicht abzusehen", schreibt JIEFANG RIBAO aus Schanghai.
Die tschechische Zeitung HOSPODARSKE NOVINY empfiehlt, die Europäer sollten Kiew noch stärker unterstützen: "Ziel muss es sein, dass die Ukraine bei etwaigen Friedensgesprächen im nächsten Jahr aus einer Position der Stärke verhandeln kann - und nicht aus der Position eines erschöpften Bittstellers. Längst vergessen ist die rhetorische und politische Einheit Europas aus den ersten Wochen nach dem Beginn der russischen Invasion. Man sollte endlich aufhören, nur zu schwätzen, und stattdessen die Dinge praktisch voranbringen. Ansonsten wird das Gefühl des russischen Präsidenten Wladimir Putin, dass er wegen der Schwäche der Demokratien über den gesamten Westen siegen kann, berechtigt sein", vermutet HOSPODARSKE NOVINY aus Prag.
Abschließend Stimmen zu den beschädigten Unterwasser-Kommunikationskabeln in der Ostsee. Die estnische Zeitung POSTIMEES stellt fest: "Beschädigt wurden nun gleich zwei Kabel; eines zwischen Finnland und Deutschland und eines zwischen Litauen und Schweden. Deutschlands Verteidigungsminister Boris Pistorius hat Russland nicht direkt dafür verantwortlich gemacht, aber erklärt, dass es sich nicht um einen Zufall handeln könne. Von denen hat es nämlich einfach zu viele gegeben, und betroffen waren sowohl Datenkabel als auch Gaspipelines. Es sollte auch nicht vergessen werden, dass der Hybridkrieg noch andere Formen kennt, darunter das bewusste Einschleusen von Migranten über die EU-Außengrenze von Belarus nach Polen, Litauen und Lettland. Der vollumfängliche Krieg in der Ukraine dauert jetzt schon seit 1.000 Tagen, und zu seinen größten geopolitischen Auswirkungen zählt bislang der NATO-Beitritt Finnlands und Schwedens. Die Ostsee ist dadurch fast zum NATO-Binnenmeer geworden, und das gefällt Moskau nicht. Ein konventioneller Krieg ist dort vorerst ausgeschlossen, und deshalb greift der Kreml zu einer solchen hybriden Kriegsführung. Für Estland und seine Verbündeten kann es jetzt nur eine Antwort geben: mehr Zusammenarbeit und eine aktive Nutzung der Ostsee als NATO-Binnenmeer", argumentiert POSTIMEES aus Tallinn.
Die finnische Zeitung HUFVUDSTADSBLADET verweist auf weitere Vorfälle: "Im Oktober 2023 beschädigte ein chinesisches Schiff mit Verbindungen zu Russland in der Ostsee mehrere Glasfaserkabel und die Gaspipeline zwischen Finnland und Estland. Außerdem gab es umfassende GPS-Störungen und Cyberangriffe auf Banken und Wasserwerke. Im Prinzip verläuft der gesamte finnische Internetverkehr über ungeschützte Unterseekabel, die ironischerweise auch noch auf Seekarten verzeichnet sind, um Umglücke zu vermeiden. Ohne funktionierende Infrastruktur liegt eine moderne Gesellschaft lahm. Die Ostsee ist zum Schlachtfeld dieses Hybridkriegs geworden - und Finnland steht mitten im Kreuzfeuer." Das war zum Ende der internationalen Presseschau die Meinung von HUFVUDSTADSBLADET aus Helsinki.