28. November 2024
Die internationale Presseschau

Thematisiert werden die nun bestätigte neue EU-Kommission, die Memoiren von Angela Merkel und die Waffenruhe zwischen Israel und der Hisbollah-Miliz.

Ein zerstörtes Haus in Beirut. Jemand fährt auf einem roten Motorroller vorbei.
Nach mehr als einem Jahr Krieg zwischen Israel und der Hisbollah im Libanon schweigen die Waffen - ein Thema der internationalen Kommentare. (picture alliance / ZUMAPRESS.com / Sally Hayden)
Dazu notiert die israelische Zeitung HAARETZ: "Ein weiterer Krieg geht zu Ende, ohne dass irgendein politisches Lager jubelt. Gefeiert wurde nur zu Kriegsbeginn. Was hat dieses Gewaltspektakel gebracht? Ist Israel jetzt ein sicherer Ort? Hat sich das internationale Ansehen des Landes verbessert? Ist die Wirtschaft gestärkt? Hat sich die Stimmung der Menschen gebessert? Hat sich überhaupt irgendetwas getan? Es sind nur Schäden, die entstanden sind. Es war vom ersten Tag des Krieges an klar, dass ein Zweifrontenkrieg nicht zu einer besseren Zukunft führen wird", mein HAARETZ aus Tel-Aviv.
Die JERUSALEM POST verlangt: "Wenn die Waffenruhe erfolgreich sein soll, muss Israel von Beginn an klare Regeln vorgeben. Ein energisches Vorgehen ist nicht nur eine Botschaft an den Feind, sondern auch an die Israelis, die darüber nachdenken, in ihre Häuser im Norden zurückzukehren. Das Abkommen könnte eine neue Zeitrechnung einläuten, aber nur, wenn es eingehalten wird. Und nur, wenn Israel auf Verstöße konsequent reagiert."
THE DAWN aus Pakistan argumentiert: "Auch wenn auf einen langfristigen Frieden gehofft wird, scheint es sich realistisch gesehen eher um eine taktische Pause für beide Seiten zu handeln. Die grundlegenden Auslöser für die Spannungen bestehen weiter. Und Israel ist dafür bekannt, den kleinsten Vorwand zu nutzen, um seine Angriffskriege wieder aufzunehmen. Die einzige Möglichkeit für eine dauerhafte Ruhe in der Region besteht darin, dass Israel sein Gemetzel im Gazastreifen sofort einstellt, die Souveränität der Nachbarn respektiert und sich für einen palästinensischen Staat einsetzt. Doch es besteht wenig Hoffnung, dass sich die israelische Regierung darauf einlässt. Es droht ein weiterer Konflikt, vor allem, wenn im Januar eine noch israel-freundlichere Regierung in Washington die Zügel in die Hand nimmt", erwartet THE DAWN, die in Karatschi erscheint.
Die arabisch-sprachige Zeitung ELAPH mit Sitz in London ist ähnlicher Meinung: "Von dem Waffenstillstandsvertrag wird vor allem die Regierung Netanjahu profitieren. Ihr kommt der Umstand entgegen, dass die kommende Trump-Administration entschlossen auf die vollständige Zerstörung der Hisbollah, der Hamas und anderer Verbündeter Irans setzt. Dieser Umstand wird Netanjahu erhebliche Freiheiten verschaffen. Zudem kann man davon ausgehen, dass er nicht zögern wird, die Waffen, die er von der Regierung Biden als Belohnung für seine Annahme des Waffenstillstands erhält, auch anderswo einzusetzen."
Das WALL STREET JOURNAL aus New York City ist folgender Ansicht: "Der Waffenstillstand ist ein Sieg für Israel. Irans Stellvertreter im Libanon ziehen sich aus dem Kampf zurück und lassen die Hamas im Gazastreifen allein. Das Abkommen ist kein Allheilmittel, es könnte sich auch als brüchig erweisen. Die Kämpfe könnten erneut aufflammen, wenn die Hisbollah versucht, im Südlibanon wieder aufzurüsten. Doch hinter den vereinbarten Verpflichtungen und Warnungen im Abkommen verbirgt sich die eigentliche Errungenschaft: eine Veränderung des Kräfteverhältnisses", analysiert das WALL STREET JOURNAL.
Das indische Nachrichtenportal THE QUINT mit Sitz in Neu-Delhi sieht das Abkommen ebenfalls als israelischen Erfolg: "Lange Zeit hatte die Hisbollah darauf bestanden, einem Waffenstillstand nicht zuzustimmen, solange der Gaza-Krieg nicht beendet sei. Doch die Hisbollah musste ihre Haltung ändern, nachdem sie verheerende Schläge eingesteckt hat - darunter der Tod zahlreicher hochrangiger Kommandeure, der Tod des langjährigen Anführers Nasrallah, und die Zerstörung der Waffenlager und Infrastruktur."
Dazu noch eine Stimme aus Japan von der YOMIURI SHIMBUN: "Es ist zwar zu begrüßen, dass die Gewalt gestoppt wurde – allerdings sind ein Frieden und eine Stabilisierung der gesamten Nahost-Region noch meilenweit entfernt. Auch nach Eintreten der Waffenruhe kann man nicht sagen, dass sowohl Israel als auch die Hisbollah gegenseitig weniger Rivalität spüren. Um die Waffenruhe im Libanon tatsächlich umzusetzen, sollten die Vereinten Nationen die Aktivitäten der UNIFIL stärken. Außerdem ist es bedauerlich, dass Japan bei den internationalen diplomatischen Bemühungen im Nahost-Konflikt derzeit überhaupt keine Rolle spielt. Für Tokio dürfte es keine Ausrede sein, dass aktuell dort nur eine Minderheitsregierung amtiert", moniert YOMIURI SHIMBUN aus Tokio.
Das Europaparlament hat die Besetzung der neuen EU-Kommission bestätigt. Dazu schreibt die estnische Zeitung POSTIMEES: "Es ist gut, wenn Ursula von der Leyen und ihre Kommission jetzt rasch ihre Arbeit aufnehmen können, denn es fehlt nicht an Herausforderungen. Sie werden sich sofort mit der Sicherheitslage in Europa befassen müssen. Immerhin lässt sich voraussagen, dass die Kommission die baltischen Staaten nicht im Stich lassen wird - schon allein deshalb nicht, weil unsere Region Schlüsselposten innehat. Der Litauer Andrius Kubilius ist der neue Verteidigungskommissar, Valdis Dombrovskis aus Lettland ist für die Wettbewerbsfähigkeit zuständig, und Kaja Kallas aus Estland wird Außenbeauftragte. Ein weiterer wichtiger Posten geht an unseren Nachbarn Finnland, denn Henna Virkkunen ist nicht nur eine der Vizepräsidentinnen, sondern auch zuständig für technische Souveränität, Sicherheit und Demokratie. Damit sind wir Ostseeanrainer in der Kommission deutlich vertreten", freut sich POSTIMEES aus Tallinn.
Die dänische POLITIKEN sieht eine schwere Aufgabe für EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen: "Zwar stimmte eine Mehrheit der Abgeordneten für die neue Kommission, sodass sie am 1. Dezember ihre Arbeit aufnehmen kann, aber das Parlament ist stark fragmentiert. Die äußere Rechte stimmte mehrheitlich gegen die neue Kommission, obwohl zwei Drittel der Kommissare konservativ bis ultrarechts sind. Aber auch aus dem linken Lager kam Widerstand, unter anderem wegen der Ernennung des Italieners Rafaele Fitto zu einem der Vizepräsidenten. Übrig blieb nur eine knappe Mehrheit aus Konservativen, Sozialdemokraten, Liberalen und der Hälfte der Grünen, aber auch hier herrschte ein verbitterter Ton. Eigentlich könnten die internen Spannungen im EU-Parlament von der Leyen egal sein, denn ihre Kommission steht. Aber sie wird Beschlüsse fassen müssen, die vom Parlament genehmigt werden müssen, und die politische Mitte ist seit den letzten EU-Wahlen geschwächt", erläutert POLITIKEN aus Kopenhagen.
International wird auch das neue Buch der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel kommentiert. "Merkels Memoiren offenbaren ihre blinden Flecken in Bezug auf Russland", hält die FINANCIAL TIMES aus London fest: "In ihrem faszinierenden Bericht über den NATO-Gipfel in Bukarest 2008 vermeidet sie es, eine Verbindung zum Einmarsch russischer Streitkräfte in Georgien vier Monate später herzustellen. In Bukarest hatte sie mit Hilfe des französischen Präsidenten Sarkozy den Versuch von US-Präsident Bush vereitelt, die Ukraine und Georgien in die NATO aufzunehmen. Dass sich Merkel weigert, in Betracht zu ziehen, dass Putin diese mangelnde Entschlossenheit als grünes Licht für einen Angriff auf Georgien und später auf die Ukraine wertete, ist verblüffend", findet die FINANCIAL TIMES.
Der CORRIERE DELLA SERA aus Mailand ist enttäuscht: "Merkel sagt, sie übernehme die Verantwortung für die getroffenen Entscheidungen, nennt sie aber nicht Fehler oder ein Verkennen der Realität. Es hätte das Buch sein können, das unsere Entwicklung von der Jahrhundertwende mit ihren vielen Irrtümern bis zu Europas heutiger Krise beleuchtet; stattdessen ist es die Selbstrechtfertigung von jemandem geworden, der seinen Ruf verteidigt, uns aber nicht mehr sagt."