23. Dezember 2024
Die internationale Presseschau

Ein Thema ist die Lage in Syrien nach dem Sturz des früheren Machthabers Assad. Außerdem geht es um den Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt in Magdeburg.

    Zahlreiche Kerzen stehen vor dem Weihnachtsmarkt. Am 20. Dezember 2024 ist auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg ein Autofahrer in eine Menschengruppe gefahren. Es gab mehrere Tote und Verletzte.
    Zahlreiche Kerzen stehen in Gedenken an die Opfer des Anschlags von Magedburg vor dem Weihnachtsmarkt. (picture alliance / dpa / Sebastian Kahnert)
    Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG sieht Versäumnisse von Behörden und Politik und schreibt in Bezug auf den Täter: "Offenbar wurden die Behörden vor dem Mann gewarnt. Die Frage ist, warum sie nichts unternahmen. So viel ist aber schon jetzt klar: Politiker in Deutschland haben die innere Sicherheit seit Jahren vernachlässigt. Intensiv diskutierte das Land dafür über vermeintlich böse und gewalttätige Polizisten und über Innenminister, die man als Überwachungsfanatiker abstempelte. Natürlich lässt sich der öffentliche Raum nicht vollständig schützen. Egal, wie viele Betonquader man aufstellt, irgendwo wird immer ein Loch sein. Wohl aber lässt sich der öffentliche Raum besser schützen als bisher, Frankreich hat es während der Olympischen Spiele vorgemacht. Es ist Aufgabe der bürgerlichen Parteien, der Erosion der öffentlichen Sicherheit schnellstens Einhalt zu gebieten", meint die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz.
    "Dass es nach dem Vorfall in Berlin immer noch Sicherheitslücken auf Weihnachtsmärkten gab, ist nicht nachvollziehbar", urteilt die chinesische Zeitung JIEFANG RIBAO und fährt fort: "Auch diesmal hat der Täter Migrationshintergrund. Die Migrationsfrage spaltet die deutsche Gesellschaft und war der Nährboden für das Wachstum der AfD. Angesichts der zeitlichen Nähe zur vorgezogenen Bundestagswahl im Februar sind mögliche Auswirkungen jetzt schon vorherzusehen. Vor allem könnte wiederum die AfD profitieren, die im Osten Deutschlands ohnehin schon sehr stark ist", spekuliert die JIEFANG RIBAO aus Schanghai.
    Die aserbaidschanische Zeitung MÜSAVAT aus Baku zeigt sich verständnislos angesichts der Biographie des Täters: "Es stellt sich die Frage, warum jemand, der in Deutschland studiert hat und einen guten Job als Arzt hatte, ein so schweres Verbrechen begangen hat. Diese Tat eines Menschen, dessen Beruf es sein sollte, Menschen zu heilen, ist unvorstellbar."
    Auch die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA bemerkt: "Der 50-jährige Taleb A. hätte als Musterbeispiel für Integration gelten können. Als Psychiater hatte er einen hohen sozialen Status erlangt, insbesondere für einen Einwanderer der ersten Generation. Er war nicht während der großen Migrationswelle 2015-2016 nach Deutschland gekommen, sondern ein Jahrzehnt zuvor. Er war kein illegaler Einwanderer, er erhielt den Status eines politischen Flüchtlings aus Gründen, die glaubwürdig klangen – Verfolgung in seinem Heimatland. Das bedeutet natürlich nicht, dass es in Deutschland nun keine weitere Debatte über Migration und Muslime geben wird. Der Anschlag von Magdeburg wird im Bundestagswahlkampf bereits instrumentalisiert", notiert die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
    Die tschechische Zeitung HOSPODARSKE NOVINY folgert: "Der Anschlag in Magdeburg hat das Potenzial, die Themen und den Stil des Bundestagswahlkampfs zu beeinflussen. Wie die deutschen Politiker mit der Lebensgeschichte des Täters und seinem Motiv umgehen, dürfte zu einem Test dafür werden, wie sie sich von solchen Taten beeinflussen lässt. Besonders aufmerksam wird man das in Russland verfolgen, das jede Gelegenheit ausnutzt, um mit Hilfe der sozialen Netzwerke und weiterer Instrumente des hybriden Kriegs die Polarisierung und Spaltung der europäischen Gesellschaft zu verstärken. Davon profitieren Parteien an beiden Extremen des politischen Spektrums", ist HOSPODARSKE NOVINY aus Prag überzeugt.
    DE VOLKSKRANT aus Amsterdam befürchtet einen Missbrauch des Themas durch Populisten und warnt: "Das Narrativ der AfD wird von rechtsextremen Medien und Influencern im In- und Ausland verstärkt. Sie verbreiten unter anderem die unbewiesene These, dass der mutmaßliche Täter von Magdeburg sich zwar als Islamkritiker ausgegeben habe, in Wahrheit aber ein gläubiger Muslim sei. Zudem versucht die radikale Rechte, den Anschlag für ihre politischen Ziele zu nutzen, indem sie erklärt, der Mann sei nun mal ein Flüchtling - was auch immer sein Motiv gewesen sein möge. Die unterschwellige Botschaft: Dieser Anschlag wäre nicht passiert, wenn die deutsche Regierung in den letzten Jahren eine restriktivere Migrationspolitik verfolgt hätte", kritisiert DE VOLKSKRANT aus den Niederlanden.
    Damit zu unserem zweiten Thema. Nach dem Machtwechsel in Syrien wird über eine Aufhebung der internationalen Sanktionen gegen das Land diskutiert. Der österreichische STANDARD spricht sich dafür aus und fordert: "Die EU und vor allem die USA müssen jetzt rasch handeln – rascher als bisher. Trotz des dschihadistischen Ursprungs der regierenden Hayat Tahrir al-Sham (HTS), die aus dem Islamischen Staat und Al-Kaida hervorgegangen ist, verdient die neue Führung einen Vertrauensvorschuss. Bisher hat sie alles getan, um die Welt von ihrem Willen zu einer inklusiven, toleranten und dem Wohl des Landes verpflichteten Regierung zu überzeugen. Aber jeden Tag, an dem die Sanktionen in Kraft bleiben, steigt der Unmut der Bevölkerung. Das kann zu neuen Spannungen und Gewalt führen, und das wiederum zur Repression. Es gibt keine Garantie, dass in der HTS nicht radikalislamische Kräfte die Oberhand gewinnen werden oder das Land in einem neuen Bürgerkrieg versinkt. Aber die Entwicklung seit der Flucht Assads ist bisher vielversprechend, und diese Taten sollten entscheidend sein", argumentiert der STANDARD aus Wien.
    Die arabischsprachige Zeitung AL QUDS AL-ARABY beschreibt, wie der Prozess der Annäherung zwischen dem Westen und den neuen syrischen Machthabern bereits läuft: "Nun, da die Euphorie über den Sturz des Assad-Regimes allmählich abklingt, treffen die ersten westlichen Delegationen, insbesondere aus Europa und den USA, in Damaskus ein. Dies geschieht in offenem Widerspruch zu dem Umstand, dass HTS-Anführer Ahmed Hussein al-Scharaa als Terrorist eingestuft ist. Doch inzwischen hat Barbara Leaf, Bidens Chefdiplomatin für den Nahen Osten, erklärt, die USA würden das Kopfgeld von zehn Millionen Dollar auf al-Scharaa aufheben. Zudem hat sie die Unterstützung der Biden-Regierung für einen politischen Prozess zur Bildung einer inklusiven Regierung angekündigt. Vieles deutet darauf hin, dass al-Scharaa zwar eine religiöse Regierung aufbauen will - allerdings eine, die seine Partner nicht an der politischen Entwicklung Syriens zweifeln lässt", analysiert AL QUDS AL-ARABY aus London.
    Aus Sicht der in Barcelona erscheinenden Zeitung LA VANGUARDIA stellen sich in Syrien nun unter anderem folgende Fragen: "Wird es möglich sein, eine Einheitsregierung zu bilden, die tatsächlich alle Minderheiten respektiert? Wird es zu einer Aussöhnung zwischen den verfeindeten Milizen kommen? Und wird die HTS tatsächlich mit ihrer Vergangenheit brechen und einen demokratischen Prozess einleiten? Syrien steht an einem Scheideweg: Es kann zusammenfinden, aber auch im Chaos versinken." So weit LA VANGUARDIA aus Spanien.
    Die schwedische Zeitung UPSALA NYA TIDNING macht sich Gedanken über die Zukunft des gestürzten Diktators Baschar al-Assad und kommt zu dem Schluss: "Nur in alten Filmen reicht ein Sack Geld, um den Rest des Lebens glücklich in Saus und Braus zu verbringen. In Wirklichkeit gehören auch Dinge wie persönliche Sicherheit und ein soziales Umfeld für sich und die Familie dazu. Nichts deutet darauf hin, dass Russlands Präsident Putin dem gestürzten syrischen Diktator etwas davon anbieten wird. Schon rasch wurde klar, dass Russland Assad aus Syrien entfernen und damit im Abseits haben wollte. Das Beste wäre natürlich, wenn er wegen seiner Verbrechen vor Gericht gestellt würde. Assad ist mit seinen 59 Jahren noch relativ jung. Wird er 20 Jahre lang in einer Zwei-Zimmer-Wohnung am Stadtrand von Moskau verbringen? Oder wird er irgendwann zurück nach Damaskus fliegen, in dem Glauben, es sei wohl alles vergessen - um dann festgenommen und angeklagt zu werden?", würde die UPSALA NYA TIDNING gerne wissen, und damit endet die internationale Presseschau.