Dazu schreibt die österreichische Zeitung DIE PRESSE aus Wien: "Sollte es eine blau-türkise Koalition mit einem Bundeskanzler Kickl geben, wird Österreich seinen Platz in der politischen Mitte aufgeben. Sowohl innerhalb der EU als auch in der Staatengemeinschaft setzt die FPÖ auf andere Verbündete. Die Nähe zu Russland und Viktor Orbán wird laufend betont und gesucht."
DER STANDARD - ebenfalls aus Wien - wirft der konservativen ÖVP Wählertäuschung vor: "Der absehbare Pakt mit Herbert Kickl von der FPÖ bringt eine Zeitenwende in Österreich. Gesellschaftliche Übereinkünfte, die bislang als selbstverständlich angesehen wurden, sind es plötzlich nicht mehr. Das, was weite Teile der österreichischen Politlandschaft darstellt, von der Sozialpartnerschaft über unseren Platz im Herzen Europas bis zur Pressefreiheit, subsumiert die Kickl-FPÖ verächtlich unter dem 'System'. Und sie bekämpft es."
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz äußert die Hoffnung, dass die konservative ÖVP in Österreich mäßigend auf die FPÖ wirkt. So schreibt die NZZ: "Kickl hat sich in vielen Positionen radikalisiert. Die Verantwortung, ihn zu zügeln, liegt nun bei der ÖVP. Die Konservativen sollten sich in den Koalitionsverhandlungen erstens auf ihre Grundwerte besinnen und diese auch einfordern: etwa die klar proeuropäische, wirtschaftsfreundliche Orientierung, ihr Bekenntnis zum Rechtsstaat oder die Absicht, den Staatshaushalt zu sanieren. Die ÖVP sollte darauf bestehen, Schlüsselministerien zu besetzen – jenes des Innern, jenes für Verteidigung oder jenes für auswärtige Angelegenheiten", unterstreicht die NZZ aus Zürich.
Die polnische GAZETA WYBORCZA blickt über die österreichischen Landesgrenzen: "In zwei Wochen wird Donald Trump als neuer US-Präsident vereidigt. Die Lage in Europa wird unterdessen immer instabiler. Nach Nehammers Rücktritt ist Österreich nach Frankreich das nächste EU-Land ohne Regierungschef. Deutschland bereitet sich auf die vorgezogene Bundestagswahl vor. Die Alternative für Deutschland, eine Verbündete der FPÖ, kommt in Umfragen auf 19 Prozent. Die Partei wird von Elon Musk, einem mit Trump verbundenen Milliardär, auf dessen Plattform X intensiv beworben", notiert die GAZETA WYBORCZA aus Warschau.
Nun nach Frankreich. Heute wird in dem Land der Opfer des Terroranschlags auf die Redaktion des Satireblattes "Charlie Hebdo" gedacht. Die französische Zeitung OUEST FRANCE blickt zurück: "2015 reagierten das Land und die Menschen mit Kraft und Würde. Doch was bleibt von unseren Gewissheiten zehn Jahre später übrig? Die vielfältigen Brüche, die Frankreich spalten, haben sich vertieft. Un die zahlreichen Krisen haben das soziale Gefüge geschwächt. Verbale und auch physische Gewalt gehören zum Alltag. Die Sorge um das Gemeinwohl verkümmert. Die Debattenkultur hat sich verschlechtert. Grundlegende Werte der Republik wie die Meinungsfreiheit und der Laizismus werden in Frage gestellt. Die beiden Lehrer Samuel Paty und Dominique Bernard wurden ermordet, weil es ihr Beruf war, diese Werte zu vermitteln. Wir sind es all den Opfern schuldig, weder Demagogen, die das Land spalten, noch Populisten, die den Verzicht predigen, nachzugeben. Das beste Gegenmittel ist in unseren Herzen verankert. Es heißt Brüderlichkeit. Und dieser 7. Januar ist ein guter Tag dafür", meint OUEST FRANCE aus dem bretonischen Rennes.
Der französische FIGARO kommt zu dieser Einschätzung: "Auch ein Jahrzehnt später wird Frankreich weiterhin im Kern durch islamistischen Terrorismus attackiert. Die verheerenden Auswirkungen einer sinnlosen Migrationspolitik zeigen sich in der demografischen Eroberung durch den politischen Islam. Die Meinungsfreiheit vermischt sich in einigen Netzwerken mit den niederträchtigsten Instinkten, während die Meinungsfreiheit in den Medien unter dem doppelten Imperativ der 'Inklusion' und der 'Vielfalt' verkümmert", meint LE FIGARO aus Paris.
Auch die schwedische Zeitung DAGENS NYHETER sieht die Meinungsfreiheit weiter bedroht: "Aber es gibt noch weitere Gefahren. Jetzt sind es zunehmend Diktatoren wie Putin und andere autoritäre Führer, die das freie Wort unterdrücken. Respektlose Medien wie Charlie Hebdo, die den Machthabern unbequeme Wahrheiten ins Gesicht sagen, sind daher so wichtig wie lange nicht mehr", betont DAGENS NYHETER aus Stockholm.
Die dänische Zeitung JYLLANDS-POSTEN, die bereits 2005 Mohammed-Karikaturen veröffentlichte, fordert mehr als eine solidarische Geste: "Es mag deprimierend wirken, täglich von Bedrohungen und dem Bösen auf der Welt zu lesen, aber das Wissen ist unumgänglich, um sich zu positionieren und zu agieren. Der Kampf für die Demokratie ist nicht vorbei, indem wir an einem Glas Wein nippen und 'Je suis Charlie' in ein Facebook-Profil setzen. Nein, wir sind nicht alle Charlie. Aber wir sind alle verpflichtet, die Sache von Charlie zu unterstützen." Das war JYLLANDS-POSTEN aus Århus.
Zum Schluss nach Kanada. Premierminister Trudeau hat nach mehr als neun Jahren als Regierungschef seinen Rücktritt angekündigt. Die kanadische Zeitung TORONTO STAR wagt eine erste Bilanz: "Trudeau hat dieses Land durch die erste Präsidentschaft von Donald Trump und durch die Covid-Pandemie geführt. Er hat umfassende Sozialprogramme ins Leben gerufen. Aber er wird auch ein Einwanderungs- und Asylsystem hinterlassen, das überlastet, planlos und völlig unvorbereitet auf die Herausforderungen einer zweiten Amtszeit von Trump ist. Trudeau machte große Ankündigungen zum Umwelt- und Klimaschutz. Er erwies sich jedoch als unfähig, die Art von Koalition aufzubauen, die notwendig ist, um etwas Großes und Dauerhaftes zu erreichen."
Die kolumbianische Zeitung EL ESPECTADOR erläutert: "Trudeau begann 2015 wie eine progressivere Ausgabe des Liberalismus von Barack Obama in den USA. Truedeau versuchte sich als eine Ikone des feministischen linken Zentrismus zu positionieren. Das kanadische Modell setzte auf Respekt und Debatten und bildete einen Kontrast zum autoritären Ultra-Konservativismus von Trump. Während Kanada seine Pforten für Einwanderer öffnete, sperrten die USA Kinder in Gefängnisse und verhängten Einreiseverbote für Bürger aus überwiegend muslimischen Staaten. Nun beginnt das neue Jahr mit einem triumphalen Wiedereinzug Trumps ins Weiße Haus, während Trudeau durch den Hinterausgang abtritt." Wir zitierten die EL ESPECTADOR aus Bogota.
Auch in China findet die politische Entwicklung in Kanada Beachtung. Die in Schanghai erscheinende Zeitung JIEFANG RIBAO nennt parteiinterne sowie wirtschaftspolitische Gründe für Trudeaus Entscheidung: "Was am Ende schließlich zu seinem Einlenken führte, dürften die Drohungen des designierten US-Präsidenten Trump und der Rücktritt der kanadischen Finanzministerin Freeland gewesen sein."
Die Zeitung TAKUNGPAO aus der Sonderverwaltungszone Hongkong nennt Trudeau einen Handlanger der USA, der China grundlos ins Visier genommen habe. "Aber er konnte mit seinem harten Kurs gegen Peking und den hohen Zöllen, die er gegen chinesische Produkte verhängte, nicht verhindern, dass sich die Lage der kanadischen Wirtschaft immer weiter verschlechterte."
Die chinesische Zeitung XINJINGBAO aus Peking spekuliert über Trudeaus Nachfolger. "Es gibt gleich mehrere Kandidaten, darunter Finanzminister Dominic LeBlanc oder Außenministerin Mélanie Joly. Voraussichtlich wird es noch in der ersten Jahreshälfte in Kanada zu Neuwahlen kommen. Bis zu seinem Rücktritt wird sich Trudeau aber noch mit dem neuen US-Präsidenten Trump rumschlagen müssen, der auch davon gesprochen hat, Kanada zum 51. Bundesstaat der USA machen zu wollen."