16. Januar 2025
Die internationale Presseschau

Im Mittelpunkt der Kommentare steht die Grundsatzeinigung auf eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas für den Gazastreifen.

Palästinenser inspizieren eine zerstörte Straße und Häuser im Gazastreifen.
Trotz der Waffenruhe im Gazastreifen gab es erneut viele Tote. (AP / Abdel Kareem Hana)
Skeptisch ist die türkische Zeitung AKŞAM, sie fragt sich: "Ist es wirklich vorbei? Was steht denn nun im Entwurf des Waffenstillstandsabkommens? Einige Details sind durchgesickert. Israel soll für eine Geisel 50 palästinensische Gefangene freilassen, und die israelische Armee soll sich aus dem Gazastreifen zurückziehen. Und schließlich sollen die Angriffe dauerhaft eingestellt werden. Alles schön und gut, aber wer soll das überwachen? Wie soll das funktionieren? Angesichts der Geschichte Israels scheint es wahrscheinlich, dass dieses Abkommen, wenn es denn zustande kommt, nur auf dem Papier steht. Derartige Abkommen hat es in der Vergangenheit schon viele gegeben", gibt AKŞAM aus Istanbul zu bedenken.
Selten habe sich Hoffnung so zerbrechlich und unzureichend angefühlt, notiert der britische GUARDIAN. "Ein Moment, auf den lange gehofft wurde, wird dennoch von den Palästinensern im Ödland des Gazastreifens und den traumatisierten Familien der israelischen Geiseln mit Furcht und Besorgnis, aber auch mit Freude aufgenommen. Jedes zaghafte Gefühl der Erleichterung wird durch das vergangene Leid und die Ängste vor der Zukunft überschattet. Und doch ist eine Einigung in dieser verzweifelten Lage ein Schritt nach vorn, den es zu begrüßen gilt und auf dem man aufbauen kann", betont der Londoner GUARDIAN.
Die russische Zeitung NESAWISSIMAJA GASETA sieht noch kein Ende des Krieges im Nahen Osten: "Das Abkommen gibt der israelischen Armee freie Hand, ihre operativen Aktivitäten im Gazastreifen aufrechtzuerhalten. Diese werden nur zeitlich und räumlich begrenzt. Israels größtes Augenmerk wird nun auf seiner Grenze zur Enklave und dem Streifen zwischen Gaza und Ägypten liegen, der als wichtiger Schmuggelkorridor gilt. Die Fähigkeit Israels, eine Pufferzone innerhalb der Enklave aufrechtzuerhalten, ist ein wesentlicher Streitpunkt zwischen Israel und den palästinensischen Militanten. Allerdings scheint die Hamas erkannt zu haben, dass Israel die Sprache der Gewalt nicht aufgeben wird", ist in der Moskauer NESAWISSIMAJA GASETA zu lesen.
Die panarabische Zeitung AL QUDS, die in London herausgegeben wird, ist der Überzeugung: "Mit dem Waffenstillstand haben die Palästinenser nun eine echte Chance. Sie können eine Regierung von Technokraten bilden, die die palästinensischen Gebiete verwaltet und einen ernsthaften Plan für den Wiederaufbau und die Zukunft vorlegt. Wenn diese Gebiete dann seitens der Araber und der internationalen Gemeinschaft unterstützt werden, hat auch Israel kein Argument mehr, den Krieg fortzusetzen", findet AL QUDS.
Die israelische Zeitung HAARETZ fordert: "Die Vereinbarung muss in vollem Umfang umgesetzt werden, auch um das Massensterben und die enorme Zerstörung im Gazastreifen zu beenden. Die Rückkehr aller Geiseln ist eine oberste moralische Verpflichtung. Aber auch Israel hat die moralische Verpflichtung, die Katastrophe im Gazastreifen zu beenden. Die kommenden Tage werden heikel sein. Die Bilder im Fernsehen von freigelassenen Geiseln werden emotional und schmerzhaft sein. Freude wird sich mit Traurigkeit mischen. Aber wir dürfen uns nicht mit diesen Bildern zufriedengeben. Alle Geiseln müssen nach Hause zurückkehren. Der Krieg muss beendet werden, vollständig und absolut. Die Zeit des Wiederaufbaus ist gekommen", unterstreicht HAARETZ aus Tel Aviv.
Die spanische Zeitung EL PAIS weist darauf hin: "Die momentane Erleichterung über eine Waffenruhe wird für immer von 15 Monaten grausamen Krieges überschattet sein, der bislang 400 tote israelische Soldaten und 46.700 Tote im Gazastreifen hinterlassen hat."
In der palästinensischen Zeitung AL HAYAT AL-JADIDA heißt es: "Nach dem Waffenstillstand ist die Hamas gefordert, sich mit ihrer Geschichte und ihrem Selbstverständnis auseinanderzusetzen. Sie muss sich für die Interessen der Palästinenser einsetzen. Zudem muss die Hamas ihre Verbindungen zu einigen regionalen Akteuren kappen, die den Palästinensern nichts als Verderben gebracht haben. Um nationale Legitimität zu erlangen, hat die Hamas noch einen weiten Weg vor sich", ist AL HAYAT AL-JADIDA aus Ramallah überzeugt.
In der israelischen Zeitung THE JERUSALEM POST lesen wir: "Dies ist nicht der Zeitpunkt, um über die Freilassung von Hamas-Terroristen zu jammern - das kann zu gegebener Zeit geschehen. Heute müssen wir feiern: Als Nation, weil wir ein Volk sind, dem das Leben wichtiger ist als der Tod und weil wir unsere Geiseln bald lebend zu Hause wiedersehen werden. Lasst uns das Kämpfen für morgen aufheben. Darin sind wir ohnehin so gut."
Das WALL STREET JOURNAL sieht eine deutliche Beteiligung der USA an dem Abkommen: "Wenn ein US-Präsident beschließt, die Macht zu nutzen, dann kann sich das sehen lassen. Das ist eine Lehre aus dem Geiselabkommen zwischen Israel und der Hamas, das nur wenige Tage vor Donald Trumps Amtseinführung erzielt wurde. Es erinnert an die Befreiung der US-Geiseln aus dem Iran in den ersten Minuten der Reagan-Präsidentschaft. Mit Trumps Drohung, es werde 'die Hölle losbrechen', wenn die Geiseln nicht bis zum 20. Januar freigelassen würden, setzten die USA die Parteien unter Druck, ein Abkommen abzuschließen", findet das WALL STREET JOURNAL.
Themenwechsel. Die niederländische Zeitung DE VOLKSKRANT geht der Frage nach, wie sich das Verhältnis zwischen den USA und der EU während der zweiten Präsidentschaft unter Donald Trump entwickeln könnte: "Der Testfall ist die Hilfe für die Ukraine: Dreht Trump den Geldhahn für Kiew zu? Stoppt er die Waffenlieferungen? Fordert er die EU auf, einen größeren Anteil an der Militärhilfe zu übernehmen, vorzugsweise durch den Kauf von US-Waffen? Auch darüber wird hinter den Kulissen in Brüssel nachgedacht, wenngleich diese Szenarien Berichten zufolge bislang deutlich weniger detailliert sind als jene im Bereich der Handelsbeziehungen. Problematisch für die EU-Staaten ist, dass die Kapazitäten der eigenen Rüstungsindustrie einfach zu gering sind. Und es würde Jahre dauern, neue Fabriken für Munition, Panzer und Raketen zu bauen. Die Einsicht, dass etwas getan werden muss, ist in der EU allerdings gereift", analysiert DE VOLKSKRANT aus Amsterdam.
Die finnische Zeitung HÄMEEN SANOMAT lobt die enge Kooperation der NATO-Partner in Skandinavien und im Baltikum: "Noch nie war die sicherheitspolitische Zusammenarbeit zwischen Finnland, Schweden und Estland so eng wie heute, da mittlerweile alle der NATO angehören. Das hat sich auf dem jüngsten NATO-Gipfel in Helsinki gezeigt, wo die gesamten Ostsee-Anrainer ein gemeinsames Vorgehen gegen die aus Russland kommende Bedrohung vereinbarten. Die russische Schattenflotte ist nichts anderes als ein Sabotage-Apparat, und deshalb darf sie nicht länger ungehindert agieren. Insofern war es hervorragend, dass die NATO umgehend reagierte, als der Tanker Eagle S wegen des Verdachts der Sabotage an einem Unterseekabel festgesetzt wurde", hebt HÄMEEN SANOMAT aus Hämeenlinna hervor.
Abschließend noch ein Blick in die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN, die sich mit der schrumpfenden Wirtschaft in Deutschland befasst. Die Abhängigkeit von China und Russland räche sich nun: "Der Lieferstopp von Billiggas aus Russland war ein harter Schlag für die deutsche Industrie. Hinzu wirkt sich Chinas schwache Konjunktur auf den deutschen Export negativ aus. Die Verunsicherung angesichts der schwachen Konjunktur treibt die Bürger dazu an, ihr Geld - auch nach gestiegenen Löhnen - nicht für Konsum auszugeben. Sie lassen ihr Geld lieber auf dem Sparkonto, denn die Zinsen in Europa sind historisch gesehen immer noch auf einem hohen Niveau. Die starke Verunsicherung über die Konjunktur überschattet den Wahlkampf. Egal wie die Bundestagswahl ausgeht: Ein sich noch länger hinziehendes politisches Vakuum könnte dazu führen, dass die deutsche Wirtschaft auch in diesem Jahr schrumpft", warnt NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.