Zum ersten Thema schreibt der österreichische STANDARD: "Endlich besteht Hoffnung, dass schon bald wenigstens einige der am 7. Oktober verschleppten Geiseln zu ihren Familien zurückkehren dürfen – oder zu jenem Teil, der nicht selbst von der Hamas ermordet wurde. Endlich dürfen in Gaza hunderttausende Menschen die überfüllten Flüchtlingslager verlassen. Endlich können sich die Menschen im Gazastreifen nun hoffentlich im Freien bewegen, ohne Todesängste auszustehen. Gerade weil die Erleichterung über den langerwarteten Deal groß ist, muss man fragen: Warum erst jetzt?" meint der STANDARD aus Wien.
"Donald Trump ist bereits dabei, den ersten Krieg zu stoppen. Wahrscheinlich", titelt die polnische RZECZPOSPOLITA und führt aus: "Die Freilassung der Geiseln ist aus Sicht Amerikas – und der Familien der während des barbarischen Hamas-Anschlags Entführten – die wichtigste Auswirkung des Abkommens. Filmmaterial, das zeigt, wie täglich mehrere Geiseln die Grenze zum Gazastreifen überqueren, wird vermutlich die Berichterstattung im westlichen Fernsehen dominieren. Dies würde den Angehörigen Erleichterung verschaffen. Aus palästinensischer Sicht ist das Wichtigste die Einstellung der Kriegshandlungen, die Möglichkeit der Rückkehr der Binnenflüchtlinge in ihre Städte und die zu erwartende Freilassung Hunderter Gefangener aus israelischen Gefängnissen", notiert die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Die pan-arabische Zeitung AL SHARQ AL-AWSAT hofft: "Vielleicht kann der Waffenstillstand im Gazastreifen trotz all des Schreckens, den seine Bevölkerung durchlebt hat, das Los der Palästinenser wie auch der Region insgesamt wenden. Deshalb kommt es nun darauf an, dass auch die benachbarten Staaten dazu beitragen, dass die anstehende kritische Phase möglichst schnell überwunden wird. Denn ohne Frieden für seine Nachbarn kann es keinen Frieden für Israel geben. Es genügt nicht, einen halben Frieden zu unterzeichnen, denn das Ergebnis wäre ein halber Krieg", mahnt AL SHARQ AL-AWSAT mit Sitz in London.
Das LUXEMBURGER WORT blickt auf die Details der Vereinbarung: "Ein bedenkenswerter Schwachpunkt des Abkommens ist seine Aufteilung in zwei Phasen: Es gilt als ziemlich sicher, dass in der ersten sogenannten humanitären Phase die Frauen, Kranken, älteren Männer und Verwundeten, insgesamt 33 Geiseln, nach Israel zurückgebracht werden können. Keinesfalls garantiert ist die Freilassung der von der Hamas verschleppten jungen Männer und Soldaten. Verhandlungen über ihre Rückkehr sollen erst in knapp drei Wochen beginnen – und könnten sich wie in der Vergangenheit hinziehen", befürchtet das LUXEMBURGER WORT.
Die tschechische Zeitung LIDOVE NOVINY macht bei dem Abkommen ein "menschliches Ungleichgewicht" aus, das schockierend sei: "Zivilisten, die aus ihren Häusern entführt wurden, sollen gegen Palästinenser ausgetauscht werden, die für Straftaten verurteilt wurden - manche von ihnen sogar für Morde und Terrorismus. Viele werden sich an den Austausch des Soldaten Gilad Schalit gegen 1.027 verurteilte palästinensische Gefangene im Jahr 2011 erinnern. In dieser Gruppe war auch Jihia al-Sinwar. Zwölf Jahre später wurde er zum Planer hinter dem Terror im Süden Israels", vermerkt LIDOVE NOVINY aus Prag.
Die türkische Zeitung YENI ŞAFAK setzt sich mit dem Einfluss des künftigen US-Präsidenten Trump auseinander: "Es ist kein Zufall, dass die Netanjahu-Regierung, die monatelang vorgab zu verhandeln, nur wenige Tage vor dem Amtsantritt der Trump-Regierung einem Waffenstillstand zustimmte. Die Unfähigkeit des scheidenden US-Präsidenten Biden, den Druck auszuüben, den Trump bereits vor seiner Amtseinführung ausgeübt hat, illustriert im Grunde das Scheitern von Bidens Außenpolitik. Aber Netanjahu und Trump führen eine zwiespältige Beziehung. Dies deutet daraufhin, dass Israel sich in Washington in nächster Zeit nicht so wohl fühlen wird. Es ist klar, dass Trump im Gegensatz zu Biden nicht bereit ist, den Preis für Netanjahus politische Karriere zu zahlen", ist YENI ŞAFAK aus Istanbul überzeugt.
Die israelische Zeitung HAARETZ gibt zu bedenken: "Wenn es um die Freilassung von Geiseln geht, sind die Israelis mit Enttäuschungen nur allzu vertraut. Es ist schwer, sich daran zu erinnern, wie oft man seit der letzten Vereinbarung im November 2023 das Gefühl hatte, dass eine weitere Freilassung unmittelbar bevorstand, und dass sie dann von jemandem aus der Hamas oder aus Israel vereitelt wurde. Doch dieses Mal deuten alle Zeichen darauf hin, dass es tatsächlich zustande kommt. Gewissheit über das Abkommen wird es erst geben, wenn die ersten Geiseln an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz übergeben werden. Wir müssen hoffen, dass die Kräfte, die das Abkommen sabotieren wollen, keinen Erfolg haben", schlussfolgert HAARETZ aus Tel Aviv..
Nun noch die Meinung der palästinensischen Zeitung AL AYYAM: "Es ist fraglich, ob Israel das Ende dieses Krieges dauerhaft als Sieg über den palästinensischen Widerstand verbuchen kann. Denn dieser Widerstand ist auf das Engste mit der israelischen Präsenz in den palästinensischen Gebieten verbunden. Solange diese anhält, wird auch der Widerstand anhalten. Zudem haben Zerstörung und der Tod so vieler Menschen zu enormem Hass geführt. Darum ist zu befürchten, dass der Waffenstillstand nichts weiter als eine Pause für die Kämpfer ist und das Waffenstillstandsabkommen kein definitives Ende des Krieges garantiert", bleibt AL AYYAM aus Ramallah skeptisch.
Zum nächsten Thema. US-Präsident Biden hat in seiner Abschiedsrede vor einer Oligarchie in den USA gewarnt. Die dänische Zeitung JYLLANDS-POSTEN erläutert: "Die Botschaft richtete sich natürlich gegen Trump und seine Allianz aus politischen Fantasten wie Elon Musk oder zynischen Opportunisten wie Jeff Bezos und Mark Zuckerberg. Es wäre leichtsinnig, die Warnungen des scheidenden Präsidenten in den Wind zu schlagen. Die Demokratie in den USA wird von Oligarchen, skrupellosen Populisten, manipulierten Medien und einem selbstgefälligen Establishment bedroht, und die Gefahr reicht über die USA hinaus." unterstreicht JYLLANDS-POSTEN aus Århus.
Die spanische Zeitung LA VANGUARDIA aus Barcelona fasst zusammen: "Biden hätte sich auf unterschiedliche Art und Weise verabschieden können, aber er entschied sich, seinen Akzent auf die globale Bedrohung durch die skrupellosen neuen Reichen zu legen, die ihre Macht und ihren Einfluss nutzen, um eine neue Weltordnung durchzusetzen.“
Die NEW YORK TIMES hält fest: "Die Tatsache, dass Zuckerberg und Bezos sich überschlagen, um sich bei Trump einzuschleimen, deutet darauf hin, dass Menschen fern der Politik immer noch wichtige Macht ausüben. Vielleicht warten die beiden nur auf ihre Einladung zu Trumps 'Milliardärsball', bei dem die USA wie eine Kriegsbeute aufgeteilt werden sollen. Vielleicht ist Musk als frühzeitiger Investor in Trump derjenige, der die Aufteilung vornehmen wird. Es ist zu befürchten, dass es zu dem Zeitpunkt, an dem wir über die Oligarchie sprechen, schon zu spät sein wird."
Die lettische Zeitung DIENA sieht einen Konflikt im Umfeld von Trump aufziehen: "Es geht um nicht weniger als einen kulturellen Konflikt zwischen den MAGA-Anhängern auf der einen und dem High-Tech-Sektor auf der anderen Seite. Das nationalkonservative Lager will ein Ende der illegalen Einwanderung und eine radikale Beschränkung der legalen Zuwanderung, während die Technomilliardäre der Ansicht sind, dass man auch künftig Talente aus der ganzen Welt braucht. Der Vorwurf lautet, dass die Oligarchen die Gesetze umgehen und ihre eigenen Interessen über die des Landes stellen. Die MAGA verweist darauf, dass ihr der Wahlsieg zu verdanken ist und sie jetzt auch die Richtung vorgeben will – und wenn das Musk nicht passe, solle er eben wieder zurück nach Südafrika", ist in DIENA aus Riga zu lesen. Und damit endet die internationale Presseschau.