Die italienische Zeitung LA STAMPA geht ein auf Trumps Rede: "Sie war voll von Drohungen und Beleidigungen gegenüber Joe Biden, der nur zwei Meter entfernt saß. Zuweilen war sie auch surreal. Trump malte ein Bild eines fiktiven Amerikas als dekadente Nation und behauptete dann, er werde jedes einzelne amerikanische Problem sofort lösen. Unverzüglich. Diese Antrittsrede war das Gegenteil einer Einheitsrede. Trump war wie bereits 2017 zu seiner ersten Amtszeit voll von wütendem Getöse und Unwahrheiten. Dies ist nur der Anfang. Die kommenden vier Jahren dürften sehr lang werden", schätzt LA STAMPA aus Rom.
Die US-amerikanische Zeitung THE WALL STREET JOURNAL bilanziert: "Der 45. und nun 47. Präsident hat eine Botschaft voller Bestreben und Optimismus verkündet, die die meisten Amerikaner begrüßen werden. Wenn dies seine wirklichen Pläne widerspiegelt, hat Trump die Chance, sein Amt in vier Jahren als Erfolg zu verlassen. Die Rede war auch deshalb bemerkenswert, weil sie das Beste aus Amerikas Vergangenheit mit Ambitionen für die Zukunft verknüpfte. Diese Verbindung ist für eine Wiederbelebung Amerikas von entscheidender Bedeutung", vermutet THE WALL STREET JOURNAL aus New York.
"In Trumps Rede mischte sich biblischer Größenwahn mit persönlichem Groll", urteilt die belgische Zeitung DE STANDAARD: "Der Präsident rief zu grandiosen Ideen auf – auf zum Mars! –, stellte aber auch unheilvolle Pläne in Aussicht, indem er Menschen ohne gültige Aufenthaltspapiere für vogelfrei erklärte. Mit der Ausrufung des Ausnahmezustands an der US-Grenze zu Mexiko wurde die demokratische Kontrolle auf besorgniserregende Weise ausgehebelt. Früher schon setzte Trump auf Angstmacherei, um den Ruf nach einem starken Anführer zu fördern. Mittlerweile geht es um uneingeschränkte Kontrolle", ist sich DE STANDAARD aus Brüssel sicher.
Die arabischsprachige Zeitung AL SHARQ AL-AWSAT mit Sitz in London sieht in Trump keinen Präsidenten, sondern einen "Kaiser mit allen dazugehörigen Attributen. Getrieben wird er ausschließlich von seiner Sicht der Dinge und seinen Stimmungen. Trump schreckt nicht vor Drohungen zurück und zögert nicht, sich gegen Bündnisse zu wenden, sobald sie ihm zur Last werden. Es besteht das große Risiko, dass fortan die Starken den Schwachen ihren Willen aufzwingen und der Status der Menschenrechte an Gewicht verliert."
Mit Blick auf den Ukraine-Krieg schreibt die russische Zeitung KOMMERSANT, die einem kremlnahen Oligarchen gehört: "Wer glaubt, der Konflikt mit Russland sei das wichtigste zu lösende Problem, liegt naiv im Irrtum. Donald Trump hat bereits klargestellt, dass die Suche nach einer Lösung für die Ukraine nicht das Hauptziel seiner Regierung sein werde. Er wird vielmehr zahlreiche weitere Bretter gleichzeitig auf verschiedenen Kontinenten bohren. Kanada, Grönland, der Panamakanal und so weiter. Trumps universeller Ansatz dürfte sein, den Globus neu zu formatieren. Er will die 'Welt der Regeln', die für den Westen in der Biden-Ära so bequem war, zerstören und zu sie durch die 'Trump-Regeln' ersetzen, die noch geschrieben werden müssen", spekuliert der KOMMERSANT aus Moskau.
"Nun wird sich erweisen, ob die Vereinigten Staaten ein Partner, ein Rivale oder gar ein Feind Chinas sein wollen", lesen wir in der chinesischen Staatszeitung TAKUNGPAO aus Hongkong: "Es ist zu befürchten, dass nach Trumps Amtsantritt Nationalismus, Populismus, Unilateralismus und Isolationismus die bestimmenden Merkmale der US-Politik sein werden. Dies sind keine guten Aussichten für die internationale Ordnung und den Weltfrieden. Mit welcher Strategie auch immer, es wird Trump nicht gelingen, China zu isolieren und damit den weiteren Aufstieg unseres Landes zu verhindern."
Die japanische Zeitung ASAHI SHIMBUN aus Tokio betont, es sei ein Wechsel in der Strategie des Landes notwendig, denn "Trumps Außenpolitik kann nicht mehr als ein vorübergehendes Phänomen bezeichnet werden. Für Japan ist es notwendig, sich unabhängiger von den USA zu machen. Möglich wäre eine engere Zusammenarbeit mit Europa, Südkorea, Australien, Kanada oder Indien. Auch gilt es, die Beziehungen zu den Schwellen- und Entwicklungsstaaten zu vertiefen und neue globale Standards wie etwa für die Umweltpolitik zu schaffen. Japan muss nun die Initiative ergreifen."
Die spanische Zeitung EL MUNDO vermutet: "Mit Trumps zweiter Amtszeit, gestärkt durch mehr Macht und ein kompakteres ideologisches Programm rund um die MAGA-Bewegung, bricht eine Ära der Unsicherheit an. Diese stellt die Europäische Union vor die Aufgabe, ihre Integration zu vertiefen und ihre Führungsrolle neu zu behaupten. Die EU muss eine Einheit bleiben, in der mit Vernunft die Gleichheit, die Freiheit und die Rechtsstaatlichkeit verteidigt werden", mahnt EL MUNDO aus Madrid.
Die türkische Zeitung GAZETE PENCERE aus Istanbul vertritt diese Ansicht: "In einer Welt, in der Trump Präsident ist, sollten wir alles, was wir wissen, vergessen. Nichts wird mehr so sein, wie es war, machen wir uns auf alles gefasst. Überraschungen, die wir nie vorhergesehen haben, warten auf uns. Eigentlich sitzt die ganze Welt wie auf einem Pulverfass. Wie sollen wir 1.473 Tage mit Trump umgehen? Darauf gibt es keine Antwort."
Die französische Zeitung LE FIGARO aus Paris verlangt: "Im Angesicht von Trump musst du, schönes Europa, deinen Kopf erheben! Wirf dich Amerika nicht zu Füßen, um sein Gas oder seine teuren Kampfflugzeuge zu kaufen. Das wird dir nichts nützen, sondern nur dazu führen, dass die neuen 'MAGA'-Eliten dich noch mehr verachten. Du hast durchaus die Fähigkeit, um Amerika in der Gesundheits-, Verteidigungs- und Finanzindustrie einzuholen. Anstatt zu jammern, mach dich an die Arbeit. Trump wird dich schließlich respektieren," appelliert LE FIGARO an Europa.
Die US-amerikanische Zeitung THE WASHINGTON POST konstatiert: "Trump ist ein Meister der Ablenkung, ein Meister der Übertreibung. Einer der größten Fehler, den seine politischen Gegner - und ja, auch wir Medien - während Trumps erster Amtszeit begingen, bestand darin, ihm in jedes rhetorische Kaninchenloch zu folgen und zu explodieren, wenn er etwas Unverschämtes in den sozialen Medien postete. Diesmal sollten wir eine andere Strategie versuchen. Behalten wir Trump im Auge und messen ihn an seinen Taten", empfiehlt THE WASHINGTON POST.
Blicken wir nun nach Kolumbien. Staatspräsident Petro hat wegen der Kämpfe zwischen der linksgerichteten Nationalen Befreiungsarmee ELN und einer Splittergruppe der inzwischen aufgelösten Revolutionären Streitkräfte - FARC - den Notstand ausgerufen. Die kolumbianische Zeitung EL PAIS erläutert: "Klar ist, dass die Lage in Catatumbo ernst ist, nachdem die Zusammenstöße zwischen der ELN-Guerilla und FARC-Dissidenten mindestens 100 Todesopfer gefordert haben. Petro hat daher auch den Dialog mit der ELN aufgekündigt und erklärt, die Rebellen hätten sich für den Krieg entschieden. Aber gleichzeitig ist Besonnenheit angesagt. Die Verfassung stellt klar, dass ein solcher Notstand nur temporär verhängt werden kann und dass nur Gegenmaßnahmen erfolgen dürfen, die in direktem Zusammenhang mit der Ursache stehen", mahnt EL PAIS aus Cali.
Die kolumbianische Zeitung EL TIEMPO wendet ein: "Immerhin hat die Regierung nun reagiert und die Entsendung von Truppen angekündigt, außerdem hat sich der Präsident mit Teilen des Kabinetts vor Ort ein Bild von der Lage gemacht. Das war auch notwendig so. Trotzdem drängt sich die Frage auf, ob nicht zu spät gehandelt wurde. Außerdem mag man sich fragen, ob die Regierung nicht zu naiv in ihrer Friedenspolitik war und durch die Abwesenheit des Staates die Lage zusätzlich verschärft hat." Und mit diesem Kommentar von EL TIEMPO aus Bogotá endet die internationale Presseschau.