27. Januar 2025
Die internationale Presseschau

Heute stehen vor allem Donald Trumps Äußerungen zu einer Umsiedlung von Palästinensern und das Gedenken zum 80. Jahrestag der Befreiungs des NS-Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau im Fokus.

Eine SIchtachse zwischen Zäunen gibt den Blick frei auf ehemalige Baracken und Wege im Nazi-Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau
80 Jahre ist es her, dass Auschwitz-Birkenau befreit wurde. (picture-alliance / dpa / dpaweb / Jerzy Dabrowski)
"Wir dürfen Auschwitz nicht vergessen, wir dürfen nicht schweigen", titelt die polnische RZECZPOSPOLITA und schreibt: "Denn wir sehen, zu welch schrecklichen Taten der Mensch fähig ist, wenn er einerseits von Ideologien geblendet, aber andererseits noch intelligent genug ist, um die Errungenschaften der Menschheit für seine Zwecke zu nutzen. Der Mensch ist in der Lage, Impfstoffe zu entwickeln, die das Leben von Millionen retten. Er entwickelt Medikamente, die den Tod von Millionen Neugeborenen verhindern. Und eben dieser Mensch ist auch in der Lage, Wissenschaft und Medizin für absolut monströse Unternehmungen und Experimente zu nutzen", gibt RZECZPOSPOLITA aus Warschau zu bedenken.
Der GUARDIAN aus London ist überzeugt, dass die Berichte der Überlebenden heute wichtiger sind denn je: "Erinnerung ist vergänglich. 'Nie wieder' war die erste Forderung der Überlebenden des Vernichtungslagers Buchenwald im Jahr 1945. Doch Völkermorde haben sich seitdem immer wieder ereignet. In diesem Jahr wird auch an den Völkermord von Srebrenica vor 30 Jahren erinnert. Antisemitismus und andere Formen der Bigotterie sind nie verschwunden. Jetzt blühen sie auf. Doch es gibt auch einen Weg weg von Auschwitz, und er beginnt mit der Erinnerung an das, was dort geschehen ist", mahnt der britische GUARDIAN.
Die schwedische Zeitung DAGENS NYHETER zeigt sich sehr nachdenklich: "Vielerorts herrscht geradezu Blindheit gegenüber antisemitischen Ausdrücken, die beispielsweise Teile der antirassistischen Debatte prägen. Forscher weigern sich, in Zusammenhang mit dem Krieg in Gaza auf Abstand zu solchen Begriffen zu gehen, und es kursieren klassische antisemitische Verschwörungsmythen. Andere nutzen den Kampf gegen den Antisemitismus, um Muslime oder Araber zu dämonisieren. Und hier stehen wir jetzt am heutigen Holocaust-Gedenktag. Die Polarisierung zersetzt die gesamte Debatte. Der Ausruf 'Nie wieder!' ist der Frage 'Nie wieder?' gewichen. 'Wie konnte so etwas passieren?', fragten wir lange, als sei der Hass etwas, das nichts mit uns und unserer Zeit zu tun habe. Heute merken wir jeden Tag, wie so etwas passieren konnte. Die Frage, die wir uns heute stellen müssen, lautet deshalb vielmehr, wie es möglich ist, diese Entwicklung zu stoppen", betont DAGENS NYHETER aus Stockholm.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz warnt vor Geschichtsvergessenheit: "Geschichtsblind ist es auch, wenn sich der amerikanische Milliardär Elon Musk auf die AfD-Wahlveranstaltung in Halle zuschalten lässt und über Großbildleinwand den Teilnehmern zuruft, sie sollten stolz darauf sein, Deutsche zu sein, sich nicht auf die Schuld der Vergangenheit fokussieren und Deutschland wieder großartig machen. Der Tech-Milliardär schwärmte von der 'deutschen Kultur', die 'Tausende Jahre' zurückreiche. Das erinnerte ungut an Alexanders Gaulands 'Vogelschiss'-Zitat und ähnliche Äußerungen des Thüringer AfD-Chefs Björn Höcke. Was denken wohl die Polen, wenn sie das hören?"
Die finnische Zeitung ILTA-SANOMAT geht noch ausführlicher auf den Videoauftritt von Elon Musk ein: "Unter anderem erklärte Musk, die Deutschen sollten sich nicht für die Sünden ihrer Vorfahren schuldig fühlen – eine klare Anspielung auf die Verbrechen des Nationalsozialismus. Auch andere Äußerungen könnte man als Geschichtsverzerrungen oder kindischen Quatsch darstellen, aber das Lachen bleibt einem im Halse stecken, wenn der reichste Mann der Welt einen solchen Unsinn verzapft. In weniger als einem Monat finden in Deutschland Bundestagswahlen statt, und in Umfragen kommt die AfD auf Platz zwei, wenngleich eine Regierungsbeteiligung nach wie vor unwahrscheinlich ist. Das Wahlergebnis in Deutschland ist von Bedeutung für ganz Europa. Da braucht es nicht auch noch einen US-Milliardär, der die ganze Sache zusätzlich kompliziert macht", beklagt ILTA-SANOMAT aus Helsinki.
LE TEMPS aus dem französischsprachigen Teil der Schweiz verweist auf die Gästeliste bei der Gedenkfeier in Auschwitz: "Weder Wladimir Putin noch Benjamin Netanjahu sollten an der Gedenkfeier teilnehmen. Beide werden von der internationalen Justiz verfolgt. Im Erbe der Roten Armee, die Auschwitz befreite, schreibt der erstere von beiden die Geschichte im Namen des Kampfes 'gegen den Nazismus' um. Denn diesen führt die russische Armee angeblich in der Ukraine. Und der zweite rechtfertigt gerade im Namen des aus dem Zweiten Weltkriegs übernommenen 'Nie wieder' die ihm vorgeworfenen Verbrechen in Gaza, für die er vom Internationalen Strafgerichtshof gesucht wird", erläutert die Genfer LE TEMPS.
Blicken wir nun nach Nahost. Viele Zeitungen kommentieren die Überlegungen von US-Präsident Trump, Palästinenser sollten statt im zerstörten Gazastreifen doch lieber in Jordanien oder Ägypten leben. DER STANDARD aus Wien merkt an: "Zu Hause macht Trump gerade die Schotten dicht, von anderen, wirtschaftlich und politisch viel schwächeren Staaten fordert der US-Präsident, hunderttausende Menschen zu 'nehmen', vielleicht vorübergehend, vielleicht für immer. Abgesehen von allen humanitären und rechtlichen Fragen könnte der Moment für eine solche Ansage nicht kritischer sein. Der Waffenstillstand im Gazastreifen, die letzte Hoffnung für die überlebenden israelischen Hamas-Geiseln, ist äußerst fragil. Hamas und Hisbollah, die soeben ihren Überlebenswillen inszenieren, können Stoff für die Mobilisierung zögernder Anhänger gut brauchen. Trump liefert sie ihnen, so wie Israel die 2000-Pfund-Bomben", kritisiert der österreichische STANDARD.
In ASAHI SHIMBUN aus Tokio schreibt der Korrespondent in Israel: "Bereits seit einiger Zeit hatten sich bei den Palästinensern im Gazastreifen Angst und Verunsicherung breit gemacht, wie Israel nach der Waffenruhe gegen sie vorgehen würde. Denn die ultrarechten Minister der israelischen Regierung hatten sich wiederholt für einen Umsiedlungsplan für die Bevölkerung des Gazastreifens stark gemacht. Aber solch eine 'Umsiedlung' könnte eine zweite 'Nakba' werden. Bei der Staatsgründung Israels 1948 wurden 700.000 Palästinenser aus ihrer Heimat vertrieben. Gegen Trumps Pläne werden nicht nur Palästinenser, sondern auch die internationale Gemeinschaft stark protestieren", glaubt die japanische Zeitung ASAHI SHIMBUN.
Die WASHINGTON POST aus den USA meint dazu: "Trumps Vorschlag kam vielleicht eher aus einem persönlichen Impuls heraus und ist weniger ein durchdachter politischer Plan. Die unbedachte öffentliche Äußerung überraschte jedoch gemäßigte arabische Führer, die sich auf eine Zusammenarbeit mit ihm gefreut hatten. Eine Umsiedlung von Palästinensern könnte die gemäßigten arabischen Regierungen in der gesamten Region destabilisieren. Trump ist gerne ein Unruhestifter, aber dies war eher ein Granatenwurf."
"Diese Äußerung fällt mit Trumps Entscheidung zusammen, die Lieferung von 2000-Pfund-Bomben nach Israel freizugeben", hebt die panarabische Zeitung AL QUDS hervor. "Dadurch scheint es nicht ausgeschlossen, dass er in diesen Waffen ein Mittel sieht, die Palästinenser notfalls zur Flucht zu zwingen. Dass er zudem die Auslandshilfen aussetzt, lässt sich als Druckmittel gegenüber den arabischen Ländern, insbesondere Jordanien, deuten. Trumps Vorschlag richtet sich nicht nur gegen die Palästinenser, sondern gefährdet die Ordnung der gesamten Region, insbesondere Jordaniens und Ägyptens. Darum sind die arabischen Staaten gefordert, seinem Vorschlag geschlossen entgegenzutreten", unterstreicht AL QUDS, die in London erscheint.
Und DE TIJD aus Belgiens Hauptstadt Brüssel spottet: "Es handelt sich hier um einen Vorschlag, in dem Geopolitik auf eine Art Immobiliengeschäft für anderthalb Millionen Menschen reduziert wird. In Trumps Augen besteht die Lösung des Konflikts darin, dass sie einfach woanders hinziehen."