DER STANDARD aus Österreich findet die Kritik von Alt-Bundeskanzlerin Merkel daran bemerkenswert: "Ausgerechnet die zurückhaltende deutsche Ex-Kanzlerin positioniert sich klar gegen den aktuellen Kurs des Kanzlerkandidaten der Union. Selbst Merz kann dies nicht bloß als den Senf einer ehemaligen Politikerin abtun, deren Zeit ohnehin vorbei ist. Er hat ein Tabu gebrochen und sieht sich nun einem orkanartigen Gegenwind ausgesetzt. Er selbst sieht sich als absoluten Gewinner. Endlich hat einer die 'Asylwende', wie er es nennt, eingeleitet. Endlich handelt einer und bildet ein Gegengewicht zur aus seiner Sicht unwilligen und untätigen rot-grünen Restregierung – und hat gleichzeitig der AfD das Wasser abgegraben. Doch sein Ausscheren aus dem Konsens der demokratischen Parteien – nämlich keine gemeinsame Sache mit Extremisten zu machen – kann für Merz noch zu einem schmerzhaften Bumerang werden", glaubt DER STANDARD aus Wien.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG sieht es so: "Für den CDU-Chef Merz ist Merkels Intervention gefährlich, denn immer noch gibt es in der Partei viele Anhänger der so wenig konservativen und dafür umso Grün-affineren Alt-Kanzlerin. Bleibt die Partei aber trotzdem geschlossen – und dafür spricht der der CDU-DNA eingeschriebene Wille zur Macht –, dann ist das eine grosse Chance für die Partei. Sie könnte endlich und ein für alle Mal mit dem Merkel-Kurs brechen. Das wäre gut für die Demokratie in Deutschland – war es doch Merkels 'Refugees welcome!'-Politik, die eine riesige Repräsentationslücke rechts von der Union aufriss und das Erstarken der AfD erst ermöglichte", bemerkt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz.
Die türkische Zeitung EVRENSEL ist angesichts der Migrationspolitik der Union und der gemeinsame Abstimmung mit der AfD fassungslos: "Nur zwei Stunden nach dem Gedenken an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz wurde im deutschen Bundestag gegen Migranten und Flüchtlinge gehetzt, wobei diese als Quelle aller Probleme abgestempelt wurden. Faschistisch-autoritäre Regime sind in der Geschichte immer wieder durch Bündnisse von Konservativen und Rechtsextremen entstanden. Die Zusammenarbeit von Merz mit der AfD auf der Basis von Fremdenfeindlichkeit markiert eine neue politische Ära", befindet EVRENSEL aus Istanbul.
Die russische Zeitung NESAWISSIMAJA GASETA überlegt, was die Abstimmung für künftige Regierungskoalitionen bedeutet: "Sollte Merz von den Sozialdemokraten boykottiert werden, hätte er kaum noch Optionen, eine künftige Regierung zu bilden. Denn sein Partner, der CSU-Vorsitzende Söder, lehnt eine Koalition mit den Grünen kategorisch ab. Im Falle eines zu erwartenden Wahldebakels für die FDP stünden für Merz außer der AfD keine anderen Partner mehr zur Verfügung. Dann müsste er den CDU-Parteitag, der den Koalitionsvertrag genehmigen muss, von der Harmlosigkeit der Rechtspopulisten für die politische Zukunft Deutschlands überzeugen - oder seinen Platz als Parteivorsitzender an eine liberalere Person abgeben, mit der die Sozialdemokraten ein Bündnis eingehen würden", notiert die NESAWISSIMAJA GASETA aus Moskau.
In Schweden ist am Donnerstag der durch Koranverbrennungen bekannt gewordene Islamfeind Salwan Momika erschossen worden. Die schwedische Zeitung EXPRESSEN warnt vor einem schrumpfenden Raum für freie Meinungsäußerungen: "Wenn Momika ermordet wurde, weil er seine Meinungsfreiheit nutzte, ist das auch ein Angriff auf Schweden – und zwar unabhängig davon, ob die Tat von Extremisten oder ausländischen Geheimdiensten verübt wurde. Es geht nicht nur um prominente Islamkritiker. Vielmehr gibt es in ganz Europa Lehrer, die Todesdrohungen erhalten, wenn sie im Unterricht Mohammed-Karikaturen zeigen. Selbstzensur greift um sich. Es gehört zu den Grundpfeilern der Demokratie, die weltliche und geistliche Macht kritisieren zu dürfen. Meinungsfreiheit muss höher wiegen als gekränkte religiöse Gefühle, weil sonst die am leichtesten Gekränkten bestimmen, was man sagen und tun darf", unterstreicht EXPRESSEN aus Stockholm.
Die finnische Zeitung HELSINGIN SANOMAT befasst sich mit den außenpolitischen Folgen der Tat: "Momikas Koranverbrennungen haben die Spannungen zwischen Schweden und der Türkei verschärft, während es um die NATO-Erweiterung ging. Für westliche Gesellschaften sind solche Provokationen ein heikles Thema, denn Meinungs- und Religionsfreiheit zählen zu ihren Grundwerten. Für Schweden war dies besonders frustrierend, weil die Empörung über Momikas Koranverbrennungen in vielen muslimischen Ländern genutzt wurde, Hass gegen Schweden zu schüren. Momika wurde zu einem sicherheitspolitischen Problem für Schweden, und die Reaktionen auf seine Taten waren einer der Gründe, warum die Terrorwarnstufe angehoben wurde. Die genauen Motive für den Mord an ihm sind noch unbekannt, doch wenn der Befehl aus dem Ausland kam, könnte es erneut zu internationalen Spannungen kommen", befürchtet HELSINGIN SANOMAT aus Helsinki
Wir blicken auf das Flugzeugunglück in den USA, bei dem 67 Menschen ums Leben gekommen sind. Präsident Trump machte dafür Diversitätsprogramme bei der Flugsicherung mitverantwortlich, die angeblich zu abgesenkten Standards geführt hätten. Eine Gast-Kommentatorin in der japanischen Zeitung ASAHI SHIMBUN vermutet ein Ablenkungsmanöver dahinter: "Denn das eigentliche Problem ist, dass die Chefposten der Flugsicherungsbehörde FAA vakant sind. FAA-Chef Whitaker trat am Tag nach dem Amtsantritt von Donald Trump wegen einer Auseinandersetzung mit Trump-Anhänger Elon Musk zurück. Nicht nur in der Flugsicherheit: Wenn Personal-Entscheidungen bei wichtigen Behörden von den Interessen oder den Launen von Trump und Musk abhängen, ist zu befürchten, dass das Leben und die Sicherheit der US-Bevölkerung in große Gefahr geraten können", unterstreicht ASAHI SHIMBUN aus Tokio.
Der australische SYDNEY MORNING HERALD formuliert es so: "Wenn der Präsident der Vereinigten Staaten eine Tragödie missbraucht, um seine politische Agenda voranzutreiben, seine Feinde zu verleumden und Minderheiten zu dämonisieren, ist es wichtig, innezuhalten und sich daran zu erinnern, dass das nicht normal ist. Der US-Präsident hat einfach keinen Anstand."
Zum Schluss greift die spanische Zeitung EL PERIODICO den Austritt des Vereinten Königreichs aus der EU vor fünf Jahren auf: "Tatsache ist: Der Brexit hat bestätigt, dass ein EU-Austritt nur politische, wirtschaftliche und soziale Probleme mit sich bringt. Insofern hat er die Kampfkraft der Euro-Skeptiker abgeschwächt. Die ultranationalistischen Kräfte in Europa haben diesen Weg verlassen und widmen sich nun mit ihren national-populistischen Argumenten der Bekämpfung der Migrationsströme", beobachtet EL PERIODICO aus Madrid.
Die britische Zeitung THE INDEPENDENT überlegt, ob sich der Brexit in Zukunft rückgängig machen lassen wird. "Auch wenn es offensichtlich in der breiten Öffentlichkeit ein Bedauern über den Brexit gibt und den vagen Wunsch die Zeit zurückzudrehen, ist die alte und äußerst vorteilhafte Vereinbarung des Vereinigte Königreichs mit der EU vor fünf Jahren für immer verloren gegangen. Ein erneuter EU-Beitritt würde bedeuten, dass man zumindest im Prinzip einer Reihe von Bedingungen zustimmt. Dazu gehören die Abschaffung des Pfunds und der Beitritt zum Euro, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, das Aufgeben von Fischereigründen und voraussichtlich ein weiteres traumatisches Referendum. Das scheint ein wenig appetitliches Paket. Sollte sich allerdings die Trump-Administration dazu entschließen, Zölle gegen das Vereinigte Königreich zu verhängen oder die US-Streitkräfte aus Europa abzuziehen, dann wäre eine erneute Zusammenarbeit mit der EU im nationalen Interesse wohl unerlässlich", betont THE INDEPENDENT aus London, und damit endet die Internationale Presseschau.