15. Februar 2025
Die internationale Presseschau

Wir blicken erneut nach Österreich, wo die Verhandlungen für eine Regierungsbildung kürzlich gescheitert sind. Im Mittelpunkt der Kommentare stehen aber das Telefonat zwischen US-Präsident Trump und dem russischen Präsidenten Putin über ein Friedensabkommen für die Ukraine und die Münchner Sicherheitskonferenz.

Kreml-Chef Wladimir Putin hat mit US-Präsident Donald Trump über die Ukraine gesprochen.
US-Präsident Trump sagte, er sei überzeugt, dass Kreml-Chef Putin Frieden wolle und vertraue ihm. (picture alliance / ZUMAPRESS.com / Artem Priakhin)
US-Vizepräsident Vance hat mit seiner Rede auf der Konferenz für viel Unmut gesorgt. Dazu heißt es in einem Gastkommentar der japanischen Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN: "Das war eine Rede, die der transatlantischen Parterschaft einen schweren Schlag versetzt hat. Dass der Tech-Milliardär Musk seit einiger Zeit die Rechtsextremen in Europa unterstützt, konnte man noch einigermaßen ignorieren, mit der Vermutung, das wäre Musks persönliche Agenda. Aber nun kam ausgerechnet vom US-Vizepräsidenten ein Frontalangriff auf die europäische Demokratie. Jetzt stellt sich die Frage: Existiert das Transatlantische Bündnis vielleicht nicht mehr? Plötzlich fühlt sich Europa ganz allein gelassen in der großen Welt", konstatiert NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.
Die polnische Zeitung GAZETA WYBORCZA kritisiert Vance mit scharfen Worten: "Die Rede des amerikanischen Vizepräsidenten war für die Teilnehmer der Münchner Sicherheitskonferenz eine Beleidigung. Sie war anstößig nicht wegen ihrer Kritik an Europa, sondern wegen ihres niedrigen Niveaus. Die Konferenz ist ein Forum, bei dem die wichtigsten Politiker, Militärvertreter und renommiertesten Experten über die Sicherheit der westlichen Welt diskutieren. Dies ist ein Ort, an dem ernsthafte Menschen ernsthaft über ernste Dinge reden. Vance hingegen hatte gestern in München nichts weiter im Gepäck, als eine Tirade über den angeblichen Niedergang der Demokratie in Europa und die Missachtung grundlegender Freiheiten durch die europäischen Regierungen und Gerichte", hebt die Warschauer GAZETA WYBORCZA hervor.
In der Wiener Zeitung DER STANDARD heißt es: "Weder der US-Präsident noch sein russischer Kollege nehmen an der Münchner Sicherheitskonferenz teil. Die Pläne der beiden überschatten dennoch alle Gespräche von hunderten Regierungschefs, Ministern, Militär und Politikexperten. Das Entsetzen ist groß, vor allem bei den Europäern. Sie haben nach 1945 mit den Amerikanern in Nato und EU ihren 'freien Westen' aufgebaut, Allianzen für Demokratie, Grundrechte, internationales Recht, freien Handel. Das alles steht nun auf dem Spiel, wenn Donald Trump Ernst macht mit dem, was er in einem Telefonat mit Wladimir Putin ausgemacht hat. Beider 'Friedensplan' für die Ukraine wäre ein amerikanisch-russischer Diktatfrieden, der den Kriegsherrn im Kreml mit Landgewinn belohnt. Noch schlimmer. Weit darüber hinaus stünde ganz Europa militärisch plötzlich nackt da", warnt die österreichische Zeitung DER STANDARD.
Die lettische Zeitung DIENA aus Riga zieht folgende Parallele: "Natürlich hat das Telefonat zwischen Trump und Putin Befürchtungen geweckt, dass es zu einem zweiten Jalta kommt. Dort beschlossen die Großmächte auf einer Konferenz 1945 eine neue Weltordnung, die auf den jeweiligen Interessensphären basierte, ohne dass die übrige Welt gefragt wurde. Schon während Trumps erster Amtszeit wurden immer wieder Vergleiche zu Jalta gezogen, aber jetzt ist das Thema wieder auf die Tagesordnung zurückgekehrt. Es ist unmissverständlich klar geworden, dass die Ukraine und Europa bei den Gesprächen zwischen Washington und Moskau bestenfalls am Rande beteiligt werden", findet DIENA aus Riga.
Die regierungsnahe chinesische Zeitung JIEFANG RIBAO schreibt: "Während US-Vizepräsident Vance die Europäer mahnt und belehrt, zeigt China sein Verantwortungsbewusstsein auf internationaler Ebene. Europa ist von seinem amerikanischen Verbündeten verunsichert. Es fühlt sich mit seinen Sorgen alleingelassen, egal ob es um den Ukraine-Krieg oder um die transatlantischen Beziehungen geht. Auch wenn die Europäer in vielen Fragen die Ansichten Chinas nicht unbedingt teilen, chinesische Stimme finden auf der Münchner Sicherheitskonferenz immer mehr Gehör. Dies hoffentlich auch über den Zeitraum der Konferenz hinaus", ist in JIEFANG RIBAO aus Shanghai zu lesen.
Die schwedische Zeitung EXPRESSEN stellt ernüchtert fest: "Diese Woche war in mancher Hinsicht schlimmer als der Februar 2022, als Russland seinen vollumfänglichen Krieg gegen die Ukraine einleitete. Nach Trumps Telefonat mit Putin steht fest, dass sich die USA nicht mehr für die bestehende Weltordnung einsetzen. Europa hat keine Zeit, lange über diesen Verrat zu trauern, sondern es muss sich neu aufstellen. Die NATO ist ins Wanken geraten, aber sie bietet trotzdem noch Sicherheit, wenn wir innerhalb der Allianz die Zusammenarbeit mit guten Nachbarn verstärken", betont EXPRESSEN aus Stockholm.
In einem Gastkommentar der WASHINGTON POST heißt es: "Es ist klar, dass in den kommenden Wochen eine Art Waffenstillstandsabkommen erreicht werden wird. Die Zeit ist knapp, um die wichtigsten Punkte zu regeln. Wo werden die Grenzen zwischen den ukrainischen und den russischen Streitkräften verlaufen? Welche Sicherheitsgarantien wird die Ukraine von der NATO erhalten, um sicherzustellen, dass Putin nicht erneut angreift? Diese und andere Fragen müssen beantwortet werden - und die freie Welt muss sicherstellen, dass sie in einer Weise beantwortet werden, die den legitimen Bedürfnissen eines ukrainischen Staates gerecht wird, der durch elf Jahre unprovozierten und brutalen Krieg verwüstet wurde", mahnt die WASHINGTON POST.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG zeigt sich wenig überrascht: "Der amerikanische Präsident sagt doch seit Jahren, er überlasse Europas Sicherheit den Europäern. Selbstverständlich ist es unangenehm, wenn die EU jetzt zu spüren bekommt, dass sie drei Jahre nach Kriegsbeginn und trotz vielen Anstrengungen weiterhin schlecht dafür gerüstet ist, den russischen Neoimperialismus einzudämmen. Aber der Schrecken sitzt deshalb so tief, weil uns allmählich dämmert, dass nicht nur in Moskau, sondern auch in Washington einer am Ruder sitzt, der die Welt in Einflusssphären denkt", notiert die Schweizer NZZ.
Nun nach Österreich. Gut vier Monate nach der Parlamentswahl sind die Verhandlungen zur Regierungsbildung gescheitert. Die Wiener Zeitung DIE PRESSE sieht große Chancen für den ÖVP-Vorsitzenden Stocker nächster Regierungschef zu werden: "Ein anderes Fenster oder besser eine ganze Tür ist plötzlich für Christian Stocker aufgegangen. Jene zum Kanzleramt am Ballhausplatz. Stocker schickt sich an, den politischen Werdegang von Alfred Gusenbauer im Schnelldurchlauf nachzuvollziehen. Gusenbauer avancierte nach dem plötzlichen Abgang von SPÖ-Chef Viktor Klima im Jahr 2000 als junger, weitgehend unbeschriebener Bundesgeschäftsführer gleich zum Vorsitzenden der SPÖ. Zwischen Gusenbauers Aufstieg zum Bundeskanzler lagen dann allerdings sieben Jahre als Oppositionschef und ein doch überraschend klarer Wahlsieg über die ÖVP von Wolfgang Schüssel. Bei Christian Stocker könnte sich diese Strecke ganz ohne Wahl auf knapp zwei Monate verkürzen", prognostiziert die österreichische Zeitung DIE PRESSE.
Die SALZBURGER NACHRICHTEN mahnen zur Besonnenheit: "Das Land ist hervorragend verwaltet. Der Staat und seine Organe funktionieren. Die Sicherheit ist gewährleistet. Die Versorgung auch. Bildung, Pflege, Gesundheitssystem, Infrastruktur, alles ist – durchaus verbesserungsfähig – im Grunde genommen tadellos funktionsfähig. Zudem ist eine dringend notwendige Budgetsanierung bereits auf den Weg gebracht und auch in Brüssel zur Kenntnis genommen worden. Trotzdem gibt es Menschen, die mit Freude an einem gegenteiligen Bild basteln: Österreich am Abgrund, Massenarbeitslosigkeit, nicht umsorgte Alte, unsichere Straßen, überfüllt mit Migranten. Es wird das Gefühl vermittelt, als würden wir mitten im Krieg und nicht im Frieden leben. Hier steckt nicht mangelndes Wissen, sondern böse Absicht dahinter. Die liberale Demokratie ist eine mühsame und bisweilen auch langsame Angelegenheit. Sie braucht ihre Zeit. Gute Entscheidungen wollen abgewogen sein und müssen reifen können", unterstreicht die Zeitung SALZBURGER NACHRICHTEN, mit der die internationale Pressenschau endet.