20. Februar 2025
Die internationale Presseschau

Im Mittelpunkt steht die Kehrtwende der amerikanischen Ukrainepolitik und die verschärfte Rhetorik des US-Präsidenten.

Eine Fotomontage mit den Portraits von US-Präsident Trump und den russischen Staatschef Putin.
Eine Fotomontage mit den Portraits von US-Präsident Trump und den russischen Staatschef Putin. (picture alliance / ZUMAPRESS.com / Artem Priakhin)
"Donald Trump spricht die Sprache des Kremls", titelt die polnische RZECZPOSPOLITA und schreibt: "Trump sagt, der russische Staatschef Putin wolle Frieden und ein Ende der 'Barbarei' in der Ukraine. Indem er der Ukraine die Schuld in die Schuhe schiebt, steht er im Einklang mit der Propaganda des Kremls. Dies gefährdet die gesamte internationale Ordnung. Trumps Verhalten stellt eine Bedrohung nicht nur für die Ukraine selbst, sondern für die Sicherheit ganz Europas dar", notiert die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Auch der britische INDEPENDENT zieht einen Vergleich zur russischen Propaganda und bemerkt: "Neben anderen Verleumdungen behauptete Trump, Präsident Selenskyj habe eine miserable Zustimmungsrate von lediglich vier Prozent, der Krieg wäre längst beigelegt, wenn die Ukraine gleich einige Gebiete aufgegeben hätte, und - was am bizarrsten ist - die Ukraine habe diesen Krieg begonnen", fasst der INDEPENDENT aus London zusammen.
Im schweizerischen TAGES-ANZEIGER heißt es: "Wie dreist Trumps Aussagen auch sind, überraschend kommen sie nicht. Er lügt seit November 2020. Als wäre es mit Moskau abgesprochen, monierte er, dass die Neuwahlen in der Ukraine wegen des Kriegsrechts verschoben wurden, als wäre dies nicht üblich in einem Krieg führenden Land, siehe Winston Churchill. Damit sprach der US-Präsident dem gewählten Präsidenten eines anderen souveränen Staats implizit die Legitimität ab. Der tapfere Präsident Selenskyj versuchte höflich zu bleiben und sprach davon, dass sich der US-Präsident 'in einem Raum der Desinformation' bewege, der von Russland angeheizt werde. Aber offensichtlich marschieren Trump und Putin gerade in beunruhigendem Gleichschritt", befürchtet der TAGES-ANZEIGER.
"Trumps Abqualifizierung Selenskyjs als 'mäßig erfolgreicher Komiker' und 'Diktator ohne Wahlen' kommt direkt aus der Sprechweise des Kremls", lesen wir im SYDNEY MORNING HERALD: "Die Tirade deutet darauf hin, dass Trump sich für eine Seite entschieden hat. Der Präsident, der sich mit ausländischen Autokraten verbündet und sich als souveräner König inszeniert, verdient starken Widerstand sowohl im In- als auch im Ausland. Doch wer wird in dieser Situation die nötige Führungsrolle übernehmen?", fragt das australische Blatt SYDNEY MORNING HERALD.
Die norwegische Zeitung DAGBLADET führt aus: "Die mächtigste Nation der Welt wird zurzeit von einem Mann regiert, der beschlossen hat, jede Realität über Bord zu werfen und sich seine eigene Wirklichkeit zusammenzuzimmern. Trump hat exklusiven Zugang zu sämtlichen Mikrofonen der Welt und kann damit ebenso schamlos wie ungehindert alle Konflikte dieser Welt befeuern. Dieser Wahnsinn muss gestoppt werden", fordert das DAGBLADET aus Oslo.
Die schwedische Zeitung DAGENS NYHETER ist sich sicher: "Die Ukraine soll gedemütigt, kolonisiert und ihrer Ressourcen beraubt werden. Und dann als Täter benannt werden. Die Ziele der Amerikaner in der Ukraine ähneln allmählich auf unangenehme Weise denen der Russen", vermutet DAGENS NYHETER aus Stockholm.
Der österreichische STANDARD kommt zu dieser Einschätzung: "Der Ukraine droht nicht ein Diktatfrieden, sondern die Vernichtung als souveräner Staat. Kann das in Trumps Sinne sein? Offenbar ja. Sei es seine Bewunderung für alle Autokraten oder andere, noch sinisterere Gründe – Putin hat in Trump einen neuen mächtigen Verbündeten gefunden, vielleicht sogar eine Marionette. 80 Jahre US-Weltpolitik werden mit einem Schlag über Bord geworfen. Für Europa ist es die größte Herausforderung seit 1945 – für die USA die größte Schande." Das war DER STANDARD aus Wien.
Das Magazin THE AMERICAN CONSERVATIVE befürwortet hingegen den außenpolitischen Kurs von Präsident Trump: "Nach drei Jahren brutaler Kämpfe ist Trumps Initiative eine Chance auf Frieden in der Ukraine oder zumindest auf ein Einfrieren des Konflikts. Wenn europäische Politiker wie die EU-Außenbeauftragte Kallas dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj dazu raten, die von Washington festgelegten Bedingungen abzulehnen und mit den letzten Reserven, die der Ukraine noch zur Verfügung stehen, weiterzukämpfen, dann sollte Trump unmissverständlich klarstellen: die Europäer sind auf sich allein gestellt und die USA könnten sogar in Betracht ziehen, die NATO ganz aufzugeben. Eine solche Warnung könnte in Brüssel etwas bewirken und die Kriegspartei Europa zum Frieden drängen", überlegt THE AMERICAN CONSERVATIVE.
Die US-amerikanische Zeitung WASHINGTON POST befürchtet, dass die Glaubwürdigkeit der USA als verlässlicher Partner in der Welt nachhaltig Schaden nimmt: "Alle wollen, dass dieser zehrende Krieg beendet wird, und Trump verfolgt zu Recht ein Abkommen. Aber die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine zu opfern, mit dem Ziel, die Verbindungen mit dem Kreml zu verbessern, ist nicht der richtige Weg, um einen gerechten oder dauerhaften Frieden zu erreichen."
Ein Kommentator der konservativen US-Zeitung NATIONAL REVIEW übt grundsätzlich Kritik an der Eloquenz des US-Präsidenten und bezweifelt, "... dass Trump wie ein 'großartiger Dealmaker' verhandelt oder das geopolitische Spiel eines Schachgroßmeisters spielt, indem er Amerikaner und Europäer gleichermaßen mit seiner maßlosen öffentlichen Rhetorik schockierend unvorbereitet trifft. Es besteht der Verdacht, dass Trump nicht in der Lage ist, die langfristigen nationalen Interessen Amerikas in der Ukraine klar zu erkennen, wenn es um seine privaten Ressentiments geht", schlussfolgert NATIONAL REVIEW.
Die staatsnahe Zeitung CHINA DAILY sieht Europa in einem Dilemma: "Es sollte kein Zweifel mehr an der Kehrtwende in der amerikanischen Russlandpolitik bestehen. Wenn die Europäische Union sich weiterhin hartnäckig gegen Moskau stellt, wird Washington weiter wirtschaftlichen Druck auf die EU ausüben. Und das zu einer Zeit, in der die Europäische Union mehr für ihre Sicherheit bezahlen muss. Die Europäer sollten über ihre mangelnde strategische Autonomie nachdenken, die dazu geführt hat, dass die EU bei der Gestaltung einer neuen Sicherheitsarchitektur kein Mitspracherecht hat", heißt es in der Zeitung CHINA DAILY aus Peking.
"Die Ordnung, die seit dem Zweiten Weltkrieg bestand, ist zusammengebrochen", konstatiert die spanische Zeitung EL MUNDO und schreibt zu den USA: "Es geht nicht nur darum, dass unser historischer Verbündeter uns im Stich gelassen hat - er hat die Seiten gewechselt. Daher ist es jetzt entscheidend, dass Europa den Schock überwindet und sofort handelt. Wir befinden uns in einer Notfallsituation, die schnelles Handeln erfordert", mahnt EL MUNDO aus Madrid.
Auch die dänische Zeitung JYLLANDS-POSTEN aus Arhus fordert rasch Konsequenzen für Europa: "Wir müssen aus unserer Naivität erwachen und uns zur Wirklichkeit positionieren. In Trumps neuer Weltordnung ist kein Verlass auf die Allianzen der Vergangenheit."
Die britische TIMES kommentiert: "Russland muss ein internationaler Paria bleiben und durch fortgesetzte Sanktionen geschwächt werden. Die Strafmaßnahmen dürfen erst dann enden, wenn das schreckliche Leid, das der Ukraine zugefügt wurde, wiedergutgemacht ist", unterstreicht THE TIMES aus London.
Die brasilianische Zeitung O GLOBO resümiert: "Es fällt schwer, sich die nächsten vier Jahre unter Trump vorzustellen. Aber es ist überaus besorgniserregend, wie wenig für ihn das transatlantische Bündnis zwischen westlichen Demokratien zählt, die gleiche Werte teilen und für Stabilität in der Welt eintreten. Die Europäer sind in Alarmstimmung, weil ihr historischer Verbündeter auf einmal redet und handelt wie ein Gegner. Sie müssen nun versuchen, eine Antwort darauf zu finden, denn die russische Bedrohung ist für sie greifbar. Wie bei Trumps Vorstoß zur Annexion Grönlands ist die territoriale Integrität der Europäer in Gefahr, ganz zu schweigen von den Versuchen einer Einmischung der USA in den deutschen Wahlkampf", bilanziert O GLOBO aus Rio de Janeiro.