
So schreibt THE SALT LAKE TRIBUNE aus den USA: "Man kann sich nur schwer des Eindrucks erwehren, dass die Trump-Administration daran arbeitet, die Demokratie nicht nur im eigenen Land, sondern auch in Europa zu untergraben. Trump zertrümmert die internationale Ordnung. Er stellt sich auf die Seite des russischen Präsidenten Putin und vergiftet die Beziehungen zu langjährigen Verbündeten der USA. Es ist die Rede davon, die russische Position zur Ukraine zu übernehmen und die Sanktionen gegen Moskau aufzuheben. Zudem wird erwartet, dass Trump Truppen aus Europa abziehen wird. Glaubt wirklich noch jemand, dass Trump gemäß Artikel 5 des NATO-Vertrags Truppen entsenden würde, wenn Russland - wie anfangs in der Ukraine - kleine grüne Männchen schickt, um lettische Dörfer zu erobern?", fragt die SALT LAKE TRIBUNE.
THE CANBERRA TIMES aus Australien hält fest: "Trump rennt Putin in die Arme - jetzt beginnt das Chaos."
Auch NIHON KEIZAI SHIMBUN aus der japanischen Hauptstadt Tokio beobachtet, dass Trump Russlands Narrative übernimmt: "Zum Beispiel, wenn er behauptet, die Ukraine habe den Krieg begonnen und der ukrainische Präsident Selenskyj sei ein Diktator. Damit verbreitet er Inhalte, die man als klare Desinformation bezeichnet muss. Ausgerechnet die USA, die einst das Symbol der Freiheit waren, starten Desinformations-Kampagnen. Die Auswirkungen auf die gesamte Welt sind unfassbar weitreichend."
"Trump bringt derzeit so viele Institutionen und Normen durcheinander, dass es schwer ist, den Überblick zu behalten", räumt THE STRAITS TIMES aus Singapur ein: "Ist das Chaos nur gespielt, wie es bei jemanden, der im Reality-TV berühmt wurde, nicht verwundern würde? Oder handelt es sich um eine historische Zäsur? Vieles deutet auf Letzteres hin, denn der US-Präsident ist auf dem besten Weg, eine große Idee zu begraben: die des 'Westens'. Trump versteht nicht, dass der Westen kein geografischer Begriff ist, sondern ein Ideal, das es zu verteidigen gilt - in der Ukraine und anderswo. Ohne Amerika wird der 'Westen' zerfallen und sterben", prophezeit THE STRAITS TIMES.
Die russische Zeitung NESAWISSIMAJA GASETA hat eine einfache Erklärung für Trumps abfällige Bemerkungen über Selenskyj: "Persönliche Rache! Schließlich erinnern wir uns daran, wie der ukrainische Präsident sich einst weigerte, Trump belastendes Material über Bidens Sohn Hunter und dessen Verbindungen zum ukrainischen Öl- und Gasunternehmen Burisma zu liefern. Trump scheint Selenskyjs Ablehnung weder vergessen, noch ihm vergeben zu haben. Jetzt kommt der süße Moment der Rache: So ist das Leben, Baby!", spottet die NESAWISSIMAJA GASETA aus Moskau.
THE GLOBE AND MAIL aus Kanada erinnert Trumps Politikstil an einen absolutistischen Herrscher: "Der US-Präsident scheint aus Amerika eine Monarchie machen zu wollen."
"Es ist klar, dass die Europäer in der Ukraine-Frage nicht nur Zaungäste sein wollen. Eine Möglichkeit, um doch noch Einfluss auf die zwischen USA und Russland direkt geführten Verhandlungen zu nehmen, wäre die Zurverfügungstellung einer Friedenstruppe in der Ukraine", glaubt HUANQIU SHIBAO aus der chinesischen Hauptstadt Peking: "Das Problem ist nur, dass außer Frankreich und Großbritannien kein weiteres Land dieser Idee folgt, nicht einmal der größte europäische NATO-Partner Deutschland oder das ansonsten so entschlossene Polen. Die EU-Mitgliedstaaten ziehen nicht an einem Strang. Möglicherweise verpassen sie damit die letzte Gelegenheit, eine strategische Souveränität zu erlangen."
Die estnische Zeitung POSTIMEES aus Tallinn klingt zuversichtlicher: "Die Situation ist alles andere als hoffnungslos, denn Europa verfügt über das wirtschaftliche Potenzial zur Unterstützung der Ukraine, die nur die Wahl zwischen 'Sieg oder Tod' hat. Wenn sich Europa vereint gegen Putins Terror stellt und es schafft, eine glaubwürdige Vision von einer sicheren Ukraine und einem gebändigten Russland zu entwerfen, werden sich auch andere ähnlich denkende Staaten anschließen wie beispielsweise Kanada, Japan, Australien oder Neuseeland."
Der TAGES-ANZEIGER aus Zürich schlägt die Brücke von Trumps Abkehr von Europa zur Bundestagswahl am Sonntag: "Das transatlantische Bündnis galt seit Ende des Zweiten Weltkriegs als unerschütterlich. Aber sind die USA unter Trump noch ein Partner, oder stimmt der Eindruck, dass der US-Präsident sich mit Autokraten wie Putin oder dem chinesischen Staatschef Xi Jinping besser versteht? Im öffentlichen Bewusstsein ist dieser historische Bruch noch nicht wirklich angekommen. Im Wahlkampf für den deutschen Bundestag wird vor allem hitzig über Migration gestritten und nur am Rande darüber, was Deutschland als größte Volkswirtschaft tun müsste, um auf die Bedrohungslage reagieren zu können."
Auch in der türkischen Zeitung HÜRRIYET aus Istanbul ist die Bundestagswahl Thema: "Alle Augen sind auf Deutschland gerichtet. Werden die Wähler den Rechtsextremen die Stirn bieten und eine stabile Regierung ermöglichen? Die Antwort auf diese Frage wird nicht nur für Deutschland, sondern auch für die Zukunft Europas und die Gestaltung des neuen internationalen Systems entscheidend sein."
THE IRISH TIMES aus Dublin stimmt zu: "Während die konservative CDU wahrscheinlich das Kanzleramt übernehmen wird, dürfte die meiste Aufmerksamkeit auf das Abschneiden der rechtsextremen AfD gerichtet sein. Die EU steht vor einer Reihe von Herausforderungen - von der Auseinandersetzung mit Russland wegen des Ukraine-Krieges über die Reaktion auf den Aufstieg Chinas bis hin zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit Europas. Deutschlands Führungsstärke ist gerade jetzt gefragt. Es steht viel auf dem Spiel. Doch nach dieser Wahl könnte es schwierig sein, eine starke Regierung zu bilden", mutmaßt THE IRISH TIMES.
Die FINANCIAL TIMES aus London betont: "Wer auch immer die nächste Regierung bildet, muss mutige Schritte zur Wiederbelebung der Wirtschaft unternehmen. Die düstere Lage erfordert Reformen zur Förderung von Innovation und Wettbewerbsfähigkeit sowie eine Abkehr von der extrem vorsichtigen, verfassungsmäßig verankerten 'Schuldenbremse'", die die Investitionen behindert hat. Die Wahl am Sonntag kann das Land auf einen Weg zu mehr Wohlstand und Sicherheit bringen oder es weiter abdriften lassen. Deutschland und ganz Europa brauchen das Erstere."
Zum Abschluss geht die spanische Zeitung EL MUNDO aus Madrid auf die jüngste Übergabe von getöteten Hamas-Geiseln an Israel ein: "Jede neue Übergabe wird von der Hamas zu einem Schauspiel degradiert, mit dem sie ihre Gewalt rechtfertigen und die Geiseln demütigen will. Die letzte Inszenierung von vier Leichen - darunter zwei Kinder - hat alle Grenzen der Menschlichkeit hinter sich gelassen und erneut die wahre Natur dieser Terrororganisation gezeigt. Sie nährt sich von dem Leid, das sie bei Israelis wie Palästinensern verursacht. Mit solchen abstoßenden Spektakeln bekennt sie sich in aller Öffentlichkeit zu ihren Verbrechen und zeigt, wie unerträglich ein Zusammenleben mit ihr ist.“
HAARETZ aus Tel Aviv macht der israelischen Regierung Vorwürfe: "Nach 503 Tagen wurden vier Menschen, die am 7. Oktober lebend nach Gaza entführt worden waren, tot nach Israel zurückgebracht. Sie wurden nach ihrer Entführung, die erst durch ein beispielloses politisches und militärisches Fiasko möglich wurde, ein weiteres Mal im Stich gelassen, als die Regierung nicht alles in ihrer Macht stehende tat, um sie im Rahmen einer Vereinbarung frei zu bekommen. Die einzige Möglichkeit, alle Geiseln zurückzubringen ist: Dieser Krieg muss beendet und die israelische Armee aus dem Gazastreifen abgezogen werden." Mit dieser Stimme der israelischen Zeitung HAARETZ endet die internationale Presseschau.