01. März 2025
Die internationale Presseschau

Im Mittelpunkt der Kommentare steht das Treffen zwischen US-Präsident Trump und dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj, bei dem es zu einem Eklat gekommen ist. Die geplante Unterzeichnung eines Rohstoffabkommens wurde abgesagt.

Präsident Donald Trump (Mitte) mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymir Selenskyj und Vize-Präsident JD Vance im Streitgespräch im Weißen Haus.
Das Treffen von Präsident Donald Trump (Mitte) mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymir Selenskyj und Vize-Präsident JD Vance im Weißen Haus eskalierte zu einem öffentlichen Streitgespräch. (picture alliance / Newscom / Jim Lo Scalzo )
Dazu schreibt das ukrainische Nachrichtenportal KYIV INDEPENDENT: "Lassen Sie das sacken. Der Präsident einer kriegsgebeutelten Ukraine, ein Verbündeter der USA, ist zum ersten Staatsführer der Geschichte geworden, der aus dem Weißen Haus geworfen wurde. Kein Diktator, kein in Ungnade gefallener Politiker - der Präsident der Ukraine, eines Landes, das unter der schlimmsten Invasion des 21. Jahrhunderts leidet. Das Land, dem die US-Regierung geschworen hat, Frieden zu bringen. In einem hässlichen Schlagabtausch haben der Präsident und sein Vizepräsident gemeinsam Selenskyj eine Rüge dafür erteilt, 'nicht dankbar' genug zu sein für die Hilfe zugunsten der Ukraine. Aber es scheint, dass Dankbarkeit gegenüber dem amerikanischen Volk gar nicht das ist, worauf Trump und Vance aus waren. Sie wollten, dass er um Gnade winselt und vor Trump auf die Knie fällt. Den Ring küsst", meint KYIV INDEPENDENT.
"Was passiert jetzt mit der Ukraine?" Diese Frage stellt sich die US-Zeitung THE NEW YORK TIMES und erläutert: "Vor Selenskyjs Besuch in Washington bestand das beste Szenario darin, dass Russland im Austausch für die etwa 20 Prozent des ukrainischen Territoriums, das es derzeit besetzt, einem Waffenstillstand zustimmen würde. Das würde Millionen ukrainischer Bürger – diejenigen, die in den besetzten Gebieten leben und diejenigen, die nach Osten vertrieben wurden – unter der Herrschaft des russischen Totalitarismus zurücklassen. Nun erscheint dieses Ergebnis so gut wie unmöglich. Wir befinden uns jetzt im Bereich des 'Worst-Case-Szenarios', in dem man sich vorstellen kann, dass Putin eine erneute Offensive gegen die Ukraine startet - mit dem Ziel der totalen Herrschaft über das Land, diesmal mit aktiver Unterstützung der Vereinigten Staaten", befürchtet THE NEW YORK TIMES.
Die belgische Zeitung DE STANDAARD bemerkt: "Der öffentliche Streit zwischen zwei Präsidenten, von denen einer sich in einem Krieg gegen Russland verteidigt, signalisiert das Ende des Westens. Die Ukraine und Europa müssen es nun ohne militärische Unterstützung der USA mit Russland aufnehmen. Fortan ist es angemessener, von 'Donald Trumps Regime' zu sprechen als von Trumps Präsidentschaft. Die Welt erlebte gestern live den ersten großen Zusammenprall zwischen der realen Welt und der fiktiven, verlogenen und durchgeknallten Version, die Trump aus ihr macht. Jetzt hängt alles von Europa ab. Dies ist ein Moment der Wahrheit, eine Charakterprüfung wie seit 70 Jahren nicht mehr. Die Ukraine Putin und Trump zu überlassen, würde bedeuten, dass sich Europa in die Rolle eines Vasallen zurückzieht. Es gibt also keine Wahl", urteilt DE STANDAARD.
Die britische Zeitung THE ECONOMIST aus London ist folgender Meinung: "Der Zusammenbruch der Beziehungen und die Behauptung von US-Präsident Trump, die Ukraine sei nicht bereit für den Frieden, erhöhen das Risiko, dass die USA nun die militärische und finanzielle Hilfe für die Ukraine einstellen werden, während Russland auf dem Schlachtfeld weiterhin die Initiative behält. Es ist schwer, sich einen diplomatischen Moment vorzustellen, der in der jüngeren Geschichte so völlig schiefgelaufen ist."
"Der ukrainische Präsident war ungewöhnlich konfrontativ", ist in der niederländischen Zeitung DE TELEGRAAF zu lesen: "Er erklärte den Amerikanern, dass sie Moskau zu viel Vertrauen schenken würden und Präsident Putin seine Versprechen schon oft gebrochen habe. Die Kritik kam schlecht an. Trump drohte sogar damit, sich ganz aus dem Friedensdialog zurückzuziehen. Selenskyj macht mit seiner Haltung und seinen Vorwürfen offenbar mehr kaputt, als der britische Premierminister Starmer und der französische Präsident Macron Anfang der Woche aufzubauen versucht haben. Es ist unklar, welche Folgen dieses Gezeter für die Sicherheitsgarantien haben wird, die die Ukraine zu erhalten hofft", bemerkt DE TELEGRAAF aus Amsterdam.
Die italienische Zeitung CORRIERE DELLA SERA sieht es so: "Diese Runde hat nur einen Gewinner: Russlands Präsident Putin. Der verbale Schlagabtausch und die 'Entlassung' von Selenskyj aus dem Weißen Haus. Der gescheiterte Mineralien-Deal. Die Absage der Pressekonferenz. Es hätte nicht schlimmer kommen können. Die Ukraine läuft Gefahr, ihren wichtigsten, unersetzlichen Verbündeten zu verlieren. Europa sieht seine schlimmsten Befürchtungen wahr werden: Allianzen sind für Trump austauschbar. Nachdem er Kiew seinem Schicksal überlassen hat, ist nun die transatlantische Achse an der Reihe? Selenskyj ist kein Heiliger, er hat Fehler gemacht. Jedes Land hat das Recht zu hinterfragen, ob er die Hilfsgelder gut ausgegeben hat. Aber Trumps Umgang mit ihm ist betäubend, nicht zuletzt, weil er nach einer Prozession europäischer Staats- und Regierungschefs ins Weiße Haus kam. Sie alle flehten Trump an, der Ukraine eine Sicherheitsgarantie zu geben, und versuchten auf verschiedene Weise, ihn an die NATO zu binden. Das Ergebnis ihrer Bitten ist ein Fiasko für die Ukraine", unterstreicht der Mailänder CORRIERE DELLA SERA.
Die spanische Zeitung EL PAÍS führt aus: "Der Schlagabtausch im Oval Office des Weißen Hauses, live und vor Journalisten, ist das beeindruckende Symbol für das Ende einer Ära. Es handelt sich um die brutale Bestätigung des abrupten Kurswechsels der USA. Die Bedeutung ist klar. Wir erleben nicht nur eine amerikanische Abkehr von Europa, eine Kluft bei den Interessen und Werten. Die Europäer sind mit der Bereitschaft der USA konfrontiert, uns im Einvernehmen mit anderen imperialistischen Mächten großen Schaden zuzufügen. Es ist eine willkürliche imperialistische Macht, die Unterwerfung, Huldigung und die Akzeptanz ausbeuterischer Praktiken fordert", stellt EL PAÍS aus Madrid klar.
In der brasilianischen Zeitung O GLOBO aus Rio de Janeiro heißt es: "Es scheint klar, dass Russlands Präsident Putin seine territoriale Expansion fortsetzen will, sobald er irgendeine wohlwollende Behandlung erfährt. Doch US-Präsident Trump glaubt offenbar das Gegenteil: Für ihn sind Friedensverhandlungen eine Art Kartenspiel, bei denen das beste Blatt gewinnt. Selenskyj konterte mit dem Offensichtlichen, nämlich dass Geopolitik kein Kartenspiel ist. Doch Trump scheint das nicht zu überzeugen. Das macht die Welt ein Stück weit gefährlicher, denn niemand wird einem Land vertrauen, das so mit seinen historischen Verbündeten umspringt. Europa, Kanada und weitere Demokratien werden deshalb nach militärischer Unabhängigkeit von den USA streben müssen", ist sich O GLOBO aus Rio de Janeiro sicher.
"Die Masken sind gefallen", titelt die polnische Zeitung GAZETA WYBORCZA und erläutert: "US-Präsident Trump hat gezeigt, dass er trotz seiner Versprechen nicht in der Lage ist, Frieden zu schaffen. Ein Vermittler muss fair und unparteiisch sein. Im Oval Office verhielten sich Trump und Vance nicht wie Staatsmänner, sondern wie Gangster. Ihr einziges Interesse galt der Plünderung ukrainischer Ressourcen. Worin unterscheidet sich dieser Ansatz vom russischen Ansatz gegenüber der Ukraine? Es ist nun klar, auf wessen Seite der Herr des Weißen Hauses steht. Die Masken sind gefallen, es gibt keine Illusionen mehr", merkt die GAZETA WYBORCZA aus Warschau an.
Nun noch zu einem anderen Thema. Der inhaftierte Anführer der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK, Öcalan, hat dazu aufgerufen, die Waffen niederzulegen und die Organisation aufzulösen. Inzwischen hat die PKK eine Waffenruhe mit der Türkei ausgerufen. Die türkische Zeitung KARAR erklärt dazu: "Der Aufruf könnte das Ende einer Ära markieren. Der Türkei bietet sich die vielleicht einmalige Chance, sowohl das Problem des Terrorismus und der Gewalt als auch die kurdische Frage zu lösen. Es wäre ein großer Fehler, den Prozess jetzt nicht fortzusetzen und diese Chance nicht zu nutzen."