06. März 2025
Die internationale Presseschau

Kommentiert wird die Rede von US-Präsident Donald Trump im Kongress, außerdem geht es um eine neue europäische Verteidigungspolitik. Zunächst aber nach Deutschland und zur Einigung von Union und SPD, mit neuen Schulden massiv in Infrastruktur und Verteidigung zu investieren.

Friedrich Merz und Ursula von der Leyen auf einer Pressekonferenz nach einer Bundesvorstandssitzung der CDU im Konrad-Adenauer-Haus. Merz steht und blick auf von der Leyen hinab, die sitzt. Beide lachen.
CDU-Chef Friedrich Merz und die neue und alte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (Archivbild) (Sebastian Gollnow / dpa / Sebastian Gollnow)
Die spanische Zeitung EL MUNDO notiert: "Der künftige deutsche Kanzler Friedrich Merz hat Führungsstärke bewiesen und Deutschland zeigt seine Bereitschaft, sich vor dem Hintergrund der weltpolitischen Kehrtwende der USA wieder an die Spitze Europas zu stellen. Die Gefahren für Frieden und Freiheit zwingen Europa laut Merz dazu, seine Verteidigungsfähigkeit zu erhöhen und alles zu tun, was dafür nötig ist."
Die italienische Zeitung CORRIERE DELLA SERA spricht sogar von einer "Merz-Revolution": "Noch bevor er Kanzler ist, hat Friedrich Merz drei Eckpfeiler der deutschen Politik aus den Angeln gehoben. Er hat in der Frage der Einwanderung mit der AfD gestimmt. Hat gesagt, Europa müsse sich von den Vereinigten Staaten unabhängig machen. Und er hat das Tabu der Verschuldung gebrochen. Bei allen drei Themen hatte Merz bis vor kurzem noch gegenteilige Vorstellungen. Doch auch wenn es im Vergleich zum Trump'schen Umbruch als Kleinigkeit erscheinen mag: Für die geordnete deutsche Politik ist das Debüt von Merz wohl der größte Umbruch der vergangenen Jahrzehnte", meint der CORRIERE DELLA SERA aus Rom.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG rät zur Vorsicht: "Ökonomen warnen davor, dass schon in weniger als zehn Jahren die Staatsschulden auf 100 Prozent der Wirtschaftsleistung anschwellen könnten. Deutschland würde damit zu einem Problemfall der Euro-Zone. Um es nicht so weit kommen zu lassen, muss Merz Druck auf die Sozialstaats-Apologeten in der SPD und in seiner eigenen Partei aufbauen, damit nach dem Kreditkelch der Rotstift kreist."
Lob kommt dagegen vom STANDARD aus Wien. "Nach Jahren der Stagnation krempelt das Land die Ärmel hoch. Und noch eine Botschaft geht von den Berliner Beschlüssen aus: Union und SPD schaffen unter Druck offenbar, was die Ampel in ihrer langen Endphase nicht mehr hinbekommen hat: Schnelle und weitreichende Entscheidungen ohne viel Gezänk zu treffen und an einem Strang zu ziehen - noch dazu in die gleiche Richtung."
Im WALL STREET JOURNAL aus New York ist zu lesen: "Merz geht ein politisches Risiko ein, denn ein ausgeglichener Haushalt ist bei den deutschen Wählern nach wie vor beliebt - und: Merz hat die Wahl im vergangenen Monat unter anderem mit dem Versprechen gewonnen, die Schuldenbremse beizubehalten. Das politische Signal ist jedoch eindeutig: Die neue deutsche Regierung sieht die Notwendigkeit der Wiederaufrüstung. Das ist die Botschaft, die die Nato-Verbündeten zu hören gehofft hatten."
"Die Deutschen haben nun nach jahrelangem Zögern endlich erkannt, dass man sich auf die USA nicht länger verlassen kann - und das gilt unabhängig vom derzeitigen US-Präsidenten Donald Trump", stellt HOSPODARSKE NOVINY aus Tschechien fest. "Solange Deutschland ein demokratischer, konstruktiv handelnder und fest in der EU verankerter Partner bleibt, muss uns das nicht beunruhigen. Die Warnungen der Ewiggestrigen, dass die Deutschen zu einer Gefahr für andere werden könnten, wenn sie massiv in ihre Armee investieren, sind unverantwortliches Geschwätz."
Damit sind wir beim nächsten Thema, denn nach Deutschland berät heute Europa über seine Militärausgaben. Zum EU-Verteidigungsgipfel schreibt die niederländische Zeitung DE VOLKSKRANT: "Aus dem Friedensprojekt Europa wird nun auch eine Verteidigungsunion. Es geht nicht mehr nur um Handel und Wohlstand, sondern auch um den Schutz des europäischen Territoriums und der europäischen Lebensart, der liberalen Demokratie, die weltweit an Boden verliert und auch in Europa selbst unter Druck steht. Die feindselige Haltung von US-Präsident Trump ist ein existenzieller Schock für Europa, wodurch alte Tabus gebrochen werden können. Die Stärkung der europäischen Verteidigung ist eine große, aber nicht unlösbare Aufgabe", konstatiert DE VOLKSKRANT aus Amsterdam.
Die schwedische Zeitung SYDSVENSKAN aus Malmö schreibt: "Donald Trump hat Europa die kalte Schulter gezeigt. Dadurch haben sich die USA von ihrer Rolle als Anführer der freien Welt verabschiedet. Statt die Freiheit der Ukraine zu sichern, dient sich der heutige US-Präsident dem russischen Despoten Putin an. Es liegt an den Amerikanern, ob sie sich irgendwann wieder von ihren Idealen leiten lassen. Aber bis dahin muss die EU die liberale Fahne hochhalten – für Frieden in der Ukraine, Sicherheit in Europa und Freiheit in der Welt.“ fordert SYDSVENSKAN aus Malmö.
Themenwechsel. Gestern Nacht hat Donald Trump im US-Kongress eine Rede gehalten. Der TAGES-ANZEIGER aus Zürich fasst sie so zusammen: "Er beschimpfte Demokraten, politische Gegner, Transmenschen, erzählte von Hexenjagden und verstieg sich zu der Behauptung, er sei der erfolgreichste Präsident in der Geschichte des Landes. Bisher hat Trump nur wenige Wahlkampfversprechen umgesetzt, auch wenn seine Aufzählungspunkte anderes suggerierten."
Die türkische Zeitung SABAH beobachtet: "Donald Trump hat in seiner Rede vor dem Kongress immer wieder den Satz 'America is back' wiederholt. Damit ist aber nicht die Rückkehr zu den goldenen Zeiten der 1990er Jahre gemeint, als die USA die einzige Supermacht waren. Das ist unmöglich. Trumps Ziel, die USA wieder an die Spitze zu bringen, bedeutet in erster Linie, das eigene Land umzugestalten. Deshalb erlässt er auch so viele innenpolitische Dekrete."
In der dänischen Zeitung JYLLANDS-POSTEN ist zu lesen: "Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Das werden die Amerikaner zu spüren bekommen und das werden auch die Grönländer erfahren, wenn sie sich von Trumps Versprechen von einer goldenen Zukunft als Teil der USA blenden lassen. Zum Glück scheinen sie eine gesunde Skepsis gegenüber Trump an den Tag zu legen, während seine Parteigenossen bei der Rede nur noch als Jubelchor fungierten. Die Rede selbst enthielt im Wesentlichen die gleichen Aussagen wie im Wahlkampf, aber die Entschuldigung gilt nicht mehr, dass hier lediglich ein Kandidat um Stimmen buhlt. Jetzt ist die Sache ernst, und darum sollten alle darauf achten, was Trump sagt", warnt JYLLANDS-POSTEN aus Århus.
Auch die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN zeigt sich besorgt: "In seiner ersten Amtszeit appellierte Trump noch an die Bevölkerung für die Geschlossenheit der USA. Das ist nun verschwunden: Dieses Mal war seine Rede nur noch an seine Anhänger gerichtet und wird die Spaltung der Gesellschaft noch vertiefen. Wladimir Putin und Xi Jinping beseitigen die Oppositionellen und bleiben hartnäckig bei ihrer aggressiven Expansionspolitik. Mit seiner Rede zeigt Donald Trump, dass er nicht viel anders ist als diese autoritären Staatschefs. Der US-Präsident sollte sich daran erinnern: Gerade Werte wie die Demokratie oder Menschenrechte sind die Anziehungskraft der Vereinigten Staaten", kommentiert NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.
Die WASHINGTON POST kritisiert die Reaktion der Demokraten, die während der Rede von Donald Trump aus Protest Schilder hochgehalten und teilweise pinke Outfits getragen haben: "Der Präsident der Vereinigten Staaten wiederholt Unwahrheiten und niemand kann ihn davon abhalten. Im hinteren Teil des Raums sitzt ein Kerl, den niemand gewählt hat, der aber den Personalbestand des Staates abbaut. Wir stehen aus irgendeinem Grund kurz davor, mit Kanada verfeindet zu sein, und vielleicht kann ja jemand bei Trumps nächster öffentlicher Ansprache Ahornblätter tragen. Dies sind außergewöhnliche Zeiten, und wir brauchen einen außergewöhnlichen Widerstand. Der Eindruck, den man in solchen Zeiten von seinen gewählten Vertretern haben möchte, ist, dass sie rund um die Uhr miteinander telefonieren, um herauszufinden, wie man die Rechte, die Freiheiten und die Rechtsstaatlichkeit dieses Landes bewahren kann. Der Eindruck, den man nicht haben will, ist, dass sie miteinander telefonieren, um herauszufinden, wer ihnen einen magentafarbenen Blazer leihen kann", moniert die WASHINGTON POST. Und damit endet diese Presseschau.