10. März 2025
Die internationale Presseschau

Mit Stimmen zur Gewalt in Syrien, zum neuen Chef der Regierungspartei in Kanada und zum Krieg in der Ukraine. Zunächst geht es aber um die Einigung von Union und SPD, nach der erfolgreichen Sondierung nun Koalitionsverhandlungen aufzunehmen.

Friedrich Merz (CDU), Lars Klingbeil (SPD), Markus Söder, (CSU) und Saskia Esken (SPD) (v.l.n.r.) nehmen an einer Pressekonferenz nach den Sondierungsgesprächen von Union und SPD im Bundestag teil
Union und SPD wollen Koalitionsverhandlungen aufnehmen, das ist eines der Themen auf den Meinungsseiten im Ausland. (picture alliance / dpa / Kay Nietfeld)
DER STANDARD aus Österreich befindet: "Ein vollkommen tragfähiges Konzept haben Schwarz und Rot noch nicht vorgelegt. Dennoch sind die raschen und erstaunlich geräuschlosen Gespräche in Deutschland wohltuend. Merz war klar, dass er nicht alle Maximalpositionen aus dem Wahlkampf wird retten können. Die rigorose Zurückweisung von Geflüchteten an der Grenze wurde zur Zurückweisung in Abstimmung mit den europäischen Nachbarn. Österreich protestiert bereits, was zu erwarten war. Man könnte auch sagen: Union und SPD haben hier für eine schnelle Einigung den Konflikt nur ausgelagert. Die SPD wiederum hat begriffen, dass sie Einschnitte in den Sozialstaat wird akzeptieren müssen – zum Wohle eines größeren Ganzen. Der Aussicht nämlich auf eine neue Regierung, die besser arbeiten muss als die abgewählte Ampel", notiert DER STANDARD aus Wien.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz greift ein weiteres Thema der Sondierungsgespräche auf: "Die Sozialdemokraten haben unter anderem auch ein gigantisches Schuldenpaket durchgesetzt. Das 500 Milliarden Euro schwere 'Sondervermögen' soll offiziell in die Infrastruktur fließen. Doch das Abschlusspapier ist vage. Die Milliarden sollen 'insbesondere' für Dinge wie Zivil- und Bevölkerungsschutz oder Verkehrsinfrastruktur ausgegeben werden, heißt es. Und sonst? Die Summe ist gigantisch, und Subventionsritter sind erfinderisch. Es steht zu befürchten, dass sich die bereits schwer gerupften deutschen Steuerzahler am Ende wundern werden, was alles zur Infrastruktur zählt", warnt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG.
Die russische Zeitung NESAWISSIMAJA GASETA befasst sich mit den schwarz-roten Plänen, noch im alten Bundestag eine Mehrheit für das Schuldenpaket zustande zu bringen: "Nach Ansicht einiger Experten handelt es sich hier um grundlegende Entscheidungen, die das Leben künftiger Generationen verändern werden. Es besteht die Gefahr, dass die Entscheidungen vor dem Bundesverfassungsgericht angefochten werden. Hinzu kommt, dass man auf die Stimmen der Grünen angewiesen ist. Beides deutet eher auf ein Scheitern der Milliarden-Initiative von Merz und Scholz hin. Dann stünde Deutschland vor einer neuen Runde seiner politischen und wirtschaftlichen Krise", prognostiziert die NESAWISSIMAJA GASETA aus Moskau.
Nun nach Syrien. In der Region Latakia gehen seit letzter Woche Einheiten der Übergangsregierung gegen mutmaßliche Anhänger des gestürzten Diktators Assad vor, dabei wurden mehr als 1.000 Menschen getötet, viele offenbar durch Exekutionen. Die niederländische Zeitung TROUW führt aus: "Latakia ist die Heimatregion der religiösen Minderheit der Alawiten. Assads Familie ist alawitisch, ebenso wie viele ehemalige Beamte seines Regimes. Seit seinem Sturz hat es in der Küstenregion schon mehrfach religiös motivierte Zwischenfälle sowie willkürliche Verhaftungen, Rachemorde und Gewalt gegeben, jedoch nicht in dem Ausmaß der vergangenen Tage. Die Sorge vieler Alawiten, dass sie als Gruppe für die Verbrechen des Assad-Regimes verantwortlich gemacht werden, scheinen berechtigt zu sein", meint TROUW aus Amsterdam.
Die panarabische Zeitung ELAPH unterstreicht: "Die Tötung unschuldiger Zivilisten, ganz gleich welcher Konfession oder Ethnie sie angehören, ist ein verabscheuungswürdiges Verbrechen. Sämtliche Täter gehören vor ein Gericht gestellt, das rechtsstaatlichen Standards genügt. Zugleich muss die neue Regierung ihrer Verantwortung gerecht werden und der Gewalt schnellstmöglich ein Ende setzen", verlangt ELAPH mit Sitz in Beirut.
"Der Anstieg der Gewalt dämpft die nach dem Machtwechsel im Dezember entstandene Euphorie", beobachtet die spanische Zeitung EL MUNDO: "Die Position des neuen Präsidenten Sharaa ist noch nicht allzu gefestigt, und es scheint, als würden sich die radikaleren Teile seiner HTS-Bewegung zunehmend durchsetzen. Eine Schwächung Syriens im Inneren bereitet aber auch den Nährboden für Interventionen von außen, was die Fragmentierung des Landes befördern könnte und die Region im Zuge der Spannungen zwischen Israel und dem Iran zusätzlich destabilisieren würde. Deshalb ist es jetzt zwingend notwendig, dass die internationale Gemeinschaft eine weitere Zerstörung Syriens verhindert", stellt EL MUNDO aus Madrid klar.
In Kanada hat die liberale Regierungspartei den früheren Zentralbankchef Mark Carney zu ihrem neuen Vorsitzenden gewählt. Als Nachfolger des zurückgetretenen Justin Trudeau wird er vorläufig auch Premierminister. Ein Gastkommentator der japanischen Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN ist sich sicher: "Den haushohen Sieg hat Carney US-Präsident Trump zu verdanken. Vor Trumps Amtsantritt waren die Umfragewerte für Trudeau und die Liberalen lange im Tiefflug, womit der Partei bei der anstehenden Unterhauswahl eine historische Niederlage drohte. Dann aber kamen aus Washington die ersten Drohgebärden. Das hat bei der kanadischen Bevölkerung einen trotzigen Patriotismus ausgelöst und Trudeau und seinen Liberalen viel Unterstützung gebracht. Mit neuem Selbstbewusstsein haben die Liberalen dann den als Krisenmanager bekannten Carney zu ihrem Chef gewählt", ist in NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio zu lesen.
Die kanadische Zeitung THE GLOBE AND MAIL geht auf den neuen Chef der Regierungspartei selbst ein: "Carney glänzt nicht auf Wahlkampfveranstaltungen. Er redet langsam. Er spricht über Steuersenkungen und Wettbewerbsfähigkeit auf eine Art und Weise, wie Trudeau es nie getan hätte. Einen Großteil seiner Siegesrede widmete er der Warnung vor Trumps Plänen für Kanada und erklärte mit der Selbstsicherheit eines Technokraten, dass er in der Lage sei, mit ihnen fertig zu werden. Carney verkauft Kompetenz für unruhige Zeiten", stellt THE GLOBE AND MAIL aus Toronto fest.
Zum letzten Thema. Die britische Zeitung THE TIMES befasst sich mit dem für morgen geplanten Treffen des ukrainischen Präsidenten Selenskyj mit US-Außenminister Rubio in Saudi-Arabien. "Im Vorfeld hat Selenskyj sein 'Bedauern' über das desaströse Treffen mit US-Präsident Trump im Weißen Haus zum Ausdruck gebracht und betont, dass er zu einer sofortigen Einigung bereit sei, um den USA Zugang zu seltenen Erden zu gewähren. Doch dieses symbolische, wenn auch kostspielige Zugeständnis wird Kiew in der derzeitigen kritischen Situation kaum helfen: Es garantiert weder die Wiederherstellung der Weitergabe von Geheimdienstinformationen noch die Beteiligung der USA an einer künftigen Friedenstruppe. Im besten Fall könnte Selenskyj US-Außenminister Rubio davon überzeugen, dass er Trump bittet, die Position der Ukraine beim Gipfeltreffen mit Präsident Putin zu berücksichtigen, das in den nächsten Wochen ebenfalls in Saudi-Arabien stattfinden soll", konstatiert THE TIMES aus London.
Die schwedische Zeitung SVENSKA DAGBLADET fragt sich, was hinter dem Kurswechsel der USA im Ukraine-Krieg steckt: "Trump hat Putin alles gegeben, was er will. Jeder seiner Schritte hat die Verhandlungsposition der Ukraine geschwächt und die russische Seite gestärkt. Aber was bekommt er im Gegenzug? Trotz aller Gefälligkeiten für Putin hat dieser noch kein Ergebnis geliefert, das den USA und ihren Verbündeten nützen würde. Hat Trump vielleicht eine alte Schuld zu begleichen? Oder geht es um gemeinsame Geschäfte? Die fehlende Transparenz bei den Gesprächen mit dem Kreml nährt solche Verdachtsmomente. Außerdem hat Trump zwei der wichtigsten Behörden zur Bekämpfung von Geldwäsche und grenzüberschreitender Wirtschaftskriminalität abgewickelt, die Vermögenswerte sanktionierter Kleptokraten aufgespürt haben. Passenderweise werden auch noch besondere Aufenthaltsgenehmigungen für superreiche Russen eingeführt. Moskau hat versucht, die Ukraine zu übernehmen. Aber bei den USA kommt der Kreml deutlich besser voran", befindet SVENSKA DAGBLADET, und damit endet die Internationale Presseschau.