20. März 2025
Die internationale Presseschau

Diesmal mit Stimmen zu dem erneuten Bombardement des Gazastreifens durch Israel, dem Verhandlungsgeschick von US-Präsident Trump und dem Verbot der Pride-Paraden in Ungarn. Zunächst aber ein Blick in die Türkei. Dort ist Oppositionsführer Imamoglu festgenommen worden.

Türkische Polizisten blockieren eine Straße während einer Demonstration in Istanbul nach der Verhaftung von Bürgermeister Ekrem Imamoglu.
Die Festnahme von Ekrem Imamoglu ist Thema in der Internationalen Presseschau. (AFP / OZAN KOSE)
Die Zeitung STAR aus Istanbul überlegt: „Die Präsidentschaftswahlen finden erst 2028 statt. Warum hatte es Imamoglu so eilig, sich als Kandidat aufstellen zu lassen? Diese Frage sollte sich jeder vernünftige Mensch stellen. Und auch diese: Wurde Imamoglu verhaftet, weil er Präsidentschaftskandidat war – oder hat er seine Kandidatur deshalb angekündigt, weil gegen ihn ermittelt wurde? Zwar ist die Unschuldsvermutung die wichtigste Rechtsgarantie. Aber die nun vorgelegte Erklärung der Staatsanwaltschaft könnte die Gründe für Imamoglus Panik offenbaren“, findet die türkische Zeitung STAR.
Dort erscheint auch die Zeitung KARAR, die den Fall ganz anders bewertet: „Wir leben in einer Zeit, in der die letzten Reste der Demokratie aus dem Land gefegt werden. Präsident Erdogan will nicht, dass Imamoglu gegen ihn antritt. Doch die Methoden, das zu verhindern, sind neu: Es sind Instrumente der politischen Säuberung. Dabei geht es nicht um das Präsidentenamt. Erdogans Ziel ist ein autoritäres Regime. Die Verhaftung Imamoglus scheint die erste Etappe dazu gewesen zu sein. Es heißt, es werde eine Hexenjagd geben. Es ist eine Schande für dieses Land“, urteilt KARAR aus Istanbul.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG sieht wenig Möglichkeiten für Europa, Druck auf Erdogan auszuüben: „Wegen der wachsenden Zweifel am sicherheitspolitischen Engagement der USA muss Europa aufrüsten – und die Türkei könnte einen wichtigen Beitrag dazu leisten. Aus diesem Grund ist es unwahrscheinlich, dass die EU künftig auf mehr Demokratie und Menschenrechte in der Türkei pocht oder gar die Opposition unterstützt. Belehrungen aus Europa braucht Erdogan deshalb kaum zu fürchten. Er wird seine Kritiker und Gegner auch künftig unterdrücken oder ausschalten können“, sagt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG voraus.
Nun zu den neuen Angriffen Israels auf den Gazastreifen: Nach Einschätzung der JERUSALEM POST schmilzt in der israelischen Bevölkerung die Unterstützung für den Krieg – aus mehreren Gründen: „Zum einen sind da die zurückgekehrten Geiseln, die vor einer Wiederaufnahme der Kämpfe warnen. Sie wissen aus eigener Erfahrung, dass sich dadurch die Lebensbedingungen für die rund 24 noch lebenden Geiseln verschlechtern. Zum anderen fürchten etliche der Familien von Verschleppten, dass die neuen Attacken ihre Liebsten gefährden. Und zuletzt sind da die Kritiker von Premierminister Netanjahu, die ihm seit jeher die schlechtesten Motive unterstellten. Sie schreien in jedes Mikrophon, dass es ihm bei der plötzlichen Eskalation nur darum geht, seine Regierung zu retten. Klar ist: Nach dem Überfall der Hamas hinterfragte niemand in Israel die Gründe für den Krieg. Jetzt tun das viele“, stellt die JERUSALEM POST aus Israel fest.
„Netanjahu verletzt alle Übereinkünfte mit der Hamas und nichts hält ihn mehr zurück“, konstatiert die algerische Zeitung EL MOUDJAHID: „Sogar der rechtsextreme Politiker Ben Gvir jubiliert und kehrt in die Regierung zurück. Auf seine Partei ist der Premierminister dringend angewiesen, um den Haushalt durchs Parlament zu bringen – und damit sein politisches Überleben zu sichern. Netanjahu hat immer politische Wendigkeit bewiesen, um sich aus den schwierigsten Situationen zu befreien. Sein Geschick besteht darin, jedes Puzzleteil in diesem makabraben Spiel als Verteidigungskrieg darzustellen. Dabei gleicht der Krieg eher einer Vernichtung: Etwa 500 Zivilisten, vor allem Frauen und Kinder, sind gerade innerhalb von 72 Stunden getötet worden“, erinnert EL MOUDJAHID aus Algier.
Die Zeitung AL HAYAT AL JADEEDA, die im palästinensischen Westjordanland erscheint, differenziert: „Was immer die persönlichen Motive Netanjahus sein mögen: Es scheint, als spiegele seine Politik nur wider, was viele Israelis gut heißen. Sie wollen die politische Landkarte verändern – und zwar nicht nur die des Gazastreifens, sondern weiter Teile des Nahen Ostens. Allerdings trägt auch die Hamas ganz erheblich zu der Fortsetzung dieses Krieges bei. Sie benutzt die rund zwei Millionen Einwohner im Gazastreifen als Schutzschild und schreckt nicht davor zurück, dass die gesamte Küstenregion in Schutt und Asche gelegt wird. Dabei wollen die Menschen im Gazastreifen etwas ganz anderes, nämlich Frieden“, ist AL HAYAT AL JADEEDA aus Ramallah überzeugt.
Die WASHINGTON POST nimmt die Rolle von US-Präsident Trump im Gaza-Krieg, aber auch für einem möglichen Frieden in der Ukraine in den Blick: „Es ist oft einfacher, einen Krieg zu beginnen, als ihn zu beenden. Das merkt Donald Trump gerade. Russlands Präsident Putin sträubt sich gegen eine umfassenden Waffenruhe, weil er sich durch Trumps jüngste Hinwendung zu Moskau bestärkt fühlt. Israels Ministerpräsident Netanjahu widerstrebt eine vollständige Einstellung der Kämpfe, weil Trump ihn durch seine vorbehaltlose Unterstützung der israelischen Kriegsziele ermutigt. Wenn der amerikanische Präsident Friedensstifter sein will, muss er härter durchgreifen, um Zugeständnisse von Israel und Russland zu erhalten“, notiert die WASHINGTON POST.
„Die Trumpsche ‚Deal-Diplomatie‘ hat offenbar ihre Grenze erreicht“, beobachtet YOMIURI SHIMBUN aus dem japanischen Tokio: „Damit Putin nicht seinen großen Sieg feiert, ist es unabdingbar, dass Trump seine Beziehungen zu Europa repariert. Verhandlungen allein durch Washington reichen nicht aus. Der US-Präsident sollte zusammen mit den europäischen Staaten Druck auf Moskau ausüben.“
Die norwegische Zeitung AFTENPOSTEN zweifelt an der Kompetenz des neuen Sonderbeauftragten für die Ukraine, Witkoff: „Er war noch nie auch nur in der Nähe von Verhandlungen über einen Waffenstillstand. Zu den größten Gefahren des Trumpismus gehört die Vorstellung, dass Kompetenz eine Bedrohung darstellt und reiche Geschäftsleute alles am besten wissen. Sicher muss man auf dem New Yorker Immobilienmarkt tough sein. Aber von den Verhandlungen über Wolkenkratzer ist es ein weiter Sprung zu Gesprächen mit den gerrissensten Machtspielern der Welt. Putin muss sich fühlen wie der Wolf, bei dem Rotkäppchen freiwillig zu einem Besuch hereingeschneit kommt“, formuliert AFTENPOSTEN aus Oslo.
„Trump macht im Umgang mit Putin einen Narren aus sich selbst“, ist die ungarische Zeitung NEPSZAVA überzeugt: „Zwar ist das eine Angelegenheit zwischen ihm und den amerikanischen Wählern, doch wehtun wird es leider uns in Ost-Mitteleuropa. Putin hingegen spielt Schach wie ein Großmeister: Seinem eitlen amerikanischen Amtskollegen schmeichelt er mit Worten, akzeptiert aber nichts.“
Wir bleiben in Ungarn, aber mit einem anderen Thema: Die Regierung von Ministerpräsident Orbán hat die alljährlichen Pride-Paraden verboten. Für den STANDARD aus Wien ist das ein Signal: „Mit ihm will Viktor Orban seinen Mitstreitern im Geiste demonstrieren, was in einem Land der Europäischen Union alles an Rückschrittlichem möglich ist. Jahrelang bereits ignoriert Ungarn unter Orbans Führung das europäische Asylrecht, nun hat das Land das Versammlungsrecht sexueller Minderheiten ausgesetzt. Doch so innenpolitisch unwidersprochen wie die Weigerung Budapests, Asylanträge anzunehmen, wird Orbans Anti-LGBTIQ-Politik nicht bleiben“, schätzt der österreichische STANDARD.
„Ungarn ist schon lange keine funktionierende Demokratie mehr“, bilanziert die schwedische Zeitung AFTONBLADET: „Viktor Orbán und seine Fidesz-Partei kontrollieren Gerichte, Medien, die Zivilgesellschaft und große Teile der Wirtschaft. Außerdem fungiert Ungarn außenpolitisch in der EU als trojanisches Pferd Russlands. Wie so oft in autoritären Regimen werden Frauen zurück in eine altertümliche traditionelle Rolle gedrängt und LGBTQ-Personen verfolgt. Das ungarische Volk gehört in die EU, nicht aber Orbán.“ Das war zum Ende der internationalen Presseschau AFTONBLADET aus Stockholm.