22. März 2025
Die internationale Presseschau

Themen sind die Proteste in der Türkei, der Weltwassertag sowie das nun auch vom Bundesrat verabschiedete Schuldenpaket. Zunächst aber zum EU-Gipfel zum Thema Verteidigung und Ukraine.

Die Staats- und Regierungschefs beim Runden Tisch während des Europäischen Gipfels. Themen sind die Entwicklungen in der Ukraine und die Stärkung der europäischen Verteidigungsbereitschaft.
Die Staats- und Regierungschefs beim Runden Tisch während des Europäischen Gipfels. (picture alliance / ANP / JONAS ROOSENS)
"Die EU-Länder zeigten sich einig in ihrer Uneinigkeit", findet die russische Zeitung KOMMERSANT: "Am Ende konnten sich die Mitgliedsländer nicht einmal auf fünf Milliarden Euro Militärhilfe für Kiew einigen. Dabei wurde mit großzügiger verbaler Unterstützung für die Ukraine nicht gespart – allerdings erneut ohne Ungarn. Kurzum: Alle außer Ungarn unterstützten die Ukraine herzlich, aber nicht mit Geld. Nachdem Ungarns Ministerpräsident Orban sich zuletzt beim EU-Sondergipfel geweigert hatte, eine gemeinsame Erklärung zur Ukraine zu unterstützen, einigten sich die übrigen 26 Staats- und Regierungschefs diesmal darauf, Ungarn überhaupt nicht mehr einzubeziehen. Der Eindruck einer Uneinigkeit innerhalb der EU soll wohl nicht verstärkt werden. Allerdings hinterließ der aktuelle Gipfel auch ohne die 'Hilfe' Budapests diesen Eindruck“, urteilt der KOMMERSANT aus Moskau.
Die spanische Zeitung EL PAIS hält dagegen: "Der Europäische Rat hat allein dadurch Stärke gezeigt, dass er den ungarischen Widerstand als unwesentlich abgetan und damit das Gespenst der Spaltung verjagt hat. Früher hätte Ungarn die ganze Union gelähmt, aber jetzt wird es von den anderen 26 Mitgliedern einfach ignoriert. Europa muss zu variablen Modellen jenseits des Einstimmigkeitsprinzips finden und gleichzeitig Länder wie Großbritannien, Norwegen und Kanada in seine Sicherheitsarchitektur einbinden. Bereits ein solches Szenario würde Wirkung entfalten und eine Stärkung der Verteidigungsfähigkeit erreichen", vermerkt EL PAIS aus Madrid.
Die schwedische Zeitung SYDSVENSKAN erklärt: "Verteidigung war bislang eine nationale Angelegenheit oder Sache der NATO. Nun entsteht aber eine neue internationale Ordnung, und da muss Europa Stärke zeigen. Wenn Putin droht und Trump uns im Stich lässt, müssen wir für unsere Freiheit aufstehen. Eine regelbasierte Weltordnung ist nicht nur die Alternative für die Anständigen, sondern bedeutet unser Überleben. Darum müssen wir uns trauen, richtig zu rechnen: 500 Millionen Europäer sind mehr als 140 Millionen Russen. Europa ist um ein Vielfaches reicher als Russland. Die EU wurde geschaffen, um Wohlstand zu erzeugen und den Frieden zu bewahren – jetzt muss sie es unter Beweis stellen. Wer Frieden will, muss für den Krieg rüsten", konstatiert SYDSVENSKAN aus Malmö.
Der STANDARD aus Österreich fasst zusammen: "Die EU ermuntert ihre Mitgliedsstaaten, ihre nationalen Armeen auszubauen und aufzurüsten. In Deutschland wird wieder über die Wehrpflicht diskutiert, in Österreich läuft diese Debatte gerade an. Insgesamt soll die Union wehrfähiger werden. Dafür werden sogar Tabus gebrochen, etwa die Verschuldungsregeln aufgeweicht. Frankreich, das jetzt schon tief in der Kreide steht, überlegt, die eigene Bevölkerung anzupumpen. Bemüht man sich um eine positive Sichtweise von Trumps Bully-Politik, kann man den 'Weckruf' Europas herausstellen. Europa muss sich, 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, geopolitisch endgültig emanzipieren – es hat die Kraft und die Autorität dazu", unterstreicht der STANDARD aus Wien.
Vor diesem Hintergrund nun ein Blick nach Deutschland, wo auch der Bundesrat dem Schuldenpaket unter anderem für mehr Verteidigungsausgaben zugestimmt hat. Der britische GUARDIAN begrüßt die Entscheidung: "Deutschland ist nicht mehr das Land, das Sparmaßnahmen ad absurdum führt, und es ist auch nicht mehr das Land, das seine Verteidigung an eine Supermacht knüpft, die es für einen Freund hielt. Jede europäische Sicherheitsstrategie würde ohne Deutschland wenig Glaubwürdigkeit haben. Und Deutschland wäre wenig glaubwürdig, wenn es nicht seine jahrzehntelange Zurückhaltung bei der Aufrüstung überwinden würde. Dies ist nun geschehen. Der künftige Kanzler Merz ist unberechenbar und konfrontativ, er ist ungeduldig und will die Dinge angehen. An seiner Seite werden SPD-Chef Klingbeil und wohl Verteidigungsminister Pistorius stehen, die einen Flügel der SPD repräsentieren, der seine Naivität gegenüber Russland abgelegt hat. Das ist es, was Deutschland, Europa und der gesamte Westen in ihrer dunkelsten Stunde brauchen", meint der GUARDIAN aus London.
"Das Schuldenpaket ist endlich da!", schreibt die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN: "Der Zeitpunkt ist allerdings so spät, dass man skeptisch wird, ob es tatsächlich noch reicht, um Deutschland und Europa zu retten. Deutschland hat durch den Streit der Ampelregierung wertvolle Zeit verloren. Jetzt hat die Aufstockung des Verteidigungsbudget hohe Priorität. Aber noch wichtiger ist, dass man mit diesem Schuldenpaket auch die Gefälle zwischen Stadt und Land oder zwischen Ost und West bekämpft. Denn das wird sich darauf auswirken, ob die AfD ihren Aufwärtstrend fortsetzen kann. Das wird für Deutschland tatsächlich eine historische Herausforderung", konstatiert NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.
Themenwechsel. In der Türkei haben erneut zehntausende Menschen gegen die Festnahme des Oppositionspolitikers Imamoglu von der sozialdemokratischen CHP protestiert. Die türkische Zeitung STAR schreibt: "Der CHP-Vorsitzende Özel hat mit seinem Aufruf, auf die Straße zu gehen, einen sehr gefährlichen Weg eingeschlagen. Die Polizei wird den Zerstörungen und Plünderungen nicht tatenlos zusehen. Özel fordert den Staat auf der Straße heraus. Er ruft in unverantwortlicher Weise zu Provokationen, Ausschreitungen und Angriffen auf. Wenn von nun an das Blut eines unschuldigen Bürgers, eines Polizisten oder anderer Sicherheitskräfte vergossen wird, sind Özel und die CHP dafür verantwortlich", meint die Zeitung STAR aus Istanbul.
Die ebenfalls türkische Zeitung CUMHURIYET sieht das anders: "Die Massen, die die Festnahme von İmamoğlu richtig interpretiert haben, sind in der ganzen Türkei aufgestanden. Und zwar mit solcher Kraft, dass sich sogar die CHP-Führung dazu gezwungen sah, sich ihnen anzuschließen. Die Entschlossenheit der Massen beunruhigt die Regierung. Sie versucht, wie bei den Gezi-Protesten vor zwölf Jahren, die Bewegung mit Terrorismus in Verbindung zu bringen und ein Klima der Angst zu schaffen. Solche Terrorismusvorwürfe haben aber nicht mehr die Wirkung wie früher - in ihrer Verzweiflung versucht es die Regierung Erdoğan trotzdem. Auch wird versucht, Imamoğlu als Mann Israels oder Großbritanniens zu bezeichnen, für manche ist er ein Mann der USA. Natürlich ist Imamoğlu pro-westlich orientiert, genau wie die CHP. Aber die Massen auf der Straße verteidigen die Türkei, die Republik, die Demokratie und die Freiheit - nicht Imamoğlu", unterstreicht CUMHURIYET aus Istanbul.
Zum Schluss ein Kommentar aus Nigeria zum heutigen von der UNO organisierten Weltwassertag. Die Zeitung THIS DAY schreibt: "Nigeria ist mit zahlreichen Flüssen gesegnet. Trotzdem bleibt der Zugang zu sauberem Trinkwasser für die meisten Menschen ein Problem. Dabei sind Trinkwasser und gute sanitäre Einrichtungen nachweislich ein Mittel gegen Armut und Krankheiten. Solange es jedoch nicht überall Wasser aus Rohrleitungen und geschützten Brunnen gibt, sind Millionen Nigerianer dazu verdammt, das zu konsumieren, was gerade verfügbar ist. In vielen ländlichen Gemeinden legen Frauen und Kinder weite Strecken zurück, um Wasser aus verschmutzten Bächen und Teichen zu holen. Sorgen macht, dass viele Kinder deshalb nicht zur Schule gehen können. Auch treten vermeidbare Krankheiten wie Cholera immer wieder epidemisch auf und töten tausende von Menschen, vor allem die Jüngsten. Die Regierung muss die Wassersysteme dringend modernisieren und die Qualität des Trinkwassers verbessern. Wir müssen das Thema Wasser ernster nehmen. Der Zugang zu sauberem Wasser in Nigeria darf kein Privileg sein - wir müssen es zu einem Recht machen." Das war THIS DAY aus Lagos, und damit endet die internationale Presseschau.