24. März 2025
Die internationale Presseschau

Kommentiert werden die beschlossenen Milliardenschulden in Deutschland, der politische Kurs von US-Präsident Trump und die Demonstrationen in der Türkei gegen die Inhaftierung des Istanbuler Bürgermeisters Imamoglu, der als aussichtsreichster Herausforderer von Präsident Erdoğan gilt.

Eine Menschenmenge steht im Dunklen vor der Stadtverwaltung in Istanbul. Die Protestteilnehmenden recken ihre Smartphones mit angeschalteter Taschenlampenfunktion in die Höhe. Im Hintergrund sind Fahnenaufsteller zu sehen.
In der Türkei dauern die Proteste gegen die Inhaftierung des Instabuler Bürgermeisters Imamoglu an. (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Francisco Seco)
Zu diesem Thema heißt es im britischen TELEGRAPH: "Für viele von Erdoğans Gegnern ist die Verhaftung eine Maßnahme direkt aus dem politischen Handbuch des russischen Präsidenten Putin - seinen Erzrivalen diskreditieren und vorzugsweise wegsperren. Das ist irritierend, verbietet es die Verfassung Erdoğan doch, 2028 noch einmal anzutreten, es sei denn er ändert sie - wieder wie Putin -, um seine Amtszeit zu verlängern, was einige vermuten. In einer Zeit globaler Spannungen ist Stabilität wichtig in einem Land, das die zweitgrößte Militärmacht der NATO ist und US-Atombasen beherbergt. Die Türkei und ihr Staatschef müssen zeigen, dass sie weiterhin an der Seite ihrer demokratischen NATO-Partner stehen, nicht russische Taktiken übernehmen, um mit legitimem Protest umzugehen", empfiehlt der Londoner TELEGRAPH.
Die liberale türkische Zeitung T 24 notiert: "Ein ganzes Land ist auf die Straße gegangen, Jung und Alt. Selbst diejenigen, die unter normalen Umständen nicht einmal wüssten, wo das nächste Parteibüro der CHP ist, haben symbolisch ihre Stimme abgegeben. Was sagen Erdoğans Getreue zu all dem, was im Land passiert? Das Vorgehen dieses Regimes hat Millionen mobilisiert. Gestern war der erste Tag von Erdoğans bevorstehendem Ende", ist T 24 aus Istanbul überzeugt.
Die regierungsnahe Zeitung MILLIYET, ebenfalls aus Istanbul, kommentiert: "Proteste lösen das Problem nicht und werden es auch nicht lösen. Wenn die Provokationen zunehmen, kann dies unbeabsichtigte Folgen auf der Straße haben. Die Polarisierung nimmt zu. Es ist Zeit für Ruhe und Besonnenheit."
Erdoğan vergreife sich nicht nur an einem Rivalen, sondern auch an einem Pfeiler der türkischen Republik, meint der Schweizer TAGES-ANZEIGER. "Imamoğlus sozialdemokratische CHP ist die Partei von Staatsgründer Atatürk. So vergrätzt der Präsident nicht nur die Anhänger des Istanbuler Stadtoberhaupts, sondern auch die, welche in der mehr als einhundert Jahre alten Republik im Gegensatz zu Erdoğan einen Wert an sich sehen. Eigentlich sollte der Präsident das wissen. Aber möglicherweise hat er den Blick fürs Wesentliche verloren: das eigene Volk", vermutet der TAGES-ANZEIGER aus Zürich.
Die Wiener Zeitung DER STANDARD konstatiert: "Leider weiß Erdogan, dass er mit diesen antidemokratischen Aktionen auch international durchkommt. Die EU ist zu schwach, abgelenkt und geopolitisch erpressbar, seit er menschliche Mobilität aus dem Nahen Osten bewusst auch als Drohmittel einsetzt. Dass die USA nicht nur nicht bereit sind, die türkische Demokratie zu schützen, sondern Donald Trumps Spezialgehilfe Elon Musk mit der Abschaltung oppositioneller Accounts auf X diesen Demokratieabbau sogar noch befördert, zeigt, dass die USA unter Trump 2.0 bereit sind, den Autokraten dieser Welt freies Geleit zu gewähren", unterstreicht DER STANDARD aus Österreich.
Die Zeitung LIANHE BAO aus Taiwan geht auf den politischen Kurs von US-Präsident Trump ein: "Trump macht dem russischen Präsidenten Putin schmeichelhafte Angebote. Er kürzt die Waffenlieferungen an die Ukraine, um das Risiko einer Eskalation des Krieges zu reduzieren. Die USA scheinen Europa langsam den Rücken zu kehren, um sich Asien zuzuwenden. Denn für Amerika ist der europäische Kontinent zusehends ein Ballast geworden, den es lieber loswerden will. In Ostasien hingegen, vor allem in der Volksrepublik China, sind Trumps wirtschaftliche Interessen riesig. Auch Taiwan wäre eine günstige Spielkarte in seiner Hand. Doch letztendlich geht es dem geschäftstüchtigen Staatsmann um die Maximierung seines wirtschaftlichen Profits. In Taiwan schrillen bereits die Alarmglocken", notiert LIANHE BAO aus Taipeh.
Der US-Präsident hat Berichte zurückgewiesen, wonach Tech-Milliardär Musk bei einem Treffen im US-Verteidigungsministerium über Pläne für einen möglichen Krieg mit China unterrichtet werden sollte. In der WASHINGTON POST ist zu lesen: "Es ist Trump zugutezuhalten, dass er am Freitag klarstellte, dass Musk die Kriegspläne nicht gezeigt würden. Dies ist eine willkommene Beschränkung von Musks Macht. Es braucht jedoch noch transparente Schutzplanken, um den US-Amerikanern zu versichern, dass der besondere Angestellte des Präsidenten für sie arbeitet - und nicht für sich selbst."
Die finnische Zeitung ILTA-SANOMAT widmet sich einem anderen Aspekt: "Die USA und Russland treffen heute erneut zu Gesprächen zusammen, um nach einer Lösung für den Krieg in der Ukraine zu suchen. Immerhin ist im saudi-arabischen Riad auch eine ukrainische Gruppe anwesend, die sich vor und nach den Verhandlungen separat mit den US-Vertretern treffen soll. Aber die Stimmung verheißt nichts Gutes. Die Ukrainer sind schockiert über Äußerungen des US-Sonderbeauftragten Witkoff, wonach Putin 'superintelligent und kein schlechter Mensch' sei. Witkoff scheint den russischen Diktator aufrichtig zu bewundern und dessen Lügen in sein eigenes Weltbild aufgenommen zu haben", konstatiert ILTA-SANOMAT aus Helsinki.
Die russische Zeitung MOSKOWSKI KOMSOMOLEZ sieht eine mögliche Annäherung zwischen den USA und Russland skeptisch: "So, nun haben Putin und Trump miteinander geredet. Das Telefonat war ein Schritt zu einem persönlichen Treffen, die Verhandlungen in Riad seien ein ebensolcher Schritt, sagte Kremlsprecher Peskow. Und man kann davon ausgehen, dass ein persönliches Treffen bedeutet, dass die Parameter für eine friedliche Regelung im Großen und Ganzen festgelegt und vereinbart wurden. Das wird aber noch sehr schwer. Ein einfaches Beispiel ist die Abmachung zwischen Trump und Putin über ein Ende des Ukraine-Krieges. Putin ist der Oberbefehlshaber der russischen Armee. Aber wer ist Trump für die ukrainischen Streitkräfte?", ist in der Zeitung MOSKOWSKI KOMSOMOLEZ aus Moskau zu lesen.
Nun ins Inland. Die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA befasst sich mit der in Deutschland beschlossenen Lockerung der Staatsverschuldung in Milliardenhöhe: "Dabei geht es vor allem um Investitionen in die Infrastruktur, die Rüstungsindustrie und eine eigene Armee. Ob diese Ziele tatsächlich erreicht werden, ist nicht sicher. Nehmen wir jedoch an – und das wäre besser für Polen –, dass Friedrich Merz sich als der wahre Reformer Deutschlands erweist und vor allem die Aufrüstung unseres westlichen Nachbarn herbeiführen wird. Welche Konsequenzen hat ein solches Szenario für Polen und für das Kräfteverhältnis in Europa. Deutschland würde mit einer großen und modernen Armee und einer einflussreichen Rüstungsindustrie seine Position als Zentralmacht des Kontinents zurückgewinnen. Wer wird die neue Macht im Zentrum Europas kontrollieren und begrenzen? Schaffen wir uns nicht in Wirklichkeit ein neues Problem für die nahe Zukunft, indem wir versuchen, eine aktuelle Bedrohung zu lösen?", fragt die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Die schwedische Zeitung GÖTEBORGS-POSTEN befasst sich mit der Haltung der Grünen, die dem Finanzpaket nur zustimmten, wenn auch Klimaschutzmaßnahmen berücksichtigt würden. "Die Erreichung des Klimaziels ist schon länger in Gesetzen festgehalten, die neuen Bestimmungen in der Verfassung bedeuten nur, dass Geld aus dem Infrastrukturfonds dafür aufgewendet werden muss. Die große Frage ist, welchen Sinn diese Formulierung dann hat. Klimapolitik ist in Deutschland ähnlich umstritten wie in Schweden. Daran ändert sich nichts, wenn neue Bestimmungen in die Verfassung aufgenommen werden, denn sie bedeuten keine Verpflichtung für den Staat, konkrete Maßnahmen zu ergreifen. Insofern handelt es sich hier lediglich um Symbolpolitik", unterstreicht GÖTEBORGS-POSTEN.