25. März 2025
Die internationale Presseschau

Kommentiert werden unter anderem die Kommunikationspanne von hochrangigen US-Regierungsvertretern, die Grönland-Reise von Usha Vance und die andauernden Proteste in der Türkei nach der Inhaftierung des Istanbuler Bürgermeisters Imamoglu.

Zwei Protestierende halten eine Flagge der Türkei hoch und zeigen mit den Händen das Peace-Zeichen
Viele Studierende gehen in der Türkei auf die Straße, um ihren Protest zu zeigen (picture alliance / abaca / Akyuz Efekan)
Der türkische Präsidenet Erdogan habe die Gunst der Stunde genutzt, meint die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG. "Trotz der anrollenden Repressionswelle, trotz Demonstrationsverboten, Tränengas und Verhaftungen gehen Zehntausende Bürgerinnen und Bürger auf die Straße. Warum schlägt Erdogan jetzt zu? Es sind immerhin noch drei Jahre bis zu den regulären Präsidentenwahlen. Die Antwortet lautet: Weil er kann. Der Zustand und die Interessenlage seiner strategischen Verbündeten sind für den Großangriff auf seine Gegner so günstig wie nie. Der Präsident steht auf dem Höhepunkt seiner Macht: Die Kurden sind dank einem möglichen Friedensabkommen abgelenkt, in Syrien sind seine Verbündeten an der Macht. Und noch wichtiger: Die Amerikaner wollen und die Europäer müssen ihn gewähren lassen. Von Trump hat der autoritäre Islamist nichts zu befürchten", ist die Schweizer NZZ überzeugt.
Die Türkei erlebe historische Tage, schreibt die Istanbuler Zeitung CUMHURIYET. "Gleichzeitig sind diese Zäsuren auch ein Lackmustest. Institutionen und Organisationen, insbesondere Politiker, Medien, Intellektuelle, kurzum alle Bürger werden in diesen kritischen Tagen auf die Probe gestellt. Die jüngsten Entwicklungen und Ereignisse haben die Bedeutung der CHP, der Gründungspartei des Landes, erneut unterstrichen. Die gesamte politische und gesellschaftliche Opposition, insbesondere die größte Oppositionspartei CHP, muss nun sehr viel vorsichtiger und wachsamer sein. Es wird intensive Bemühungen und Versuche geben, die innere Einheit der CHP und die Einheit der Opposition zu torpedieren", warnt CUMHURIYET.
"Warum hat sich Erdogan aus heiterem Himmel in die politische Instabilität gestürzt?", fragt die Zeitung KARAR aus Istanbul: "Nachdem Imamoglu mit den Stimmen von 13 Millionen Bürgern zum Präsidentschaftskandidaten gekürt wurde, kann Erdogan den Druck für Neuwahlen nicht mehr so leicht abwehren wie früher. Nun stellt sich die Frage, warum er seit Oktober plötzlich diese Härte an den Tag legt. Welche Strategie verfolgt Erdogan?"
Die politischen Unruhen in der Türkei gäben zunehmend Anlass zur Sorge, findet die chinesische Zeitung WENHUIBAO. "Die innenpolitischen Turbulenzen haben inzwischen auch den Aktienmarkt des Landes erfasst. Der Wechselkurs der türkischen Lira hat gegenüber dem US-Dollar und dem Euro ein neues Rekordtief erreicht. Die ohnehin stark angeschlagene türkische Wirtschaft wird durch diese Entwicklungen zweifelsohne weiter geschwächt. Die jüngsten Maßnahmen der Regierung haben bereits viele Spekulationen darüber ausgelöst, welchen Weg die Türkei künftig einschlagen wird", ist in WENHUIBAO aus Schanghai zu lesen.
Nun in die USA. Durch eine Kommunikationspanne wurde ein amerikanischer Journalist in einen Signal-Gruppenchat führender Regierungsvertreter in den Vereinigten Staaten eingeladen. Die öffentlich gewordene Diskussion biete seltene Einblicke in Washingtons Machtspiele, schreibt das WALL STREET JOURNAL. "Präsident Trump behauptet, die transparenteste Regierung der Geschichte zu führen, aber vielleicht nicht auf diese Weise. Die Neuigkeit ist, dass die Beteiligten ihren öffentlichen Rollenbildern entsprechend agierten. Der Nationale Sicherheitsberater Waltz war ein Sprachrohr für die Führungsrolle der USA – und dafür, die Politik des Präsidenten umzusetzen. Vizepräsident J.D. Vance hingegen sprach sich gegen die Luftangriffe im Jemen aus, obwohl Trump etwas anderes anordnete. Verteidigungsminister Hegseth betonte die Rolle des Irans und plädierte für die Operation. Trump äußerte später ähnliche Argumente in der Öffentlichkeit. Die Politik des Präsidenten setzte sich durch. Trump weiß nun, welche seiner Stellvertreter versuchten, sie zu blockieren - und welche versuchten, sie auszuführen", analysiert das WALL STREET JOURNAL aus den USA.
Die WASHINGTON POST erinnert in diesem Zusammenhang an die E-Mail-Affäre der US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton 2016: "Es handelt sich um eine Gleichgültigkeit gegenüber der Sicherheit, die offensichtlicher und unmittelbarer ist als alles, was Hillary Clinton jemals vorgeworfen wurde. Es gibt allen Grund zur Annahme, dass niemand in der US-Regierung die Verantwortung dafür übernehmen wird, dass Kriegspläne in dem Chat weitergegeben wurden. So wie üblich in der Trump-Regierung wird allen Beteiligten nichts passieren. Die E-Mail-Affäre um Clinton war nützlich, um Trump zur Macht zu verhelfen. Jetzt, da er Präsident ist, hat er nicht vor, diese Macht wieder abzugeben", betont die WASHINGTON POST.
Hören Sie nun Kommentare zur Grönland-Reise von Usha Vance. Als Ehefrau des US-amerikanischen Vizepräsidenten J.D. Vance sei sie eine offizielle Persönlichkeit, und ihr Besuch sei eine Provokation, findet die schwedische Zeitung SYDSVENSKAN. "Der Besuch von Usha Vance wird in Grönland aus gutem Grund als aggressive Geste betrachtet, denn er zeigt, dass Trump an seinen Plänen festhält: Er will die größte Insel der Welt mit ihren reichen Rohstoffvorkommen. Dass man durch die NATO-Zusammenarbeit längst von Grönlands strategisch günstiger Lage profitiert, scheint ihm nicht zu reichen. Genau wie Putin scheint Trump der Ansicht zu sein, dass sich Großmächte einfach nehmen dürfen, was sie haben wollen", hebt SYDSVENSKAN aus Malmö hervor.
Empört ist auch die norwegische Zeitung DAGBLADET aus Oslo: "Der Besuch kann nicht getrennt von Trumps Besessenheit für Grönland betrachtet werden. Zuletzt wollte er nicht einmal den Einsatz von Gewalt ausschließen, um Grönland zu annektieren. Europas Staatsführer müssen jetzt für Grönland aufstehen und klarmachen, dass Trumps feindseliges Verhalten inakzeptabel ist und eine Bedrohung für die Beziehungen der USA zu ihren Verbündeten darstellt."
Die dänische Zeitung KRISTELIGT DAGBLAD plädiert für ein offensives Auftreten gegenüber Trump: "Lange trat die Regierung in Kopenhagen eher zurückhaltend auf, und Premierministerin Frederiksen erklärte, die Grönländer sollten selbst über ihre Zukunft entscheiden. Nun aber hat Grönlands amtierender Premier Egede die internationale Gemeinschaft aufgefordert, der amerikanischen Aggression zu begegnen. Diese Aufforderung zur Einmischung gilt also auch für Frederiksen und ihre Regierung: Sobald Grönland eine neue Regierung hat, muss sie Trump nach Kopenhagen oder in Grönlands Hauptstadt Nuuk einladen, um den Wünschen des Präsidenten entgegenzutreten", fordert das KRISTELIGT DAGBLAD aus Kopenhagen.
Die japanische Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN befürchtet, dass Trump das US-Militär aus Asien abziehen könnte. "Die bisherigen US-Regierungen haben ein gigantisches Militär-Budget für Asien ausgegeben, um die Demokratie oder ihr eigenes geopolitisches Interesse zu schützen. Ein möglicher Rückzug würde sich nicht nur negativ auf die USA auswirken. Anders als von Trump erhofft, bekäme China eine überragende Position", notiert NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.
Abschließend noch ein Kommentar aus der russischen Zeitung NESAWISSIMAJA GASETA zu den Koalitionsverhandlungen in Deutschland: "Vorerst werden im Programm des Christdemokraten Merz, der Kanzler werden will, die Vorstellungen der Sozialdemokraten umgesetzt. Merz gelingt es nicht, Kanzler zu werden ohne die SPD und, wie sich zeigt, auch nicht ohne Zugeständnisse an die Grünen. Sobald es eine endgültige Fassung des Koalitionsvertrages gibt, muss er noch von den einzelnen Parteien gebilligt werden. Merz erklärte, er hoffe, bis Ostern alle Differenzen beizulegen und Ende April endgültig Kanzler zu werden. Doch politische Beobachter bezweifeln zunehmend, dass dieser Plan aufgeht", notiert die NESAWISSIMAJA GASETA aus Moskau, mit der die internationale Presseschau endet.