
Der Schweizer TAGES-ANZEIGER zieht Bilanz: "Das Ergebnis des Treffens ist ernüchternd. Zwar ist das einstige Tabuthema, europäische Truppen auf ukrainischem Boden, auch dank des Gipfels in Paris kein Tabu mehr. Dennoch bleiben Fragen: Wo könnten solche Truppen eingesetzt werden, von wem? Der Widerwille, eigene Soldatinnen und Soldaten in der Ukraine zu gefährden, ist groß, besonders unter den Ländern, die geografisch fern der Ukraine liegen. Europa hat kein gemeinsames Ziel vor Augen, außer dass die Ukraine nicht untergehen darf. Staat für Staat steuert etwas bei: Waffen, Ausbildung, Ausrüstung, aber alles bleibt Stückwerk. Es fehlt die Kohäsion, die mutige, große Geste. Die Ukraine muss verzweifeln angesichts der Kluft zwischen Rhetorik und der Haltung der Europäer", moniert der TAGES-ANZEIGER aus Zürich.
In der russischen Zeitung KOMMERSANT heißt es: "Ein detaillierter Plan erfordert weitaus ausführlichere Diskussionen als ein paar Gespräche von Staats- und Regierungschefs in Paris. Einerseits befürwortete der französische Präsident Macron entschieden die Entsendung eines Truppenkontingents im Falle einer Einstellung der Kampfhandlungen, andererseits legte er fest, dass westliche Truppen weder an der Front stationiert noch im Falle einer Wiederaufnahme der Kampfhandlungen 'am ersten Tag gegen russische Truppen eingesetzt' würden. Darüber hinaus war nicht jedes Land tatsächlich daran interessiert, sich an einer solchen Operation zu beteiligen. Und selbst die Entschlosseneren sendeten widersprüchliche Signale", notiert der KOMMERSANT aus Moskau.
Das Fehlen der USA beim Treffen hinterlasse eine immense Lücke, meint die norwegische Zeitung AFTENPOSTEN: "Die Situation ist absurd: Die Demokratien Europas und Nordamerikas treffen sich zu wichtigen militär- und sicherheitspolitischen Beratungen über den Frieden in Europa – nur die USA sind nicht dabei. Absichtlich haben die Amerikaner die führende Rolle innerhalb des Westens abgelegt. Stattdessen kam in Paris eine sogenannte Koalition der Willigen zusammen, während die USA in Saudi-Arabien ihre eigenen Verhandlungen mit Russland führen. Präsident Trump will möglichst schnell ein Abkommen mit den Russen erzielen. Es ist keine Schande, das Gespräch zu suchen, wenn die Lage auf dem Schlachtfeld stagniert. Aber es ist ein Albtraum für die Ukraine und für Europa, dass sich die USA nicht mehr um grundlegende Werte in diesem Krieg scheren", konstatiert AFTENPOSTEN aus Oslo.
Die französische Zeitung LE FIGARO sieht die europäischen Staats- und Regierungschefs in einem Dilemma: "Trump hat sie mit seiner Vermittlung zwischen Russland und der Ukraine in eine unmögliche Lage gebracht. Er lässt Europa bewusst außen vor, obwohl ein Friedensprozess ohne sie nicht erfolgreich sein kann. Sicherheitsgarantien, die ein mögliches Waffenruheabkommen begleiten, werden auf den Schultern der Europäer ruhen. Doch in Trumps Augen bringt Europa den Vereinigten Staaten nur unnötige Probleme und Kosten. Damit befinden wir uns – wie die Ukraine – auf Kollisionskurs mit Washington", analysiert LE FIGARO aus Paris.
Aus London berichtet das Blatt INDEPENDENT hingegen folgendermaßen: "Man kann wohl sagen, dass niemand so viel für die europäische Einheit getan hat wie Trump. Die Annäherung der USA an den Kreml zwingt Europa dazu, auf eigenen Beinen zu stehen und die unabhängige Kraft in der Weltpolitik zu sein, von der die Gründerväter des europäischen Einheitsprojekts träumten."
Ebenfalls kommentiert werden die von Trump angekündigten Sonderzölle in Höhe von 25 Prozent auf alle Autoimporte. Die spanische Zeitung EL MUNDO ist überzeugt: "Die Entscheidung zeigt die Entschlossenheit des Weißen Hauses, Instabilität zu erzeugen und Politik mit Hilfe offen feindlicher Gesten zu betreiben. Logischerweise hat die EU angekündigt, mit Gegenmaßnahmen zu reagieren. All dies in einem Sektor, der bereits durch die Energiewende grundlegenden Veränderungen unterliegt und in dem China zunehmend seine Muskeln spielen lässt. Der US-Vorstoß wird die Wirtschaft erschüttern", fürchtet EL MUNDO aus Madrid.
Die belgische Zeitung DE TIJD vermerkt: "Dass ein Handelskonflikt niemandem Vorteile bringt, ist bereits bis zum Überdruss wiederholt worden. Was aber, wenn dahinter ein Plan steckt, der noch rücksichtsloser ist: Ein Versuch, das globale Handels- und Kapitalsystem umzugestalten, indem man am Kurs des Dollars herumbastelt? Das ist es, worüber sich die Finanzmärkte seit einigen Wochen Sorgen machen. Ausgangspunkt dieser Überlegung ist, dass ein starker Dollar von Nachteil für die USA ist, weil dadurch ihre Exporte weniger wettbewerbsfähig sind", fasst DE TIJD aus Brüssel zusammen.
Die mexikanische Zeitung EL FINANCIERO schreibt: "Trump schießt sich selbst ins Knie, ob er das nun beabsichtigt oder nicht. Seine angekündigten Strafzölle sind auch kontraproduktiv für die US-Wirtschaft. Offiziell rechtfertigt das Weiße Haus die Maßnahme mit der nationalen Sicherheit und der Notwendigkeit einer 'Re-Industrialisierung'. Aber Experten und Unternehmer befürchten, dass die Rechnung in erster Linie die Verbraucher in den USA in Form höherer Preise zahlen. Auch die Wettbewerbsfähigkeit der US-Hersteller wird nicht verbessert, wenn über Jahrzehnte aufgebaute Lieferketten unterbrochen oder gestört werden." So weit EL FINANCIERO aus Mexiko-Stadt zu diesem Thema.
Polen hat das Asylrecht ausgesetzt. Darauf geht die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG ein: "Polen sieht sich mit dem Problem konfrontiert, dass Belarus und Russland Flüchtlinge benutzen, um das Land zu destabilisieren. Menschenrechtsorganisationen verurteilen die polnische Härte, die Europäische Union hingegen ist erstaunlich konstruktiv. Das ist wichtig. Andernfalls würden sich die Europäer moralisch erpressbar machen. Gleichzeitig ist auch klar, wer die Verlierer dieser Politik sind: Asylsuchende, die, als Kriegsinstrumente missbraucht, an Zäunen der 400 Kilometer langen polnisch-belarusischen Grenze festsitzen", führt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus.
"Ministerpräsident Tusk und Präsident Duda handeln richtig", urteilt die RZECZPOSPOLITA aus Warschau: "Die Asylbeschränkungen sind zwar umstritten, unternehmen aber den Versuch, ein Gleichgewicht zwischen Humanität und staatlichem Schutz zu finden. So sind Kinder, Schwangere, Alte und Kranke von der Regel ausgenommen. Die Stärke der Demokratie zeigt sich nicht in fehlender Flexibilität einer Regierung, sondern in ihrer Fähigkeit, sich anzupassen, ohne ihre Werte zu verlieren."
Themenwechsel. Die Proteste in der Türkei dauern an. "Doch warum schweigt Europa?", fragt die Istanbuler Zeitung EVRENSEL: "Mehr als eine Woche ist seit der Verhaftung des Istanbuler Bürgermeisters İmamoğlu vergangen. Die europäischen Länder und die EU lassen den Prozess still über sich ergehen, abgesehen von wenigen kurzen Erklärungen. Und der wohl künftige neue deutsche Bundeskanzler Merz hielt es nicht einmal für nötig, sich überhaupt zu äußern. Genau dieses Schweigen von der EU hat Präsident Erdogan ermutigt, seinen Konkurrenten aus dem Weg zu schaffen."
"Die türkische Demokratie kämpft um ihr Überleben", betont der britische GUARDIAN: "Noch nie in den vergangenen Jahrzehnten waren die sogenannten Sicherheitsmaßnahmen in der Türkei so strikt wie aktuell. Der Taksim-Platz, die größte Touristenattraktion Istanbuls und Zentrum politischer Proteste, ist wie leer gefegt, abgeriegelt von der Polizei. Dennoch gehen spontane Proteste und Zusammenstöße mit der Polizei unvermindert weiter. Immer mehr Menschen schließen sich an - angesichts von Erdogans Handeln, das den Tiefpunkt eines jahrzehntelangen Marsches in Richtung Autokratie darstellt."