10. April 2025
Die internationale Presseschau

Das "Vor und Zurück" Donald Trumps in seiner Zollpolitik ist nach wie vor ein Thema in den Zeitungskommentaren. Viele blicken aber auch auf die gestern abgeschlossenen Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD.

Markus Söder (l-r), Ministerpräsident von Bayern und CSU-Vorsitzender, Friedrich Merz, Unions-Kanzlerkandidat und CDU-Bundesvorsitzender, und Lars Klingbeil, SPD-Fraktions- und Bundesvorsitzender, bei einer Pressekonferenz in Berlin.
Die Koalitionsverhandlungen von Union und SPD sind abgeschlossen. (Michael Kappeler / dpa / Michael Kappeler)
Die spanische Zeitung EL PAIS sieht den wohl künftigen Bundeskanzler Merz vor schweren Aufgaben. "Ein Land in der Rezession, eine Industriekrise, und keine einfachen Antworten auf den wirtschaftlichen und geopolitischen Sturm, den US-Präsident Trump ausgelöst hat. Keiner seiner Vorgänger der vergangenen Jahrzehnte – möglicherweise nicht einmal Helmut Kohl nach der Wiedervereinigung 1990 – stand vor einer vergleichbaren Aufgabe wie Friedrich Merz. Dass der Koalitionsvertrag eher bescheiden ist, darf kein Hindernis sein, dass die größte europäische Volkswirtschaft und das bevölkerungsreichste EU-Land endlich wieder die Rolle spielt, die ihm zusteht. In einer Welt mit Donald Trump, Wladimir Putin und Xi Jinping ist das nötiger denn je." Das war die Einschätzung in EL PAIS aus Madrid.
"Merz muss liefern", betont auch DIE PRESSE aus Österreich, denn: "Ihm sitzt die AfD im Nacken. Es handelt sich vielleicht um die letzte Chance der Mitte in Deutschland. Innenpolitisch wird die Koalition den Rechtspopulisten nur das Wasser abgraben können, wenn sie die irreguläre Migration in den Griff bekommt."
Die finnische Zeitung HELSINGIN SANOMAT blickt mit Skepsis auf Friedrich Merz. "Deutschlands voraussichtlich nächster Bundeskanzler hat bereits jetzt bei manchen seiner eigenen Leute das Gefühl hinterlassen, betrogen worden zu sein. Das Vertrauen der CDU-Anhänger in Merz hat vor allem durch seine Entscheidung gelitten, die Schuldenbremse zu lockern. Die Union hat sich damit der SPD gebeugt, während die Sozialdemokraten die härtere Linie der Union in der Einwanderungspolitik schlucken müssen. Es ist außerdem nicht sicher, dass Merz über die strategischen Fähigkeiten verfügt, Europa in eine neue Zeit zu führen", meint HELSINGIN SANOMAT aus Helsinki.
"Die Person Merz ist nicht unumstritten", heißt es in der japanischen Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio. "Das Misstrauen der Bevölkerung gegenüber dem ohnehin nicht populären Politiker ist größer geworden seit der Abstimmung im Bundestag Ende Januar, bei der die Migrationspläne der Union mit Hilfe der AfD eine Mehrheit erhielten."
Die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA aus Warschau äußert folgende Befürchtung: "Es stellt sich die Frage, ob die Abkehr des bisher konservativen Merz von seinen Wahlkampfversprechen und die Hinwendung zu den Parolen der SPD nicht dazu führen werden, dass die AfD so stark wird, dass sie nicht mehr isoliert werden kann. Und dass man akzeptieren muss, diese Kraft an die Macht zu lassen – für die Eliten wäre das die Erfüllung ihres schlimmsten Albtraums."
"Dieser Koalitionsvertrag ist ein großer Sieg für die SPD", meint die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG: "Obwohl sie in den Wahlen mit 16 Prozent des Stimmenanteils ihr historisch schlechtestes Ergebnis einfuhr, erhielt sie die Führung von sieben Ministerien, darunter die Ressorts für Soziales, Finanzen und Verteidigung. Der Koalitionsvertrag trägt in weiten Teilen ihre Handschrift. Doch die heimlichen Gewinner der Verhandlungen sind die Christlichsozialen. Selbst wenn die Koalition vorzeitig scheitern sollte – Söder könnte dann immer noch davon zehren, dass er für seine Leute in Bayern das Beste herausgeholt hat. Und weiter die Geschicke im Freistaat lenken." Sie hörten die NZZ aus der Schweiz.
Zum teilweisen Einlenken von US-Präsident Trump im Zollkonflikt schreibt die WASHINGTON POST: "In der Woche nach der Ankündigung seiner zahlreichen Zölle verhielt sich Trump wie der sagenumwobene König Knut - er stellte seinen Thron an den Strand und befahl der Flut, anzuhalten. Eine Woche später, als seine Beine durchnässt waren und das Wasser immer noch stieg, griff Trump nach einem Rettungsring. Mit der Ankündigung, die meisten Zölle für alle Länder außer China 90 Tage lang auszusetzen, erkannte er widerwillig die harten Realitäten der Wirtschaft, Außenpolitik und Innenpolitik an. Die Vereinigten Staaten brauchen Verbündete, um China entgegenzutreten. Um der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt in einem anhaltenden Handelskrieg die Stirn bieten zu können, braucht man alternative und zuverlässige Zulieferer", mahnt die WASHINGTON POST aus den USA.
LIANHE BAO, eine in Taipeh erscheinende Zeitung, fragt: "Will Trump Spielraum für Verhandlungen schaffen oder verabschiedet er sich gesichtswahrend von dem Zollwahn? Auf jeden Fall will er mit der Erhöhung der Zölle für die chinesischen Importe auf 125% allen zeigen: wer nicht auf meine Forderungen eingeht, wird hart bestraft. Und die 90-tägige Zollpause für andere Länder bedeutet keineswegs eine Wende von Trumps Politik. Er ordnet nur gerade ein, wer brav ist oder wer nicht. Niemand sollte sich zu früh freuen", warnt LIANHE BAO aus Taiwan.
Die australische Zeitung SYDNEY MORNING HERALD resümiert: "All dies verstärkt den Eindruck einer chaotischen und unberechenbaren Regierung, die den wechselnden Launen eines verrückten Königs unterworfen ist, was der Stabilität von Märkten und Volkswirtschaften nicht zuträglich ist. Die Turbulenzen an den Finanzmärkten haben Amerikas Ruf geschädigt und den Dollar sowie den Status des US-Anleihenmarktes als sicherer Hafen in unsicheren Zeiten untergraben. Der Schaden könnte dauerhaft sein."
Die türkische Zeitung CUMHURIYET erinnert an Folgendes: "In seiner ersten Amtszeit als Präsident hat Trump auch einen Handelskrieg gegen China begonnen. China hat gelitten, aber auch die USA. Trump hofft, den Ländern, gegen die er 'wirtschaftliches Mobbing' betreibt, seine Bedingungen aufzuzwingen und günstigere Abkommen zu erreichen. Die USA haben China in ihren Strategiedokumenten als Gegner und in NATO-Dokumenten als Hauptrivalen bezeichnet. Aber China ist zu stark, um vor Trump einzuknicken. Ja, wir erleben einen schmerzhaften Prozess, der die Weltwirtschaft in Mitleidenschaft ziehen wird, aber dieser Schmerz ist eigentlich der Geburtsschmerz einer neuen Weltwirtschaftsordnung", glaubt der Kommentator in CUMHURIYET aus Istanbul.
In der tschechischen Zeitung HOSPODARSKE NOVINY lesen wir: "In Shakespares Drama 'Hamlet' sagt Polonius: 'Auch wenn es Wahnsinn ist, so hat es doch Methode.' Doch in Trumps Wahnsinn finden nur noch diejenigen eine Methode, die ihn unkritisch vergöttern. Allein deshalb sollten wir uns mit Jubel über seine neuesten Schritte zurückhalten. Angesichts seiner Unberechenbarkeit könnte Trump die aufgeschobenen Zölle jederzeit wieder einführen. Wir in der Europäischen Union sollten uns jetzt mehr um uns selbst kümmern. Barrieren wie die langwierige Anerkennung von Zeugnissen und beruflichen Abschlüsse müssen abgebaut werden. Wir sollten das Freihandelsabkommen mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten bald in Kraft setzen und weitere mit anderen Ländern aushandeln. Je mehr solcher Schritte wir unternehmen, desto weniger kann uns der Wahnsinn im Weißen Haus gefährlich werden", findet HOSPODARSKE NOVINY aus Prag.
"Betrachtet man die Liste von Trumps Zöllen, sticht eine Sache heraus", hebt die schwedische Zeitung DAGENS NYHETER aus Stockholm hervor: "Auf den Spitzenplätzen mit den höchsten Zöllen befinden sich mehrere der ärmsten Länder der Welt. Bei Madagaskar mit einem BIP von knapp 600 Dollar pro Kopf sind es schwindelerregende 47 Prozent – und dabei besteht der Export der Inselnation vor allem aus Vanille, die sich in den USA nicht anbauen lässt. Die höchsten Zölle bekam Lesotho, vermutlich wegen eines Handelsabkommens, das afrikanische Staaten südlich der Sahara im Gegenzug für Demokratie und Menschenrechte von Zöllen befreite."
Die dänische Zeitung POLITIKEN aus Kopenhagen fällt folgendes Urteil: "Donald Trump hat eindeutig keinen Plan, ist aber bereit, die USA von seinen Gefühlen in den Abgrund steuern zu lassen. Wie lange werden die amerikanischen Wähler und die Republikaner diesem Mann noch folgen?"