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"Die Iraner wollen keine Nuklearwaffen"

"Ein demokratischer Iran wäre dem Frieden und der Abrüstung verpflichtet", sagt Reza Pahlavi, Sohn des letzten Schah von Persien und Integrationsfigur der Widerstands gegen das Regime in Teheran. Er halte diese Bewegung für "das Beste, was dem Land in seiner langen Geschichte je geschenkt wurde".

Cyrus Reza Pahlavi im Gespräch mit Jürgen Liminski | 29.03.2010
    Jürgen Liminski: Bei der Jahreshauptversammlung der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte, IGFM, wurde am vergangenen Wochenende auch die Lage im Iran erörtert. Hauptredner der Veranstaltung war der Sohn des letzten Schah, der heute 49-jährige Cyrus Reza Pahlavi. Seit der islamischen Revolution vor 31 Jahren lebt der ehemalige Kronprinz in Washington im Exil und gilt als Integrationsfigur des Widerstands gegen das Regime in Teheran. Am Rande der Veranstaltung der IGFM hatte ich Gelegenheit, mit Reza Pahlavi ein Interview zu führen. Die erste Frage zielte auf die in zwei Wochen stattfindende Konferenz zur Nachfolgeregelung des Atomwaffensperrvertrags und lautete: Braucht Ihrer Meinung nach der Iran die Atombombe?

    Cyrus Reza Pahlavi: Ich persönlich glaube, dass es nicht im Interesse des Iran liegt, die Atombombe zu erlangen, und zwar aus mehreren Gründen. Zuallererst, weil wir an den Vertrag zur Nichtverbreitung von Atomwaffen gebunden sind. Zweitens, weil wir durch natürliche Gegebenheiten und Ressourcen einen strategischen Vorteil gegenüber vielen Nachbarn haben und dieser Vorteil eben durch den Verzicht auf weitere militärische Optionen wie die Atombombe ausgeglichen werden kann. Drittens, weil ich glaube, dass die Iraner sich nicht sicherer fühlen würden, wenn sie diese Waffe hätten. Denn andere Staaten in der Region würden dann auch danach streben. Ein demokratischer Iran wäre dem Frieden und der Abrüstung verpflichtet.

    Liminski: Es wird gerne behauptet, das iranische Volk unterstütze das Regime in dem Bestreben, die Atomwaffe zu erlangen. Ist das Ihrer Meinung nach zutreffend?

    Pahlavi: Nein, das ist absolut falsch. Die Iraner wollen keine Nuklearwaffen. Wenn die Frage allerdings lautet, ob der Iran als ein souveränes Land das Recht hat, den friedlichen Gebrauch der Kernenergie anzustreben, dann verhält es sich ganz anders. Ich darf daran erinnern, dass weder die Welt, noch der Iran ein Problem mit der friedlichen Nutzung der Kernenergie hatten, bevor dieses Regime an die Macht kam. In der Tat sind es die gleichen Länder, die heute gemeinsam Druck auf den Iran ausüben, die vorher dem Iran Nukleartechnologie zum Verkauf anboten, Deutschland gehörte dazu. Was sich geändert hat, ist das Vertrauen in die Führung des Landes. Diesem Regime kann man nicht trauen, es unterstützt den Terror und ist alles andere als transparent. Es hat das Land an den Rand militärischer Vergeltungsmaßnahmen geführt. Das ist definitiv eine Quelle ernster Sorgen. Diese Sorgen haben viele Iraner. Deshalb ist es unsinnig, der Propaganda zu glauben, wonach die Mehrheit der Iraner das Regime in seinem Streben nach Nuklearwaffen unterstütze.

    Liminski: Wie denken Sie über die Opposition, die grüne Bewegung?

    Pahlavi: Ich unterstütze diese Bewegung mit ganzem Herzen. Sie gehört zum Besten, was dem Land in seiner langen Geschichte je geschenkt wurde. Sie ist deshalb so wertvoll, weil sie so pluralistisch ist wie es eben nur geht. Es ist eine Bewegung, die nicht nur die Werte der Freiheit ermessen kann, sondern die auch bereit ist, einen hohen Preis für diese Freiheit zu zahlen. Ich stehe in ernstem Austausch und vertrauensvollen Gesprächen mit Vertretern dieser Bewegung, und zwar innerhalb wie außerhalb des Landes. Ich habe ihnen jede erdenkbare Unterstützung zugesagt, damit diese Bewegung überleben kann und dem Land die Werte zurückbringt, nach denen alle streben, also Menschenrechte und Demokratie in unserer Heimat.

    Liminski: Wie könnte Iran denn zur Freiheit zurückfinden?

    Pahlavi: Nun, es ist klar, wenn sie es mit einem extrem repressiven Regime zu tun haben, dann ist es außerordentlich schwierig, offen irgendeine strukturierte Organisation zu zeigen. Das wird sofort zerschlagen. Deshalb ist die Opposition gezwungen, aus dem Untergrund heraus zu operieren und sich eher auf zivilen Ungehorsam zu verlegen, denn auf anhaltende, tägliche Straßenproteste. Solch ein Widerstand hat sein Auf und Ab, aber die grüne Bewegung ist deshalb keineswegs tot.
    Wichtig ist es auch zu sehen, inwiefern zusätzliche Faktoren dieser Bewegung Kraft verleihen können, und zwar sowohl innerhalb des Iran als auch von außerhalb. Hier könnte die internationale Gemeinschaft durchaus zum Erfolg der Bewegung beitragen.

    Liminski: Kann auch Deutschland oder Europa solch ein zusätzlicher Faktor sein?

    Pahlavi: Selbstverständlich. Nehmen Sie nur zum Beispiel Sanktionen, aber an diesem Punkt würde ich gerne eine Überlegung mit politischen Entscheidungsträgern erörtern. Sie können dieses klerikale Regime nämlich nicht mit reinen wirtschaftlichen Sanktionen entscheidend unter Druck setzen. Viel entscheidender ist der innere Druck, und das müsste bei den Regierungen, die Druck ausüben und der Freiheit im Iran zum Sieg verhelfen wollen, unbedingt ins Kalkül gezogen werden. Das heißt erstens, Sanktionen beschließen, die das Regime treffen und nicht den zivilen Teil der Bevölkerung. Zweitens, bestimmte Einheiten und Teile des Regimes unter Druck setzen, statt weiter Geschäfte mit ihnen zu machen. Ich denke da an die technische Unterstützung, die das Regime von Unternehmen wie Nokia oder Siemens erhalten hat. Diese Technologie hat dem Regime geholfen, den Internet-Zugang zu sperren, oder die Kommunikation des Volkes abzuhören. Vielmehr sollten diese Firmen den Menschen im Iran helfen, Blockaden zu überwinden. Hier sind direkte Kontakte, die Solidarität von Volk zu Volk jenseits der Möglichkeiten einer Regierung, außerordentlich hilfreich. Ich denke dabei auch an regierungsunabhängige Organisationen, die auf die Lage politischer Gefangener aufmerksam machen, auf das Fehlen jeder Rechte vor Gericht, oder auf deren notwendige und verwehrte medizinische Versorgung. Das mag alles langwierig sein und das sind auch nur einige Beispiele.

    Liminski: Es wurde schon oft gesagt, das Regime sei am Ende. Aber es ist noch immer an der Macht. Würden Sie wagen, eine Prognose auf das Ende der Leidenszeit für das Volk und das Ende dieser Diktatur abzugeben?

    Pahlavi: Wir haben in der Geschichte schon oft Situationen erlebt, in denen die Umstände uns getäuscht haben. Ich persönlich hätte zum Beispiel nie geglaubt, dass ich zu Lebzeiten noch den Fall der Berliner Mauer und den Zusammenbruch des Kommunismus erleben würde, und nun ist das schon zwei Jahrzehnte her. Wer in diesem Licht die Lage im Iran betrachtet, die Zeichen des Verfalls und der Absetzbewegungen selbst innerhalb der Führungszirkel des Regimes sieht, der muss sich sagen, das Ende ist nah. Aber der kritische Punkt, der große Unterschied zu 1979 im Iran ist, dass heute nicht so sehr zählt, was das Volk nicht will, sondern was es anstrebt, welche Alternativen es sieht, wohin es gehen will. Die Alternative ist entscheidend. Ich schlage in diesem Sinn ein demokratisches System vor, auf der Grundlage eines säkularen Staates. Mit anderen Worten: die Trennung zwischen Religion und Staat muss völlig klar und eindeutig sein. Das ist der Schlüsselfaktor, um sowohl Demokratie als auch Menschenrechten wirklich Vorrang einzuräumen. Nur so kann der Wille des Volkes wirklich repräsentiert werden und nur so kann es dauerhaft Stabilität für das Land und seine Nachbarn geben.
    Demokratien führen keinen Krieg gegeneinander. Ganz anders das jetzige Regime, das den radikalen Islam mit terroristischen Mitteln exportiert und das demnächst möglicherweise mit der Atombombe in der Hand versuchen wird. Das ist die Alternative, vor der der Iran und die Welt stehen. Ich glaube, die friedliche Alternative ist nicht weit, sie ist machbar, vorausgesetzt natürlich, dass entscheidende Maßnahmen getroffen werden, um diese friedliche Alternative zu unterstützen.

    Liminski: Wie sehen Sie Ihre eigene Funktion in diesem Kontext oder in einer künftigen Demokratie? Ihr Vater hat ja bekanntermaßen keine Demokratie regiert.

    Pahlavi: Nun, zuallererst: es geht nicht um mich und ich hoffe, dass das iranische Volk versteht, was mich bewegt und was meine Aufgabe ist. In diesem Sinn sprechen meine Vergangenheit und meine Worte für sich selbst. Ich bewerbe mich um kein Amt. An diesem Punkt der Geschichte unseres Landes mache ich alles, was ich kann als Iraner. Und auch wenn manche Erwartungen auf mich gerichtet sein mögen, ich will dazu beitragen, dass es freie Wahlen im Iran gibt, dass das iranische Volk wirklich frei entscheiden kann, was es will. Freie Wahlen - das ist das Ziel meiner politischen Mission. Nach diesem Tag bin ich natürlich bereit, dem Volk in der Funktion zu dienen, in der es mich künftig sehen will. Wenn nicht, ist meine Arbeit getan und ich kann mir guten Gewissens sagen, der Patriot hat seine Schuldigkeit getan, der Patriot kann gehen.

    Liminski: Entscheidend ist der innere Druck auf das Regime. Das war der Sohn des letzten Schah Reza Pahlavi im Interview mit dem Deutschlandfunk am Rand der Jahrestagung der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte in Bonn.