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Die isländische Band Mammut
Dunkel, samtig, voller Emotionen

Manchmal klingt Mammut etwas nach der frühen Björk. Sonst aber ist die 2003 als Frauentrio gegründete und inzwischen um einen Gitarristen und Schlagzeuger erweiterte Band aus Island mit eigenständigem epischem, manchmal psychedelischem Indie-Rock erfolgreich. Neuerdings sogar in englischer Sprache.

Von Anja Buchmann |
    Zwei Männer und drei Frauen stehen im rotgetauchtem Licht und schauen in die Kamera.
    Ihre Songs schreiben die Fünf meist zusammen (Saga Sig)
    Musik: "Walls"
    Ursprünglich waren es zwei Trios, eines davon ein rein weibliches namens ROK. Bindeglied beider Bands: Sängerin Katarina Mogensen, durch sie sind beide zu einem Quintett zusammen gewachsen. Und der erste gemeinsame Gig kam so zustande.
    "Kata hat an einem Gesangswettbewerb teilgenommen - und dafür hat sie beide Bands zusammen gebracht. Wir kannten uns noch nicht, das war dann einfach so. Hi, ich bin Arnar, schön dich kennen zu lernen. Lass uns auf die Bühne gehen. Und das haben wir gemacht und den Wettbewerb gewonnen."
    So einfach wie es klingt, war es tatsächlich. Es gab keine ausgiebigen gemeinsamen Proben, nur ein paar Absprachen. Persönlich und auf der Bühne haben sich die fünf Musikerinnen und Musiker sofort verstanden.
    "Und es ist wirklich witzig und fast schicksalhaft: Zwei Bands, eine davon mit Gitarre und Bass, die andere mit Gitarre und Schlagzeug. Also zwei merkwürdige Bands… die zusammenkamen und eine perfekte Band bildeten."
    Musik: "Kinder Versions"
    "Kinder versions" aus dem gleichnamigen aktuellen Album von Mammut, im Sommer 2017 veröffentlicht. Sängerin und Textschreiberin Kata Mogensen:
    "Im Text heißt es: I'm bringing all my stories back, erasing all the kinder versions of my past. Es geht um einen Konflikt zwischen: Die verklärten Erinnerungen auszulöschen und sie dennoch zu erinnern. Es geht dabei um verschiedenste Momentaufnahmen, Erinnerungen; eine Sammlung von vergangenen Situationen, die ich reflektiere."
    "In Island ist nicht viel Geld in der Musikindustrie"
    Vergangenheit" sind auch isländische Songtexte: Drei Alben haben die Musikerinnen und Musiker bisher in ihrer Heimatsprache veröffentlicht. Mammut 2006, Karkari 2008 und 2013 das mit dem Icelandic Music Award dekorierte "Komdu til mín svarta systir" (komm zu mir, meine dunkle Schwester). Daraus der Song "Salt", der bei den Awards auch als Song des Jahres ausgezeichnet wurde. Beginnend mit einer sanften Gitarrenfigur, unterlegt mit stoischem Schlagzeug-Beat, darüber die klare, hohe Stimme von Kata Mogensen - ein typischer Mammut Song. Dunkel-samtig, stetig an Intensität gewinnend bis zu geräuschhaften Parts mit schweren Gitarren und schließlich sirenen-artigem Gesang.
    Musik: "Salt"
    "In Island gibt es nur einen sehr kleinen Musikmarkt. Es gibt im Prinzip keine Musik-Industrie, einfach nur viele Musikerinnen und Musiker. Es gibt keine Major-Labels, nur etwa drei Labels überhaupt und das sind auf jeden Fall Indie Labels. Insofern ist da nicht viel Geld in der Musikindustrie."
    Ihr erstes Album haben die fünf Musikerinnen und Musiker beim heimischen "Smekkleysa" oder "Bad Taste records" heraus gebracht. Das bekannteste Label in Island, gegründet u.a. von Mitgliedern der Sugarcubes, mit Veröffentlichungen von Sigur Ros, Björk oder Gus Gus.
    Neue Song-Sprache Englisch
    Mit ihrem aktuellen Album "Kinder Versions" ist Mammut zum ersten mal bei einem britischen Label unter Vertrag und bietet durchgängig englische Texte.
    "Wir wollen auch weg von Island - oder, nicht wirklich "weg", aber wir wollen ein größeres Publikum erreichen.
    Es ist doch so: Die Menschen wollen wissen, was wir singen und wir wollen, dass die Menschen es wissen. Ich meine, mehr Menschen auf der Welt sprechen besser "klingonisch", die Star Trek-Sprache, als isländisch. Also macht es keinen Sinn mehr, auf isländisch zu singen. Naja, es hat Sinn gemacht, zumindest für drei Alben. Aber beim vierten Album - Du möchtest einfach nicht nur 300.000 Menschen in der Welt ansprechen. Das fühlt sich fast ignorant an."
    Deshalb also: englische Texte. Ein Novum für Kata Mogensen. Aber dadurch, dass viele Isländer ausgezeichnet englisch sprechen, war es letztlich nicht so schwer. Zumal, wie sie sagt, aufgrund der langen Tradition englischsprachiger lyrics ein guter Referenzrahmen besteht. Mogensen schreibt keine einfachen, klar umzäunten Texte, sie arbeitet mit Bildern und lässt immer Raum für verschiedene Interpretationen - so auch bei "Pray for Air", in dem sie mit dem Gegensatzpaar "water" und "air" spielt. Gefangen im Wasser und nach Luft schnappend.
    Musik: "Pray For Air"
    "Ich bin müde, immer wieder mit Björk verglichen zu werden"
    Wenn eine Sängerin aus dem europäischen Norden kommt, am besten natürlich aus Island, dann wird sie gleich mit Björk verglichen - okay, mit Ausnahme von Eliana Torrini, die klingt dann doch zu anders. Genau das passiert auch Kata Mogensen immer wieder. Und bei aller Eigenständigkeit der Musik von Mammut. Ein Bezug lässt sich schwer von der Hand weisen: Nicht nur, dass Mogensens Vater Birger gemeinsam mit Björk in der Band KUKL gespielt hat und sie früh Kontakt zu Björk hatte - die ihr sogar mal einen Song widmete. Nein, nicht nur das - die Stimme klingt manchmal verblüffend ähnlich. Auch wenn Kata Mogensen diesen Vergleich nicht mehr hören kann, wie sie vor ihrem Auftritt beim Haldern Pop 2017 Backstage erzählt hat.
    "Ich leugne es nicht, ich bin nur müde, immer wieder mit Björk verglichen zu werden. Aber ich leugne es nicht, ich höre ihre Musik sehr gern. Sie ist die Königin, die Pionierin einer neuen musikalischen Ära. Und ich weiß auch, dass es Einflüsse gibt. Der Akzent oder die Art wie ich singe. Natürlich kann das schmeichelhaft sein, aber es ist doch so: Wenn Du Björk bewunderst, dann willst sie bestimmt nicht kopieren. Denn sie steht für Originalität. Ich hoffe, irgendwann wird mich mal jemand nicht danach fragen."
    Dennoch - bei einigen Songs fällt es schwer, nicht daran zu denken. Besonders der Beginn von "We tried love", der melodisch und fast folmusikartig im Vierviertel-Takt beginnt, dann in einen gemütlichen Walzer übergeht, um schließlich (wieder im Vierer) kräftig die verzerrten Gitarren anzuschmeißen. - Wenn da nicht Björks Gesang in den Sinn kommt.
    Musik: "We Tried Love"
    Neues Genre: "Dramapic"
    "Wir sind nicht wirklich dramatische Menschen - aber es kommt manchmal durch und wir sind schon ein bisschen melancholisch. Also, in unserer Musik: melancholisch und dramatisch. Und dramatisch und episch - das passt ganz gut zusammen. Dramapic vielleicht... so könnte man unser Genre nennen."
    Auf- und abschwellend, zwischen brüchig und kraftvoll und voller starker Emotionen ist der "Dream-Rock" von Mammut: Mal klingen sie repetitiv-schamanisch, mal psychedelisch, mal melodisch, mal dezent elektronisch. Aber niemals halbherzig. Ihre Songs schreiben die Fünf meist zusammen; eine bringt eine Idee in die Band und sie entwickeln gemeinsam ein Arrangement - an dem zuweilen recht lange herum gearbeitet wird, wie beim zarten Song "Bye Bye".
    "Es ist auf meinem Laptop aufgenommen. Mit dem kleinen internen Mikrofon. Also einfach in meinem kleinen Schlafzimmer, mit Garage Band."
    Arnar: Es ist der einzige Song, wo Andri und ich auch singen. Wir haben einfach ein paar Dinge hinzugefügt."
    "Wir haben viel daran rum gewerkelt. Und wir überlegten Monate lang, was wir damit machen wollen. Wir haben total viel ausprobiert, es größer und kleiner gemacht. Und letztlich haben wir es genauso gelassen wie am Anfang. Es ist das ursprüngliche Demo."
    Musik: "Bye Bye"
    Kollektive Audio- und Videoarbeit
    "Wir sind auch alle sehr im Studioprozess involviert. Da passiert einfach eine Menge. Wir sitzen dem Toningenieur quasi im Nacken und rufen immer: Versuch dies, versuch das, mach das anders."
    Den Weg von der Keimzelle bis zur fertigen Aufnahme eines Songs geht die Band gemeinsam. Ein basisdemokratisches Kollektiv par excellence.
    "Außerdem haben wir drei visual artists in der Band, die Frauen in der Band haben Grafik/Design und bildende Kunst studiert. Also kümmern wir uns auch um die visuellen Aspekte - wir sind wie ein Kunst-Kollektiv. Vor fünf Jahren etwa haben wir festgestellt, dass wir das auch gern selbst machen möchten. Also wir haben so etwas wie eine selbst erschaffene 'Mammut-Welt'."
    2014 gab es das erste, selbst kreierte Musikvideo zu einem Mammut Song, der auch gleich beim Northern Wave Film Festival ausgezeichnet wurde. "Þau Svæfa" heißt es und spielt mit Bildern einer schwangeren Kata Mogensen, im Wasser liegend, mit Bildern eines Mannes, dessen Körper in manchen Einstellungen schwer von ihr zu unterscheiden ist, schnelle Schnitte, Liebes- und Schmerzszenen zum Teil unter Wasser, ein Eidotter, der geöffnet wird, Münder, Zungen, Schreie.
    Musik: "Þau Svæfa"
    Keines der Bandmitglieder von Mammut lebt allein von der Musik, alle haben hauptsächlich andere Jobs. Kata Mogensen etwa besitzt einen Bachelor in "Bildender Kunst und Textil" und arbeitet neben der Musik als Performerin und Videokünstlerin.
    Mit einer Crowdfunding-Aktion finanziert
    Ihr letztes Album "Kinder Versions" haben die Mammuts mit einer crowdfunding-Aktion finanziert und nun hoffen sie, dass ihnen der Wechsel zur englischen Sprache und zum englischen Label mehr Aufmerksamkeit bringt. Aber abgesehen davon geht es ihnen vor allem um eins, wie Gitarrist Arnar und Bassistin Asa erklären.
    "Es ist dieses besondere Gefühl - diese zwei Momente, wenn man einen Song komponiert, an dem man lange arbeitet, und dann plötzlich passt alles zusammen und es entsteht dieses spezielle Gefühl, das man nirgendwo anders bekommt. Und wenn Du Auftritte hast, gibt es auch diese Momente, wo alles richtig ist. Du weißt nicht genau, was es ist, das Dir einen solchen Auftrieb gibt, aber Du musst dann weiter machen."
    "Du bist abhängig von diesem Gefühl. Das bedeutet auch viel Arbeit, Anstrengung, Herumreisen und so weiter, nur um diese kleinen Momente zu erleben. Wie ein Junkie, du machst immer weiter, um diesen Schuss wieder zu bekommen."
    Musik: "The Moon Will Never Turn On Me"
    "Wenn Du das auf der Bühne machst, dann lebst du in dem Song.
    Das kann sehr anstrengend sein, es ist fast therapeutisch. Der Text, die Musik, der Rhythmus - Du lebst das Ganze für vier Minuten, es ist nicht nur "spielen".
    Wenn Du zum Beispiel die Songs anderer Musiker singst, ist das komplett anders. Dann singst Du sie einfach nur. Und bei eigenen Liedern tauchst Du völlig in sie hinein. Das ist das Besondere für uns und vielleicht auch für das Publikum, wenn diese Emotionen deutlich werden. Das ist unsere Stärke."
    Musik: "Breathe Into Me"