Auf den Bildern nach ihrer Verhaftung im Sommer wirkt Nadjeschda Sawtschenko burschikos und voller Energie: Kurze Haare, kräftiger Oberkörper, ein enges T-Shirt mit dem Wappen der Ukraine. Als sie im Dezember in Moskau in einen Gerichtssaal geführt wurde, schleuderte sie den Fernsehkameras entgegen: "Mir ist euer Russland über mit seinen verlogenen Gerichten."
Nach Auskunft ihres Anwalts, Nikolaj Polozow, ist Sawtschenko bis heute ungebrochen, aber: "Sie ist seit fast zwei Monaten im Hungerstreik und hat rund 20 Kilo Gewicht verloren. Die Kleidung hängt an ihr herunter wie ein Sack."
Die 33-jährige Sawtschenko ist in Russland wegen Beihilfe zum Mord an zwei Mitarbeitern des russischen Fernsehens angeklagt. Die beiden Männer starben im Juni bei einem Granatenangriff an einem Checkpoint nahe der Stadt Luhansk in der Ostukraine. Sawtschenko, Kampfpilotin der ukrainischen Armee, kämpfte damals als Freiwillige an der Front. Per Telefon soll sie den Schützen den Aufenthaltsort der beiden Fernsehmitarbeiter durchgegeben haben. Unhaltbare Vorwürfe, sagt ihr Verteidiger Polozow.
"Anhand der Mobilfunkdaten haben wir den Aufenthaltsort von Nadeschda Sawtschenko rekonstruiert, ebenso den Aufenthaltsort der getöteten Journalisten. Ein Gutachten hat ergeben, dass sich beide Orte nicht überschneiden. Außerdem geht aus den Mobilfunkdaten hervor, dass Nadjeschda Sawtschenko bereits eine Stunde vor dem Tod der Journalisten gefangengenommen wurde."
Gefangengenommen von Separatisten. Die russischen Ermittler wollen davon nichts wissen. Sie werfen der Soldatin vor, die Grenze nach Russland eigenständig illegal überquert zu haben. Sawtschenko dagegen sagt, sie sei nach Russland entführt worden.
Ihr Fall wird von allen Seiten politisch instrumentalisiert. Die Partei Bjut der ukrainischen Politikerin Julia Timoschenko setzte Sawtschenko im Herbst zur Parlamentswahl in der Ukraine an die Spitze ihrer Parteiliste. Die Kampfpilotin wurde in Abwesenheit gewählt und ist nun Abgeordnete der Rada.
Faustpfand bei Verhandlungen
Russland seinerseits benutzt Sawtschenko als Trumpfkarte in der Auseinandersetzung mit dem Westen. Das war letzte Woche beim Europarat in Straßburg zu erleben. In dessen Parlamentarischer Versammlung rang die russische Delegation darum, das ihr bereits im Herbst wegen des Ukrainekrieges und der Krim-Annexion entzogene Stimmrecht wieder zu erhalten. Der Vorsitzende der russischen Delegation, Aleksej Puschkow, schlug vor, eine Delegation der Europaratsabgeordneten zu Sawtschenko reisen zu lassen.
"Das geht aber nur, wenn die russische Delegation in der Parlamentarischen Versammlung verbleibt. Wenn wir bis Ende 2015 gehen, kann unser Vorschlag nicht umgesetzt werden."
Aus Sicht von Anwalt Polozow hat der Fall Sawtschenko mit Recht schon lange nichts mehr zu tun. Er appelliert an die politischen Eliten im Ausland.
"Meiner Ansicht nach kann nur eine konsolidierte Position des Westens zugunsten der Ukraine dazu führen, dass der Fall Sawtschenko sich ins Positive wendet. Angela Merkel oder Francois Hollande oder Barack Obama könnten zu Putin gehen und sagen: 'Wladimir, warum hältst du diese Frau fest, lass sie frei. Du weißt doch, dass du im Unrecht bist.' Dann passiert vielleicht etwas."
Der Anwalt geht davon aus, dass ein Moskauer Gericht die Untersuchungshaft für Sawtschenko heute ein weiteres Mal bis Mitte Mai verlängern wird.