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"Die Kanzlerin ist nicht mit 690.000 Euro erpressbar"

Die Parteien seien zur Finanzierung ihrer Arbeit auf Großspenden angewiesen, sagt der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion Michael Fuchs. Eine Begrenzung von Parteispenden, wie von Transparency International gefordert, hält er für problematisch.

Michael Fuchs im Gespräch mit Bettina Klein | 16.10.2013
    Bettina Klein: War es das also für die Träume von einem schwarz-grünen Bündnis im Bund, den ja der eine oder andere immer noch hegt, obwohl ja alle bei den Vermutungen sich darauf bereits festgelegt hatten, dass die Reise hin zu einer schwarzen Koalition im Bund geht. Die Grünen haben jedenfalls nach den gestrigen fast siebenstündigen Beratungen verkündet, sie wollen keine weiteren Gespräche führen. Damit scheint der Zug abgefahren zu sein, und darüber möchte ich jetzt sprechen mit Michael Fuchs von der CDU. Er ist zugleich stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Deutschen Bundestag. Guten Morgen, Herr Fuchs.

    Michael Fuchs: Guten Morgen, Frau Klein.

    Klein: Sie waren gestern nicht dabei, muss man sagen. Sie haben sich aber natürlich informiert, wie die Gespräche abgelaufen sind. Ist die Union ein wenig traurig, dass für die Grünen schon alles vorbei ist, denn so klang es ja gerade auch von Generalsekretär Gröhe, und von Herrn Seehofer hat man ja die gute Atmosphäre betont und wie aufgeschlossen man eigentlich gewesen sei.

    Fuchs: Ja, das ist erstaunlich. Das hatten wir eigentlich so (und ich erst recht) nicht erwartet, dass die Atmosphäre nicht nur positiv ist, sondern dass es auch inhaltlich durchaus Annäherungen gab, mit denen wir so nicht gerechnet haben. Aber es gibt natürlich noch viel Trennendes. Was mich aber erstaunt und erfreut hat, war die Äußerung von Herrn Özdemir - den habe ich ja gerade eben im Deutschlandfunk gehört -, der gesagt hat, na ja, wenn das mit der SPD nicht klappen würde, wenn Schwarz-Rot nicht zustande käme, dann sei auch da die Tür nicht zugeschmissen oder zugeworfen worden, sondern man könne dann unter Umständen noch mal miteinander reden.

    Klein: Ich höre bei Ihnen da durchaus Resthoffnung auch durch?

    Fuchs: Es hat sich durch diese Verhandlungen ganz sicher was verändert im Verhältnis zwischen den beiden Parteien, besonders zwischen der CSU und den Grünen.

    Klein: Ich höre da bei Ihnen eine Resthoffnung jedenfalls durch, Herr Fuchs?

    Fuchs: Das heißt jetzt nicht unbedingt Hoffnung. Ich gehe jetzt mal davon aus, dass wir zu vernünftigen Vereinbarungen mit der SPD kommen werden. Das ist auch notwendig, das ist staatspolitische Verantwortung. Wir können dieses Land nicht ewig ohne eine Regierung lassen. Die CDU/CSU hat mit 41,5 ein gewaltiges Ergebnis eingefahren und auf der Basis 41,5 zu 25,7 müssen wir jetzt die Koalitionsverhandlungen führen. Das werden wir tun und in Verantwortung gemeinsame Lösungen finden.

    Klein: Haben Sie denn als Union das Gefühl, dass Sie so weit gegangen sind in diesen Sondierungen gestern, um darauf noch mal kurz zu schauen, wie Sie nur gehen konnten, um ein solches Bündnis möglich zu machen, wenn sich das ja offenbar nun doch der eine oder andere auch in der Union gewünscht hat?

    Fuchs: Ich gehe mal davon aus, dass wir die Offenheit hatten, mit den Grünen wirklich ernsthaft zu sprechen. Sonst hätten ja die Gespräche auch gar nicht so lange gedauert. Dann hätte man sich sofort verhakt und dann wäre das Thema beendet gewesen. Es war der Wille da, zu Lösungen zu kommen. Vielleicht ist die Zeit nicht reif. Die Grünen befinden sich ja, ich nenne es mal, in einem Häutungsprozess zurzeit. Man weiß ja heute nicht so genau, wer morgen da noch das Sagen hat, denn es gibt ja sicher eine ganze Menge von Veränderungen in der nächsten Phase. Allein dadurch ist es schwierig gewesen, mit den Grünen jetzt schon zu einem konkreten Abschluss zu kommen. Das mag durchaus sein, dass das aber ein positiver Hinweis für Hessen ist. Da bin ich eigentlich fast von überzeugt, dass wir in Hessen vielleicht schon eher zu einer Lösung kommen, weil da auch die Unsicherheit, wer nun die Partei führt und wie sich die neue Struktur darstellt und wer offen für was ist, nicht gegeben ist. Im Bund ist das momentan etwas schwierig, weil ja doch eine ganze Reihe der alten Kameraden dort zurücktreten.

    Klein: Aber die Tür ist nicht komplett zu, sagt Cem Özdemir, …

    Fuchs: Im Gegenteil.

    Klein: …, und damit bleibt auch noch so ein bisschen Druckmittel jedenfalls in der Hand der Kanzlerin für die künftigen Verhandlungen mit der SPD. Verstehen wir das richtig?

    Fuchs: Ich sehe das jetzt gar nicht so als Druckmittel. Ich finde es einfach wichtig, dass wir schon aus staatsbürgerlicher Räson, aus staatspolitischer Vernunft jetzt Lösungen mit der SPD finden, und zwar schnell. Es kann nicht sein, dass dieses Land monatelang ohne eine stabile Regierung ist und wir quasi geschäftsführend die Regierung weiterführen müssen. Das tut Deutschland nicht gut, das ist in Europa nicht gut, das ist ja sogar in der gesamten Weltsituation, Stichwort Amerika und Shutdown der Regierung etc., nicht gut. Dieses muss so möglich sein, dass die Kanzlerin sehr schnell auch auf diese europäischen und amerikanischen Situationen reagieren kann.

    Klein: Das ist jetzt ein zweiter Schritt vor dem ersten. Da muss man vielleicht erst mal abwarten, was dort passiert. Aber Tatsache ist ja, Herr Fuchs: Der Wähler und die Wählerin, sie stehen dreieinhalb Wochen nach der Bundestagswahl ratlos da und wissen nicht, was mit ihrem Votum passieren wird. Sie haben es angedeutet: Es muss eine rasche Regierung gebildet werden. Wovon gehen Sie denn jetzt aus bei den nächsten Gesprächen mit der SPD, die ja schon am Donnerstag, also morgen, stattfinden sollen?

    Fuchs: Ich gehe davon aus, dass wir jetzt die wesentlichen Themen identifizieren, wo wir Gemeinsamkeiten haben, dass wir die Themen auch identifizieren, wo wir in Koalitionsverhandlungen – da geht es ja dann auch ins Detail hinein – noch Unterschiede haben, die wir aber abräumen müssen, die wir abräumen müssen in Kompromissbereitschaft. Das ist mir klar. Ich habe ja schon Koalitionsverhandlungen hinter mir, ich weiß, wie das geht. Und wir werden da Kompromisse ausloten müssen. Das fängt beim Mindestlohn an, geht bei Finanzierung diverser sozialer Maßnahmen weiter, geht um die Steuerpolitik und es geht um die Energiepolitik. Die Energiepolitik wird ein ganz, ganz wichtiges Thema sein, denn es kann nicht sein, dass wir Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen in Deutschland ständig weiter belasten. Da müssen wir Lösungen finden.

    Klein: Herr Fuchs, Sie haben jetzt noch mal schön die allgemeine Darstellung hier wiederholt und ein paar Beispiele genannt. Aber es geht ja am Ende ums Detail und ums Konkrete, und ganz am Anfang Ihrer Liste stand jetzt auch das Thema Mindestlohn. Da habe ich von Ihnen schon vor ein paar Tagen gelesen, Sie seien durchaus einverstanden mit einer Regelung, Arbeitgeber und Gewerkschaften einigen sich, der Bundestag würde das dann für allgemein verbindlich erklären. Die SPD sagt schon: Moment mal, nicht so schnell, 8,50 Euro flächendeckend. Darüber lassen wir mit uns nicht verhandeln, sagte zumindest gestern zum Beispiel Ralf Stegner. Wie groß ist die Hürde denn noch? Da muss sich die Union ja offenbar auch bewegen, so wie es jetzt aussieht.

    Fuchs: Die Union hat sich ja bewegt. Wenn Sie vor zwei oder drei Jahren gesagt hätten, wir sind für einen flächendeckenden Mindestlohn, egal wie er zustande kommt, dann wären Sie wahrscheinlich mit mindestens drei Tagen Klassenkeile versehen worden. Heute ist die Situation anders. Mein Vorschlag ist der: Diejenigen, die für die Tarife verantwortlich sind, die wollen wir ins Boot holen, die wollen wir in die Verantwortung nehmen. Ich möchte, dass die Arbeitgeber und die Gewerkschaften sich zusammensetzen, uns einen Vorschlag machen und sagen, passt auf, das ist in Deutschland verkraftbar, das können die Betriebe zahlen, das reicht auch für die Arbeitnehmer und das ist ein Tarif, den wir dann allgemein verbindlich erklären, ins Entsendegesetz aufnehmen und damit auch verhindern, dass ausländische Arbeiter aus Zeitarbeitsfirmen aus dem Ausland in Deutschland weniger verdienen. Damit wäre etwas Flächendeckendes erreicht. Das halte ich für einen vernünftigen Vorschlag. Die Tarifautonomie hat in Deutschland dazu geführt, dass wir Frieden in den Betrieben hatten, und deswegen gehe ich davon aus, dass die Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände auch sehr verantwortungsvoll da rangehen und uns einen vernünftigen Vorschlag machen. Warum wir jetzt als Politik entscheiden sollen, das erschließt sich mir nicht. Die Politik weiß nicht, wie es in den Betrieben aussieht. Es ist besser, wenn die Gewerkschaften und die Arbeitgeber das machen.

    Klein: Die nächsten Verhandlungen und Gespräche werden es zeigen, spätestens morgen. – Wir sprechen mit dem CDU-Politiker Michael Fuchs und ich würde gerne noch auf ein anderes Thema heute Morgen eingehen, das durchaus auch mit Finanzen zu tun hat. Gestern ist bekannt geworden, auf der Bundestags-Internetseite veröffentlicht, es gab eine Parteispende von drei Personen, Großaktionäre von BMW, von mehr als 600.000 Euro an die CDU. Sie haben es vielleicht mitbekommen: Die Opposition ist empört. Transparency fordert bereits wiederum, die Parteispendenhöhe zu kappen, und sagt, auch der Bundespräsident muss einschreiten, wir brauchen eine Parteispendenkommission, die das erneut regelt. Das Thema kommt in schönen Abständen immer wieder auf die Tagesordnung. Muss das Ziel sein, Herr Fuchs, in jedem Fall den Eindruck zu vermeiden, auch wenn es nur der Eindruck sein sollte, Politik ist käuflich?

    Fuchs: Erstens ist Politik jedenfalls nicht durch so was käuflich. Das halte ich für völlig falsch. Die Familie Quandt ist mit der CDU oder steht der CDU sehr nahe und hat in allen Jahren über 20 Jahre zurück gesehen immer Spenden an die CDU gegeben. Die Parteien allesamt, von der SPD über die Grünen etc., sind auf Spenden angewiesen. Ich darf nur darauf hinweisen, dass in den letzten zehn Jahren die SPD von der Firma BMW fast fünf Millionen Spenden erhalten hat - also es ist nicht so, als hätte das ausschließlich die CDU bekommen -, zwischen 2002 und 2013. Und man muss einfach klar feststellen: Die Parteien müssen sich in irgendeiner Weise finanzieren, sonst können sie ihre Leistungen für Bürgerinnen und Bürger, für die Partei, für die Politik nicht erbringen.

    Klein: Sie schließen aus, dass es irgendeine Art von Einflussnahme gibt, die über Spenden in dieser Höhe ausgeübt werden kann?

    Fuchs: Ich bitte Sie! Die Kanzlerin ist nicht mit 690.000 Euro erpressbar oder beeinflussbar. Und es ging auch gar nicht darum. Es ist ja so, dass in jedem Jahr, in dem Bundestagswahlen waren, die Familie Quandt Parteispenden an die CDU gegeben hat.

    Klein: Das spricht aber eher für einen größeren Einfluss als für einen kleineren!

    Fuchs: Nein. Sie hat das ja auch gemacht in Zeiten, als wir in der Opposition waren, in denen wir gar nichts erreichen konnten. In der Opposition ist es ja ein bisschen schwierig, die Politik zu gestalten. Deswegen hat ja auch Franz Müntefering mal völlig zurecht gesagt, Opposition ist Mist.

    Klein: Und irgendwann ist man wieder auf der Regierungsbank und dann weiß man, was man zu tun hat, vermuten oder befürchten viele.

    Fuchs: Nein, nein, das greift nicht durch. Die Firma BMW als derjenige, der die Dividenden ausschüttet, hat ja ebenfalls Spenden auch an die SPD gegeben. Sie hat auch Spenden an die CSU gegeben, an die FDP gegeben. Alle haben Spenden bekommen.

    Klein: Aber offenbar nicht in der Höhe und nicht auf einen Schlag und nicht gerade jetzt im Zusammenhang mit einer umstrittenen Entscheidung auf europäischer Ebene?

    Fuchs: Die Familie Quandt hat jeweils nach der Bundestagswahl gespendet, und zwar nicht nur dieses Mal, sondern auch beim letzten Mal, beim vorletzten Mal und beim vorvorletzten Mal. Das haben die jedes Mal so gehandhabt, nicht vor der Wahl, ganz bewusst auch nicht vor der Wahl. Das finde ich in Ordnung. Es ist besser, das nach der Wahl zu tun als vor der Wahl.

    Klein: Herr Fuchs, meine Frage war ja: Sind Sie der Auffassung, dass an dem Eindruck etwas verändert werden muss, oder dass es darum geht, auch nur den Anschein zu erwecken. Das heißt, besteht beim Thema Parteispenden aus Sicht der Union, aus Ihrer Sicht Handlungsbedarf, wie etwa Transparency das fordert?

    Fuchs: Ich habe ja gehört, dass Transparency fordert, dass maximal noch Spenden von 50.000 Euro gegeben werden. Dann müssen wir überlegen, wie die Parteien sich zu finanzieren haben. Wenn diese Großspenden nicht kommen, müssen wir andere Finanzierungsmöglichkeiten für die Parteien finden. Wir wollen ja nicht die Parteien abschaffen, aber die Parteien brauchen Geld, die Parteien haben Mitarbeiter, die Parteien haben Organisationsdinge zu bewältigen und zu bezahlen. Das ist nicht mit Kleingeld zu machen. Wenn wir das so runterfahren, wie Transparency das fordert, werden alle Parteien in Schwierigkeiten kommen. Das müssen wir dabei wissen.

    Klein: Michael Fuchs, der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk. Ich bedanke mich für das Gespräch, Herr Fuchs.

    Fuchs: Ich bedanke mich bei Ihnen!


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