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Die Kartoffel und der SPD-Kanzlerkandidat

Peer Steinbrück der Kanzlerkandidat der SPD wurde zum Bonner Knällchenkönig ernannt. Gut gelaunt nahm er im Alten Rathaus die Auszeichnung entgegen. Der Hamburger erhielt damit eine typisch rheinische Auszeichnung.

06.12.2012
    Peer Steinbrück wird bereits erwartet. Kameramänner und Fotografen haben ihre Objektive auf die herrschaftliche Eingangstür gerichtet, die Journalisten halten ihre Mikrofone in der Hand. Für den künftigen SPD-Kanzlerkandidaten ist solch ein Empfang nicht immer Grund zur Freude, zumal er an diesem Abend nach Bonn gekommen ist, um mal wieder eine Rede zu halten. Viele kritische Fragen zu seinen rhetorischen Ambitionen musste er sich in den vergangenen Wochen gefallen lassen. Doch an diesem Abend, im Foyer des Alten Rathaus’, zeigt Steinbrück sich gut gelaunt, er beugt sich nach vorne, um dem Mikrofon noch ein bisschen näher zu kommen, geht dabei leicht in die Knie.

    "Hallo, wir sind die Kinderreporter und wollen rauskriegen, wie das so ist, Bundeskanzler zu werden."
    "Na, das ist eine anstrengende Sache, und es gibt viele journalistische Kollegen von dir, die haben ganz unangenehme Fragen, und die drehen jede Tasche von mir um, und manchmal ziehen die mich auch an der Wand lang."

    Die Kinder schauen ein wenig irritiert. Ihre Gesichter verraten: Keine Ahnung, wie man jemanden an der Wand lang zieht. Steinbrück dagegen weiß, wovon er spricht, erlebt das gerade in diesen Tagen wieder. Erst gestern musste er eine Dinner Speech absagen – ausgerechnet bei einer Schweizer Privatbank, die im Verdacht steht, zum Steuerbetrug angestiftet zu haben. Und das alles in einer Woche, an deren Ende er zum Kanzlerkandidaten der SPD gewählt werden soll. Pleiten, Pech und Peer – das sind die Wortspiele, an denen die politische Konkurrenz ihre Freude hat.

    "Finden Sie das blöd, dass über Sie gespottet wird und Witze gemacht wird und so was?"
    "Ne, das finde ich nicht, denn manchmal spotte ich auch. Und ich find', dass Humor auch dazu dient, jemanden mal durch den Kakao zu ziehen. Das, was ich nicht so gut finde, ist, dass ich den Kakao, durch den ich gezogen werden, anschließend auch noch trinken soll. Das macht mir keinen Spaß."

    Durch den Kakao gezogen werden – das ist den Kinderreportern vom WDR offenbar auch noch nicht passiert. Wieder Fragezeichen in den jungen Gesichtern. Erst der Kakao und dann auch noch die Sache mit Kartoffel, die irgendwie was damit zu tun hat, dass Peer Steinbrück heute Abend hier ist.

    "Ich glaub, der kriegt irgendwie so einen Preis für … irgendwas mit Kartoffeln, ich weiß nicht mehr so genau, irgendwas mit Kartoffeln, Kartoffelkuchen denke ich."

    Richtig ist: Peer Steinbrück soll an diesem Abend Knällchenkönig werden. In den Räumen des Alten Rathauses duftet es nach Fett und Zwiebeln. Der Koch verrät mehr:

    "Das Knällchen hat ja verschiedene Namen, das heißt ja Puttes, das heißt Knülles und ist einfach eine Kartoffelmasse, die im Bräter gebacken wird, mit entsprechend Zwiebel drin, ob man mag oder nicht, auf jeden Fall Mettwurst und ist eine ziemlich fettige Angelegenheit, aber sehr, sehr lecker."

    "So. Und als ich meiner Frau erzählte, ich würde Knällchenkönig werden, hatte sie erst das etwas falsch verstanden – Knöllchenkönig bist du doch schon. Da gibt es in dem Godesberger Tunnel die ein oder andere Aufnahme von mir. Aber ich habe die Aufnahmen meiner Frau auch alle aufbewahrt."

    Der Knällchenkönig: Er wird vom Verein Altes Rathaus in Bonn gekürt. Im vergangenen Jahr war Peter Ramsauer der Glückliche, dieses Jahr eben der künftige Kanzler-Kandidat. Der tritt nach der Preisverleihung lächelnd ans Rednerpult, spricht frei, geradezu lässig, kaum ein Blick auf den kleinen Spickzettel. Nein, ein Honorar habe er für diese Rede nicht bekommen, versichert eine Sprecherin der Stadt Bonn. Die Ehre ist dem Knällchenkönig Lohn genug.

    "Und ich freu mich deshalb, dass ich jetzt Bestandteil einer Doppelmonarchie bin. Denn, es ist schon richtig erwähnt worden, dass ich jetzt rechtsrheinisch König bin und linksrheinisch König bin. Und das hat es das letzte Mal eigentlich im Habsburger Reich gegeben. Dass mir das als eingefleischtem Republikaner auf meine alten Tage noch passiert, ist allerdings erstaunlich."

    Aal-König in Bad Honnef, Knällchen-König in Bonn – demnächst Kanzler von Deutschland. So könnte es jetzt einfach weitergehen.

    "… dass sich dieses ehrenamtliche Engagement konzentriert nun auf dieses alte Rathaus … da ist ja noch jemand wichtiger als ich …"

    Wichtiger als Peer Steinbrück, so sagen es die Demoskopen derzeit voraus, könnte den Wählern im Herbst nächsten Jahres Angela Merkel sein. Während der Knällchenkönig in Bonn spricht, veröffentlicht das ZDF die neuesten Daten des Politbarometers. Danach gehen 68 Prozent der Befragten davon aus, dass Merkel wieder Kanzlerin wird. Nur 24 Prozent sehen Steinbrück im Kanzleramt. Hinzukommt: Sie kann sich auf die Rückendeckung ihrer Partei verlassen, mit 98 Prozent ist sie in dieser Woche wieder zur CDU-Chefin gewählt worden. Wenn er am nächsten Sonntag an gleicher Stelle, nämlich in den Messehallen von Hannover, zum Kandidaten gewählt wird, muss er vermutlich mit weit weniger Zustimmung rechnen. Wundern würde es ihn nicht:

    "Richtig ist, dass ein Muffendorfer Mädchen mich nach Bonn gebracht hat, mit der ich nach wie vor in Erstehe verheiratet bin, was eigentlich bei Sozialdemokraten bedeutet, dass aus mir nichts mehr werden kann."