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Die Kirche als Unternehmen
Wirtschaftsbetriebe mit religiösem Etikett

Die Kirchen in Deutschland sind riesige Wirtschaftsunternehmen. Sie sind nicht nur Wald-, Grund- und Immobilienbesitzer, sondern auch große Arbeitgeber und besitzen viele Firmen und Beteiligungen. Ihr Gesamtgeschäft hat ein Volumen von 129 Milliarden Euro im Jahr. Ein Bereich wird aber von den Kirchen vernachlässigt.

Von Michael Braun |
    Ein Schild der Caritas, aufgenommen in Fulda
    Die katholische Caritas beschäftigt mehr als 600.000 hauptamtliche Mitarbeiter. (picture-alliance / dpa / Uwe Zucchi)
    So rufen sie, zum Gottesdienst, zur Konfirmation, zur Taufe. So kennt man Kirche. Aber zu Kirche gehören auch Geräusche wie dieses: (Motorsäge).
    Denn die Kirchen sind Wald- und Grundbesitzer. Beide Kirchen zusammen kommen auf 830.00 Hektar in Deutschland. Sie sind Deutschlands größte Grundeigentümer. Und außer den Kirchengebäuden besitzen sie noch weitere 87.000 Immobilien. Der kirchenkritische Politologe und Autor Carsten Frerk sagte im Deutschlandfunk über die Kirchen:
    "Für mich sind die Kirchen in Deutschland speziell Wirtschaftsunternehmen mit religiösem Etikett."
    Die ökonomische Größe hat historische Gründe
    Sie sind auch große Arbeitgeber. Mehr als 600.000 hauptamtliche Mitarbeiter beschäftigt die katholische Caritas. Damit ist sie, natürlich nach dem Staat, der größte Arbeitgeber in Deutschland, gefolgt vom evangelischen Pendant, der Diakonie. Dort sind gut 460.000 Menschen fest angestellt. Hinzu kommen in beiden Organisationen zusammen 1,2 Millionen ehrenamtliche Helfer. Ihre ökonomische Größe hat historische Gründe, aber nicht nur, weiß der Volkswirt Dominik Enste, der im Institut der deutschen Wirtschaft das Kompetenzfeld Wirtschaftsethik leitet:
    "Es spielt sicher eine Rolle, dass die Kirchen einfach sehr alte Institutionen sind, die sich quasi bis in die Neuzeit hinein behaupten konnten, hat aber auch viel mit rechtlichen Sonderregelungen zu tun. Das heißt: Diese Besonderheiten mit Gemeinnützigkeitsrecht und anderem gibt es in anderen europäischen Staaten so nicht. Und basierend auf dieser starken Stellung hat der dritte Sektor und da insbesondere auch die Kirchen sich quasi in diesem Bereich durchsetzen können, zumal der Wettbewerb erst langsam Einzug gehalten hat, insbesondere im Bereich der Pflege."
    Bei der Diakonie sind 28 Prozent der hauptamtlich Beschäftigten in der Altenhilfe tätig, bei der katholischen Caritas sind es immerhin knapp 20 Prozent. Das hat den Kirchen etwa bei der Nachfrage nach Inkontinenzprodukten eine beinahe marktbeherrschende Stellung beschert. Die wird aber angegriffen. Namentlich aus Frankreich kommt viel private Konkurrenz in der Seniorenbetreuung.
    Bei einer Firmenpleite standen Ethik und Geschäft im Widerstreit
    Für die Beschäftigten der Kirchen gilt ein eigenes Arbeitsrecht. Das führt vor allem im katholischen Bereich bei geschiedenen Wiederverheirateten oft zur Kündigung. Auch bei einer großen Firmenpleite standen nicht zuletzt Ethik und Geschäft im Widerstreit. Die Erotikangebote des Buchhändlers "Weltbild" passten einigen Bischöfen nicht. Die Finanzierung des Unternehmens wurde schwierig. Michael Bretz von der Auskunftei Creditreform musste daher bei der Pleitenstatistik 2014 berichten:
    "Die Verlagsgruppe Weltbild aus Augsburg, in kirchlicher Hand, hat Insolvenzantrag gestellt. Es war einfach ein enormer Sanierungsbedarf. Und immerhin knapp 7.000 Mitarbeiter haben da ihre Beschäftigung."
    Andere Besitzer führen es in Teilen fort. Den Kirchen bleiben neben Krankenhäusern, Hospizen, Jugend- und Altersheimen auch Banken, Versicherungen, Brauereien und Weingüter, Beteiligungen an Fernsehproduktionsgesellschaften, Nachrichtenagenturen und Radiostationen. Der Autor Carsten Frerk vergleicht das Gesamtgeschäft mit dem einer deutschen Vorzeigebranche:
    "Und dieser ganze Bereich der Wirtschaft im Raum der Kirchen als Geldfluss sind 129 Milliarden Euro pro Jahr. Die deutsche Automobilindustrie hat ein Gesamtinlandsumsatz – eine vergleichbare Größe – von 127 Milliarden."
    Dominik Enste vom IW sieht aber einen Bereich als mindestens ausbaufähig an: die Kitas.
    "Es ist ein Geschäftsmodell, das die Kirchen noch zu sehr vernachlässigen. Weil da können sie zum einen dafür sorgen, dass Menschen leichter Familie und Beruf vereinbaren könnten. Und zum zweiten könnten die Kirchen in dem Kontext dafür sorgen, dass sie selber noch Nachwuchs bekommen."
    Kitas gerade für Nicht-Getaufte könnten den Zugang zu Glauben und Religion öffnen.