"Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung. Die Bundesregierung hat mitgeteilt, dass heute Frau Doktor Merkel zur Verfügung steht." - Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) eröffnet die Regierungsbefragung im Bundestag Mitte vergangener Woche. Das erste Mal in diesem Jahr steht Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) persönlich Rede und Antwort.
Die Coronakrise wirft bei den Abgeordneten der Opposition einige Fragen auf:
- "Glauben Sie, dass Sie durch Grenzkontrollen die Pandemie nennenswert aufhalten können?"
- "Was wollen Sie als Bundesregierung gegen den Rückfall in traditionelle Rollenverteilungen tun?"
- "Ob Sie die Auffassung Ihres Finanzministers teilen, dass diejenigen, die starke Schultern haben in diesem Land, mehr leisten müssen für den Wiederaufbau dieses Landes?"
- "Und können Sie hier und heute auch ausschließen, dass der Bürger durch erhöhte Abgaben und Steuern diese Kosten übernehmen muss und auch bezahlen muss?"
Frage, Antwort, vielleicht eine Nachfrage, nächstes Thema. Für Tiefgang bleibt nicht viel Zeit bei der Befragung im Plenum. Aber die Abgeordneten haben noch andere Möglichkeiten der Regierung auf den Zahn zu fühlen. Eine davon nutzen die Parlamentarier auch in der Coronakrise eifrig: die Kleine Anfrage. Sie weckt nicht so viel Aufmerksamkeit wie eine direkte Konfrontation zwischen Opposition und Regierungschefin, aber kaum ein Mittel eignet sich Experten zufolge so gut dafür, Vorgehen, Erfolge und Verfehlungen der Regierung zu überprüfen.
Workshop, um gute Anfragen zu stellen
Obwohl unter den politischen Lagern vordergründig zunächst weitgehend Einvernehmen herrschte im Kampf gegen Corona, hinterfragten Abgeordnete die Schritte von Merkel und ihrem Krisenkabinett hinter den Kulissen seit dem Ausbruch des Virus.
Jan Korte ist erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Linken-Fraktion im Bundestag. Über seinen Tisch laufen die Anfragen seiner Fraktionskollegen. "Es gibt Kleine Anfragen, was die ganze Einschränkung von Freiheiten und Grundrechten angeht. Wie lange, auf welchen Grundlagen, was bedeuten eigentlich die Urteile der Gerichte? Wie schätzt die Bundesregierung eigentlich was ein, gerade in diesen Zeiten, was ist ihre Meinung dazu? Wann wusste die Regierung eigentlich was? Warum gibt es zu wenig Schutzausrüstung?", sagt Korte.
Rund 50 Kleine Anfragen der Parlamentarier allein zum Thema Corona zählt die Bundestagsverwaltung seit Anfang März. Die FDP wollte zuletzt unter anderem wissen, ob die Arbeit im Homeoffice bei der Steuererklärung berücksichtigt wird. Die Linke fragte nach der Finanzierung der Krankenkassen. Bündnis90/Die Grünen fürchteten Auswirkungen der Coronakrise auf das Klimaschutzprogramm der Regierung. Und die AfD wollte wissen, warum Exporte von medizinischer Schutzausrüstung ins nichteuropäische Ausland genehmigt wurden.
Auch die großen Fragen der Krise treiben die Abgeordneten der verschiedenen Fraktionen um: Welche volkswirtschaftlichen Schäden erwartet die Regierung? Wie steht es um die internationale Zusammenarbeit auf der Suche nach Impfstoffen und Medikamenten? Wie um den Schutz der Bevölkerung? Auf das Instrument der Kleinen Anfrage könnten die Abgeordneten auch in der Krise nicht verzichten, sagt Jan Korte von der Linken: "Mir ist wichtig, dass der Bundestag weiter seiner Arbeit nachkommt. Und das bedeutet, dass auch weiter insbesondere die Opposition die Regierung kontrolliert und da ist nun mal die Kleine Anfrage eigentlich das zentrale Mittel und deswegen müssen auch in diesen wirklich schwierigen, schlimmen Zeiten der Coronakrise die Kleinen Anfragen weiter beantwortet werden."
Korte hat für seine Fraktion eigens einen Workshop veranstaltet, damit die Abgeordneten lernen wie sie gute Kleine Anfragen stellen. Diese müssen schriftlich an die Bundesregierung gerichtet werden, von mindestens fünf Prozent der Abgeordneten. In der Regel ergeht eine Kleine Anfrage deshalb im Namen einer gesamten Fraktion.
"Wichtig ist natürlich, dass du möglichst so formulierst und so präzise bist und so viel Vorwissen hast zu einem bestimmten Sachverhalt, dass du eine Frage stellst, wo die Bundesregierung gezwungen ist, möglichst klar, am besten mit ja oder nein und einer konkreten Zahl, zu antworten, um sie festnageln zu können für die Zukunft", sagt Korte.
Die zuständigen Ministerien haben zwei Wochen Zeit, um die Anfragen zu beantworten, können aber um Aufschub bitten. Die Abgeordneten nutzen die Informationen unter anderem, um Anträge und Debatten vorzubereiten.
Marco Buschmann, der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, sieht gerade in der Corona-Krise auch eine andere wichtige Funktion: "Ich glaube, wir haben auch die Aufgabe, in der Krise zu lernen. Wenn die Ereignisse hinter uns liegen, wenn wir schon alle Informationen haben, dann ist es im Nachhinein sehr einfach zu sagen, das haben wir doch immer alles gewusst und richtiggemacht. Und deshalb ist es immer wieder gut, zwischendurch Wasserstandsmeldungen zu erfragen, wie der eine oder andere Sachverhalt, wie die eine oder andere Entwicklung eingeschätzt wird. Ich glaube, das ist gerade für die nachträgliche Aufarbeitung wichtig", sagt Buschmann.
Buschmann hatte zum Ärger von Regierungsmitgliedern gefordert, dass die Coronapolitik der Regierung durch eine Enquete-Kommission aufgearbeitet werden solle, notfalls durch einen Untersuchungsausschuss. "Regierungschefs setzen sich voran, die Parlamente sind ausgesperrt. Man weiß auch immer gar nicht, wann was entschieden wird. Deshalb finde ich diesen Prozess insgesamt zu intransparent. Solche Besprechungen gehören eigentlich in die Parlamente, in die Länderparlamente und hier in den Bundestag. Damit die Öffentlichkeit auch mitbekommt, was die Entscheidungs- und Erwägungsgründe sind und man nicht nur mit Ergebnissen konfrontiert wird", sagt Buschmann.
Die Große Anfrage ist seltener
Viele Abgeordneten befürchten, dass zum Beispiel die Maßnahmen, die das Haus in der vergangenen Woche verabschiedet hat, zu vage seien. Niemand wisse genau, zu was sie die Regierung und insbesondere Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ermächtigten. Von einem Blankoscheck für die Regierung war die Rede, Beteiligungs- und Kontrollrechte des Parlaments blieben auf der Strecke.
Die Abgeordneten müssten auf ihre Kontrollrechte pochen, sagt Britta Haßelmann, die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion: "Wir müssen als Parlament gerade in so einer Zeit, wo viele in der Öffentlichkeit darüber reden, dass das Stunde der Exekutive ist, deutlich machen: Nein, das ist nur ein Teil der Betrachtung, denn klar ist, Beratung, Entscheidung und parlamentarische Kontrolle finden im Parlament und vom Parlament statt."
Die Kleine Anfrage ist eines von mehreren Frageformaten, die den Abgeordneten zur Verfügung stehen. Daneben gibt es die weitaus selteneren Großen Anfragen, die meist eine Bundestagsdebatte nach sich ziehen. Zudem können einzelne Abgeordnete schriftliche und mündliche Fragen an die Bundesregierung richten. Die parlamentarische Kontrolle durch die Kleine Anfrage hat eine lange Geschichte.
Frageverfahren für Abgeordneten gibt es im Bundestag seit seiner Gründung. Die erste Fragestunde eröffnete der damalige Bundestagspräsident Hermann Ehlers (CDU) 1952. Das Verfahren der Kleinen Anfragen wurde ein Jahr zuvor in der Geschäftsordnung festgeschrieben. Das Fragerecht wurde aus der Weimarer Republik übernommen. Es gehe aber noch weiter zurück, sagt Sven Siefken, Politikwissenschaftler an der Martin-Luther-Universität Halle, der parlamentarische Frageverfahren erforscht hat.
"Die Frageverfahren sind eines der ältesten Instrumente. Es wird allgemein auf die erste Frage im Jahr 1721 im House of Lords zurückgeführt, die da offiziell gestellt wurde. Und in Deutschland haben wir schon seit 1849 im Preußischen Landtag Verfahren, die ähnlich sind, wie die heutigen Kleinen Anfragen", so Siefken.
Oft sind die Kleinen Anfragen alles andere als klein. Sie beinhalten in der Regel mehrere einzelne Fragen zu einem Thema. Das kann eine Handvoll sein, mitunter sind es über 100. Eine gute Kleine Anfrage zu stellen, sei deshalb nicht einfach. Sie könne aber auch eine große Wirkung entfalten, sagt Siefken.
"Für die Abgeordneten ist diese Kleine Anfrage insofern attraktiv, als man auf einem Weg sehr viel sachliche Information aus der Verwaltung herausbekommen kann und die dann hinterher auch öffentlich gemacht werden kann. Die Antworten sind wie die Fragen gleich veröffentlicht. Das heißt, sie werden in der Drucksache des Bundestags veröffentlicht. Man kann sie an Journalisten weitergeben, man kann sie an interessierte Bürgerinnen und Bürger im Wahlkreis weitergeben, man kann sie an Interessengruppen weitergeben."
Fragesteller bekommt Antwort vorab
Wenn die Abgeordneten den Ministerien Informationen herauskitzeln, die noch nicht bekannt waren und Aufmerksamkeit erregen, wird aus einer Kleinen Anfrage so schnell eine Nachricht. Die Anfragesteller können dabei etwas nachhelfen. Sie erhalten die Antworten ein, zwei Tage, bevor sie auf der Website des Bundestages veröffentlicht werden. So können sie sie vorab exklusiv an Journalisten weitergeben und kommentieren.
"Wir nutzen das dann natürlich nicht nur für uns, sondern sprechen vielleicht auch eine Journalistin oder einen Journalisten an, ob sie Interesse haben, über unsere Ergebnisse und Antworten, die wir erhalten haben, öffentlich zu berichten", sagt Grünen-Politikerin Haßelmann.
Mitunter stecken Abgeordnete und Journalisten auch die Köpfe zusammen, bevor die Anfrage gestellt wird. Darüber sprechen Abgeordnete nicht so gern. Schließlich ist die Kleine Anfrage ihr originäres Recht. Und es soll nicht so aussehen, als würden Fragen von Journalisten an die Bundesregierung weitergereicht.
Eine Umfrage des Kommunikationswissenschaftlers Hans Mathias Kepplinger unter Abgeordneten, die er bereits 2007 durchführte, ergab aber, dass eine Reihe von ihnen die Themen ihrer Kleinen Anfragen so auswählten, dass sie möglichst viel Medienaufmerksamkeit weckten. Und ein Viertel der Abgeordneten räumte ein, dass die Initiative für Anfragen "meist von Journalisten" oder "von beiden Seiten gleichermaßen" ausgehe.
Für Jan Korte, den parlamentarischen Geschäftsführer der Linken-Fraktion, ist es selbstverständlich, dass Kleine Anfragen nicht nur im Abgeordnetenbüro entstehen. "Das ist natürlich schon eine Zusammenarbeit und bei Leuten, die länger schon dabei sind, hat man auch Journalistinnen und Journalisten, die man kennt, und weiß, die sind in dem und dem Thema sehr drin, die haben schon viel darüber berichtet, und mit denen arbeitet man dann zusammen. Man kriegt auch öfter Hinweise, übrigens auch von Vereinen oder von Bürgerinnen und Bürgern und auch von Journalisten, die sagen, gucken Sie doch mal, ist das nicht ein interessanter Vorgang, wie ist das denn eigentlich?"
Kleine Anfragen unterliegen hohen Ansprüchen. Sie müssen sachlich gehalten sein. Das überprüft das Parlamentssekretariat. Trotzdem nutzen Abgeordnete sie nicht nur, um Informationen zu erhalten, sondern auch, um Politik zu machen.
"Natürlich deutet die Fragestellung nicht nur reines Erkenntnisinteresse an, sondern auch, dass man möglicherweise auch eine Sensibilität bei der Regierung schaffen möchte. Und da kann natürlich schon ein Stück Kritik mitschwingen", sagt Marco Buschmann von der FDP.
Anfrage als politisches Kontroll- und Kampfinstrument
Anders als etwa in der Debatte im Plenum wird zwar nicht öffentlich Kritik geübt, keine Meinung kundgetan, werden keine Forderungen gestellt. Doch politische Tendenzen sind in den Kleinen Anfragen aller Fraktionen zu erkennen. Die Linke etwa fragt regelmäßig nach Waffenexporten, Verbrechen von Rechtsextremisten oder Einfluss von Lobbyisten auf Gesetzesvorschläge.
Durch Themenwahl, Kontext der Frage sowie die mediale Verbreitung könnten Abgeordnete mit der Kleinen Anfrage Position beziehen, sagt Gudrun Hentges, Professorin für Politikwissenschaft an der Universität zu Köln, die vor allem das Verhalten der AfD untersucht hat. "Zum einen dienen Kleine Anfragen als Kontrollinstrument und zum anderen sozusagen als Kampfinstrument. Und zwar in dem Sinne, dass die Vorbemerkungen und die Art und Weise, wie die Fragen gestellt werden, und dann auch das Kommunizieren dieser Informationen darauf ausgerichtet ist, die eigenen Ideologien zu untermauern."
Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der AfD, Bernd Baumann, räumt ein, dass Anfragen der politischen Ausrichtung der Fraktion folgen: "Das ist auch ein Mittel, um Themen zu setzen. Wir haben natürlich unsere politische Agenda und suchen dafür empirisches Datenmaterial, was das unterstützt."
Anfragen der AfD haben wiederholt für Aufsehen und Widerspruch gesorgt. Im März 2018 etwa wollten die Abgeordneten - zum Entsetzen der Sozialverbände - wissen, wie viele Schwerbehinderte es durch Eheschließungen unter nahen Verwandten in Einwandererfamilien gibt. Im vergangenen Jahr fragten sie, welche, so wörtlich, "volkswirtschaftlichen Verluste durch die nicht genutzten Erwerbspotenziale" durch Menschen mit psychischer Erkrankung entstünden, und wie viele davon Ausländer oder Asylbewerber seien. Die Diakonie warnte daraufhin vor "neuen Formen der Ausgrenzung psychisch Kranker".
"Diese beiden Beispiele lassen deutlich werden, dass die AfD Kleine Anfragen benutzt, um ihre Ideologien, also in dem Zusammenhang Rassismus, Sozialdarwinismus, Verknüpfung von Geflüchteten mit Kriminalität ganz deutlich zu präsentieren, zu artikulieren und das auch in den Vorbemerkungen zu suggerieren und in diesen Fragen die Bundesregierung zu zwingen, Zahlen und Materialien herauszugeben", sagt die Politologin Gudrun Hentges.
AfD-Fraktionsgeschäftsführer Bernd Baumann weist die Kritik zurück: "Für die sind solche Anfragen natürlich ein Dorn im Auge, weil die sehen das werturteilsmäßig als Herabsetzung von Individuen und Kollektiven. Darum geht es aber nicht. Das sind einfach medizinische, empirische, biologische Zusammenhänge."
Verdacht: Ministerien werden gezielt überlastet
Seit einem Jahr versucht die AfD durch Kleine Anfragen - offenbar vergeblich - zu belegen, dass die Bundesregierung deutsche Medienberichterstattung beeinflusse. Dafür fragt sie, wie oft Ministerien und andere Dienststellen des Bundes bei Zeitungen, Sendern und anderen Medien darum gebeten haben, die Berichterstattung zu korrigieren. Die Antwort: Das sei gelegentlich passiert, wenn etwas objektiv falsch war.
Aber damit gab die AfD sich nicht zufrieden. Hunderte Anfragen zum Thema hat sie bereits verschickt, und die gehen mittlerweile auch an Einrichtungen wie das Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, an die Generalzolldirektion oder das Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei. Die angebliche Medienkontrolle der Bundesregierung ist in den Augen der AfD offenbar weit verzweigt.
Bei solchen massenhaften Anfragen komme der Verdacht auf, dass die Ministerien gezielt überlastet werden sollten, sagt Sven Siefken von der Universität Halle: "Was gemacht wird im Moment von der AfD, ist, dass sie in großem Maße gleichlautende Fragen verschicken zu einzelnen nachgeordneten Behörden. Dass das wirklich wie so ein Massenverfahren hineingeschickt wird. Das hat die AfD nicht erfunden, so was hat früher die Linke auch schon gemacht. Und das sind durchaus Dinge, mit denen man sich diese Frageverfahren auch kaputt machen kann. Und kaputt machen heißt, da könnte natürlich das Parlament selber in der Geschäftsordnung entscheiden, dass es diese Frageverfahren irgendwie beschränkt."
Die Zahl Kleiner Anfragen feiert immer neue Rekorde. In der 2017 abgelaufenen 18. Wahlperiode des Bundestags hatten die vier darin vertretenen Fraktionen noch 3.953 Kleine Anfragen an die Bundesregierung gestellt. Am 4. Mai dieses Jahres kam die Statistik der Parlamentarischen Kontrolltätigkeit in der laufenden 19. Wahlperiode bereits auf insgesamt 7.150 Kleine Anfragen, angeführt von der FDP und knapp dahinter der AfD mit je über 2.000 Anfragen. Die Zunahme der Kleinen Anfragen sorgt immer wieder für Unmut in der Regierung.
Zuletzt schrieb das Bundeskanzleramt Ende November einen Brief an die Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der Bundestagsfraktionen. Darin bat Staatsminister Hendrik Hoppenstedt (CDU) darum, weniger Fragen zu stellen, um dem, so wörtlich, "gemeinsamen Interesse an einer qualitativ hochwertigen Beantwortung Ihrer Kleinen Anfragen Rechnung tragen zu können".
Aber das lehnt Marco Buschmann von der FDP ebenso ab wie die Geschäftsführer der anderen Oppositionsfraktionen. "Die Kleine Anfrage ist Ausfluss des Frage- und Informationsanspruchs des Parlaments und des einzelnen Abgeordneten gegenüber der Regierung. Es steht der Regierung nicht gut zu Gesicht, dem Parlament nahezulegen, davon Gebrauch zu machen, denn das Parlament muss die Regierung kontrollieren", sagt Buschmann.
Parlamentarier begründen die Vielzahl an Anfragen damit, dass der aktuelle Bundestag sehr groß sei und der Regierung erstmals seit 1957 vier Oppositionsfraktionen gegenübersäßen. Im Gegenzug kritisieren Abgeordnete ebenfalls in verlässlicher Regelmäßigkeit, dass Ministerien zu langsam seien und die Antworten zu wünschen übrig ließen. Britta Haßelmann von Bündnis 90/Die Grünen: "Also es ist immer wieder ein Auseinandersetzungspunkt, dass Kleine Anfragen von manchen Ministerien nicht fristgerecht beantwortet werden, dass die Qualität der Anfragen nicht so ist, dass man den Eindruck hat, oh, da sitzt uns ein auskunftswilliges Ministerium gegenüber."
In besonders gravierenden Fällen zogen Mitglieder des Bundestags bereits vor das Bundesverfassungsgericht - mit Erfolg. Zuletzt entschied das Bundesverfassungsgericht Ende 2017, dass die Bundesregierung den Abgeordneten Auskünfte über die Finanzmarktaufsicht während der Finanzkrise von 2008 sowie Informationen über Vereinbarungen mit der Deutschen Bahn über Investitionen ins Schienennetz und das Projekt "Stuttgart 21" zu Unrecht verweigert habe.
Ohne Beteiligung am Wissen der Regierung könne das Parlament sein Kontrollrecht nicht ausüben, mahnte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle bei der Urteilsverkündung. "Der parlamentarische Informationsanspruch ist auf die Beantwortung gestellter Fragen in der Öffentlichkeit angelegt. Verhandeln von Argument und Gegenargument, öffentliche Debatte und öffentliche Diskussion sind wesentliche Elemente des demokratischen Parlamentarismus."
Schon zuvor hatte das Gericht das Fragerecht des Parlaments wiederholt gestärkt. Die Bundesregierung wird sich die vielen und mitunter langen Fragen der Abgeordneten also weiter gefallen lassen müssen.