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Die Klimafalle

1992, der Weltgipfel in Rio de Janeiro. Zum ersten Mal rückt der Klimawandel ins Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit. 20 Jahre später, so resümieren Hans von Storch und Werner Krauß zu Beginn ihres Buchs "Die Klimafalle", "herrschte auf dem Nachfolgegipfel Rio +20 allseits Katzenjammer: Nach der beispiellosen Erfolgsgeschichte des Klimawandels als Gegenstand öffentlicher Aufmerksamkeit und Sorge sind die Klimapolitik und mit ihr die Klimadebatte in eine Sackgasse geraten".

Rezension: Dagmar Röhrlich |
    Widerstreitende nationale Interessen lassen Fortschritte höchstens im Schneckentempo zu. Das wollen die Autoren ändern und gehen deshalb der Frage nach, wie die Klimaforschung wieder aus dieser Sackgasse findet. Zweifel an der Realität des menschengemachten Klimawandels hegen weder der Ethnologe Werner Krauß, noch Hans von Storch, der Klimawissenschaftler ist und Leiter des Instituts für Küstenforschung am Helmholtzzentrum in Geesthacht.

    Beide wissen, dass etwas passieren muss. Auf die Frage, wie Menschen in allen Ländern aktiviert werden können, haben sie ihre eigene Antwort: Zielführend sind danach nicht die Kassandra-Rufe und die ständigen Warnungen, auch nicht das Beschwören epischer Katastrophen. Der bessere Weg, so erklären sie, seien gesellschaftliche Zusammenarbeit, Kompromisse und die Suche nach den richtigen Anpassungsstrategien, ohne die es nun einmal nicht gehen werde.

    Zunächst jedoch führen Hans von Storch und Werner Krauß vor Augen, wie sich die Klimawissenschaften in eine politische Falle manövriert haben. Ihr Vorwurf: Statt als Forscher das Klima und die Wirkung der Treibhausgasemissionen zu erforschen, hätten viele der Versuchung nicht widerstehen können, selbst Politik zu machen, um die Ziele durchzusetzen. Sie wollten alternativlose Lösungen vorgeben, das richtige Handeln erzwingen. So sei der UN-Klimabericht "eine Gemeinschaftsproduktion von Wissenschaft und Politik". Der Leser erfährt, wie das 2-Grad-Ziel, das für so viel Ärger auf dem Klimagipfel von Kopenhagen gesorgt hat, in die Welt gekommen ist. Ursprünglich ging es darum, den kostengünstigsten Weg zu berechnen und deshalb die Anpassungskosten an den Klimawandel mit den Ausgaben für die Emissionsminderung zu vergleichen. Die zwei Grad seien dann am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung, gesetzt worden, weil man davon ausging, dass jenseits der 2 Grad die Risiken deutlich steigen und zunehmend unkontrollierbar werden würden: "Es gibt verschiedene Ansichten darüber, wer wann genau das 2-Grad-Ziel zuerst vorgeschlagen hatte, aber Bundesregierung und EU folgten dieser Vorgabe."

    Hans von Storch und Werner Krauß kritisieren den geradezu "religiösen Eifer", den manche Klimawarner an den Tag legen, gehen mit ihrer eigenen Zunft hart ins Gericht. Für die gute Sache gingen Klimawarner sogar zu weit, wenn sie als Gutachter in renommierten Fachzeitschriften missliebige Artikel verhinderten. Unter anderem bewiesen die 2009 gehackten E-mails des Klimaforschungszentrums an der University of East Anglia diese Praxis. Auch, dass manche Forscher ihre Ergebnisse in der Öffentlichkeit mit Blick auf die politische Wirkung präsentiert haben. Das alles räche sich jetzt. Denn auch wenn in Deutschland die Zahl der Klimaskeptiker gering ist, sieht das im Rest der Welt anders aus.

    Und so fordern Hans von Storch und Werner Krauß eine Kultur der Auseinandersetzung mit den Klimaskeptikern - und dass Rücksicht genommen wird auf die unterschiedlichen Bedürfnisse und Mentalitäten der Menschen. Der Klimawandel sei keine rein naturwissenschaftliche Angelegenheit, sondern er finde in Gesellschaften statt, in denen kulturelle Traditionen ebenso eine Rolle spielen wie politische, soziale oder ökonomische Bedingungen.

    Einen Ausweg aus der Falle, so schreibt das Autoren-Duo, könnte die Erfahrung aus den Auseinandersetzungen um den Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer weisen. Als der Mitte der 1980er-Jahre gegründet wurden, war die betroffene Bevölkerung nicht unbedingt begeistert. Widerstand regte sich gegen die Biologen und Ökosystemforscher, die die nordfriesische Küste einfach zur Wildnis erklärt hatten und die Rolle des Menschen nicht weiter beachteten. Dabei sei das Wattenmeer ein Produkt aus dem Zusammenspiel von Mensch und Natur.

    Erst als die Parteien diskutierten, einander ernst nahmen, kamen alle weiter. Nordfriesland könnte deshalb zur "Blaupause" für die Klimafrage werden: Statt globale Forderung durchdrücken zu wollen, wäre es sinnvoller, nach dem Grundsatz "all politics is local" regionale Ansätze zu entwickeln, die dann über die bloße Emissionvermeidung hinausgehen und Anpassungsstrategien enthalten.

    "Die Klimafalle" ist ein wichtiges Buch, das Lösungsansätze liefern möchte. Schließlich müssen Klimakonferenzen künftig erfolgreicher sein als die frustrierenden Veranstaltungen der vergangenen Jahre. Und Panikmache lähmt die Menschen eher als dass es sie zum Handeln bringt, glauben die Autoren.

    Hans von Storch, Werner Krauß: Die Klimafalle - Die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung
    ISBN: 978-3-446-43507-0
    Hanser Verlag, 248 Seiten, 19,90 Euro