Fabian Elsäßer: Nicht der Brexit, nicht Trump, sondern das Coronavirus und seine weltweite Verbreitung haben derzeit den größten negativen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland. Das sagt der Bundesverband der Deutschen Industrie, BDI. Zuerst betroffen war die Reise- und Tourismusindustrie, aber inzwischen spürt auch die Kulturbranche zunehmend die Auswirkungen der Virusangst. Die Leipziger Buchmesse wurde abgesagt, der Start des nächsten James-Bond-Spielfilms verschoben. In Berlin versucht die Gesundheitsbehörde Besucher zu kontaktieren, die am 29. Februar im Club "Trompete" waren, weil dort ein Corona-Infizierter an diesem Abend zu Gast war. Und gestern meldeten Nachrichtenagenturen, dass das weltbekannte Musik- und Technologiefestival SXSW in Texas nicht stattfinden wird. Eigentlich hätte es nächstes Wochenende begonnen.
Wie ernst ist die Lage für deutsche Konzertveranstalter? Darüber möchte ich sprechen mit Axel Ballreich. Er ist erster Vorsitzender des Deutschen Musikspielstättenverbandes Livekomm, der bundesweit 600 Mitglieder vertritt. Hallo Herr Ballreich.
Axel Ballreich: Grüß Gott.
Elsäßer: Herr Ballreich, ist denn bisher schon, zumindest im Bereich ihrer Mitglieder, sie vertreten Clubs und Theater bis zu ungefähr 2000 Zuschauern Kapazität, sind ihnen da schon irgendwelche absagen bekannt, die mit Corona zu tun haben?
Ballreich: Also, es hat sicher schon einige gegeben, aber sehr vereinzelt, also bei uns in der Region, in der ich selber auch zwei Clubs betreibe und Konzerte durchführe als Agentur ist mir jetzt noch nichts bekannt, zumindest keine behördlichen absagen. Das wäre bei mir im mittelfränkischen Raum um Nürnberg rum. Also, es ist in anderen Regionen tatsächlich verschieden. Es ist klar, dass in Krisenregionen, die jetzt geplagt sind, wie das berühmte Heinsberg in Nordrhein-Westfalen, da bin ich mir sicher, dass da auch keine Konzerte stattgefunden haben oder stattfinden momentan.
Aber das sind Einzelfälle, wo eben eine ganz starke Massierung von Infizierten vorliegt. Das ist jetzt in den meisten Räumen ja noch nicht der Fall bei uns, anders als jetzt in gewissen Regionen in Italien oder so, wo das kulturelle Leben ja genau wie das sportliche mehr oder weniger zum Erliegen gekommen ist in den letzten Wochen.
Ein Einsatzplan gegen das Virus
Elsäßer: Gibt es denn so etwas wie einen Einsatzplan innerhalb ihres Verbandes, wie man mit dieser Virus-Gefahr oder möglichen Epidemie umgehen könnte?
Ballreich: Wir sind jetzt im Moment damit beschäftigt, alle möglichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Ausbreitung innerhalb unserer Veranstaltungsstätten zu erschweren oder eben zu verhindern. Das heißt also mehr Desinfektionsmittel bereitstellen, auch schon an den Einlassschleusen zum Beispiel. Die Leute sollen sich noch mal die Hände waschen und so fort. Auch werden Türen öfter gereinigt, Türgriffe während der Veranstaltungen und ähnliche Geschichten. Also, da kann man einiges machen.
Aber es ist natürlich auch klar, dass es nie eine hundertprozentige Sicherheit bieten kann. Das ist eine gewisse Vorsorge und dieser Vorsorgepflicht, glaube ich, kommen fast alle Betreiber von solchen Spielstätten nach.
Elsäßer: Wenn jetzt Veranstalter etwas absagen, also gut, wenn sie es von sich aus absagen, wird es da sicherlich keine Entschädigungen geben. Aber wie ist denn das zum Beispiel, wenn jetzt eine Behörde sagen würde, wir sagen jetzt das nächste Wanda-Konzert in der, gut ist ja schon vorbei, aber wir hätten jetzt das Wanda-Konzert in den Posthallen in Würzburg abgesagt oder so, gibt es da eine Möglichkeit für Veranstalter oder vielleicht sogar Unterstützung von ihrem Verband, da irgendwie mit einem blauen Auge oder sogar ohne blauem Auge dann davonzukommen?
Auf seinen Kosten sitzen bleiben
Ballreich: Also im Grunde genommen gibt es die Möglichkeit, ohne blaues Auge davonzukommen, nur wenn eine entsprechende Ausfallversicherung rechtzeitig abgeschlossen wurde, die dann auch diese behördliche Absage im Fall einer Epidemie oder ähnlichen Geschichte abdeckt. Da gab es durchaus die Möglichkeit.
Nun muss man sagen im Club-Sektor, also in dem Sektor, von dem wir jetzt vor allem reden, also Konzerte, ich sag mal im weitesten Sinn bis tausend oder fünfzehnhundert Leute, ist es nicht unbedingt üblich, weil dies ein erheblicher Kostenfaktor ist und es wird also nicht für jede Veranstaltung natürlich gemacht. Und dann bleibt der Veranstalter oder der Betreiber der Location natürlich erst einmal auf seinen Kosten sitzen. Der Künstler natürlich auch, weil wenn eine behördliche Absage erfolgt, erhält auch der Künstler keine Garage, nur die Kosten, die schon entstanden sind für Werbung und Vorbereitungen und alles Mögliche, die sind natürlich trotzdem da. Und dem steht dann auch keine Einnahme gegenüber, weil die Tickets können ja dann in diesem Fall nicht zurückgegeben werden und müssen wieder ausbezahlt werden. Und dann ist es natürlich auf jeden Fall eine Lose-lose-Situation.
Elsäßer: Aber im Moment sind Sie noch verhalten optimistisch?
Ballreich: Ich bin verhalten optimistisch, weil die Entwicklung gerade hier in Deutschland nicht so extrem ist im Moment und weil man damit rechnen und darauf hoffen kann, das sagen ja auch alle führenden Virologen, das mit jedem Grad, dass es draußen wärmer wird, diese Viren schwächer werden, beziehungsweise die Auswirkungen dieser Viren auf die Menschen schwächer werden, die Übertragungen seltener werden und das normalerweise bei solchen Virusinfektionen im Bereich früher Sommer eher ein Stillstand eintritt, der aber natürlich in der nächsten Herbst-Wintersaison sich wieder ins Gegenteil verkehren kann. Also, das Ding loswerden, werden wir wohl nicht so schnell.
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