Die Sonne versinkt hinter den Palmen der Oase von Chatt Essalam und taucht das Meer in ein helles Gold. Sanft schwappen die Wellen an den Strand am Golf von Gabes. Postkartenidylle, so weit so paradiesisch. Doch der Golf von Gabes ist tot.
Gabes, die 150.000-Einwohnerstadt im Süden Tunesiens, hat mit Idylle rein gar nichts zu tun – der Name der Stadt steht für mittlerweile für einen der schwersten und Umweltskandale am Mittelmeer.
Ein beißender Geruch von Ammoniak liegt in der Luft, aus einem Kanal blubbert eine zähflüssige schwarze Brühe - und fließt direkt ins Meer.
"Früher gab es immer Fisch zum Abendessen, wenn die Bauern die Felder gepflügt haben, denn das Meer war so nah, dass es die Fische auf die Felder gespült hat. Als ich klein war, bin ich mit den Fischen und den Garnelen zusammen im Meer geschwommen, ich schwöre bei Gott, mit den Garnelen!"
Mondher ist Krankenpfleger und in Chatt Essalam aufgewachsen, einem Vorort von Gabes. Eine Oase direkt am Meer, das ist in Tunesien einzigartig. Doch seit Anfang der 70er-Jahre die Tunesischen Chemiewerke ihre Fabrik in Gabes gebaut haben, gibt es in der Oase immer weniger Landwirtschaft. Und wenn das Meer überhaupt noch etwas an den Strand spült, dann sind es meistens tote Fische oder qualvoll verendete Schildkröten.
In der Fabrik nebenan türmen sich unter freiem Himmel meterhohe Berge von Phosphat, das aus der Bergbauregion des Landesinneren geliefert wird, um in Gabes verarbeitet und dann in alle Welt verschifft zu werden. Noureddine Trabelsi, Bereichsleiter für Umweltfragen der Chemiewerke, versucht, Projekte voranzubringen, um die Schäden für die Umwelt zu verringern. Begeistert erzählt er von den neuen Vorhaben, legt Zahlen und Studien auf den Tisch.
"Wir haben Probleme mit der Umweltverschmutzung, das können wir nicht leugnen. Wir haben seit Jahren, schon vor der Revolution, einen Plan gemacht, um die Fabrik in dieser Hinsicht zu modernisieren. Aber die Projekte waren komplex. Und dann ist da noch der politische Wille. Als wir eine Lösung gefunden haben, hat uns die Politik kein grünes Licht gegeben, und dann wird alles wieder verschoben. Jetzt ist der Wille da. Diese Chance dürfen wir uns nicht entgehen lassen."
25 Kilometer von der Fabrik entfernt soll der Gips nun unterirdisch gelagert werden, so das Projekt - ohne die Umwelt zu gefährden. Doch jetzt gehen die Bürger eines nahe gelegenen Dorfes auf die Barrikaden. Sie haben Angst, dass das Problem nur verlagert wird und sie die neuen Opfer der Giftstoffe und Radioaktivität werden, sollten die Abfallstoffe vor der Lagerung nicht gereinigt werden. 400 Millionen Dinar, rund 200 Millionen Euro, hat das Unternehmen für das Projekt veranschlagt - doch das Geld haben die Chemiewerke nicht. Über Wochen und Monate haben Sit-ins und Streiks der Angestellten für bessere Arbeitsbedingungen immer wieder zum Stillstand der Fabrik geführt, wichtige Kunden haben sich neue Lieferanten gesucht, für die Umwelt ist da kein Geld mehr übrig. Trabelsi hofft auf Unterstützung der Europäischen Entwicklungsbank - die hat schon ein erstes Projekt zur Verringerung des Schadstoffausstoßes unterstützt.
Drei Jahre würde die Umsetzung des Projekts dauern. Bis sich der Golf von Gabes wieder erholt, würde es allerdings wesentlich länger dauern, erklärt Monia Guiza, Leiterin des Instituts für Chemieingenieurwesen der Universität Gabes.
"Nach zwanzig Jahren würden wir vielleicht wieder erste Pflanzen sehen, das geht nicht von heute auf morgen, denn die Schäden sind enorm. Aber es wäre gut, wenn wir unseren Kindern ein sauberes Meer hinterlassen könnten, denn das ist ein Reichtum für Gabes."
Nicht nur das Meer leidet unter den Chemiewerken, auch die Landwirte und die Gesundheit der Bevölkerung. Der Schadstoffausstoß führt zu saurem Regen, das Gift gelangt ins Grundwasser. Der Krankenpfleger Mondher, Mitglied der Vereinigung zum Schutz der Oase von Chatt Essalam, sieht die Folgen täglich in seiner Arbeit: Asthma, Hautkrankheiten, Krebs, Missbildungen bei Neugeborenen.
"Die Anzahl der Todesfälle geht jedes Jahr hoch, jedes Jahr. Ein Kind, das heute geboren wird, stirbt mit vierzig oder fünfzig Jahren an Krankheiten, die früher kaum aufgetreten sind."
Doch so verhältnismäßig offen die neue Kommunikationspolitik der Groupe Chimique in Sachen Umweltpolitik auch ist: Von Gesundheitsschäden bei Arbeitern und Anwohnern wollen die Verantwortlichen der Chemiewerke nichts wissen. Die gemessene Radioaktivität liege weit unter den Grenzwerten, heißt es. Offizielle Zahlen oder wissenschaftliche Studien zur erhöhten Krebsrate in der Region gibt es nicht. Immerhin: Erste Projekte zur Schadstoffreduzierung sind bereits angelaufen, bis 2015 soll der Ausstoß von Ammoniak, Stickoxiden und Schwefel den europäischen Normen entsprechen. Für die Natur, aber auch für viele Menschen rund um die Oase von Gabes könnte es dann aber schon zu spät sein.
Gabes, die 150.000-Einwohnerstadt im Süden Tunesiens, hat mit Idylle rein gar nichts zu tun – der Name der Stadt steht für mittlerweile für einen der schwersten und Umweltskandale am Mittelmeer.
Ein beißender Geruch von Ammoniak liegt in der Luft, aus einem Kanal blubbert eine zähflüssige schwarze Brühe - und fließt direkt ins Meer.
"Früher gab es immer Fisch zum Abendessen, wenn die Bauern die Felder gepflügt haben, denn das Meer war so nah, dass es die Fische auf die Felder gespült hat. Als ich klein war, bin ich mit den Fischen und den Garnelen zusammen im Meer geschwommen, ich schwöre bei Gott, mit den Garnelen!"
Mondher ist Krankenpfleger und in Chatt Essalam aufgewachsen, einem Vorort von Gabes. Eine Oase direkt am Meer, das ist in Tunesien einzigartig. Doch seit Anfang der 70er-Jahre die Tunesischen Chemiewerke ihre Fabrik in Gabes gebaut haben, gibt es in der Oase immer weniger Landwirtschaft. Und wenn das Meer überhaupt noch etwas an den Strand spült, dann sind es meistens tote Fische oder qualvoll verendete Schildkröten.
In der Fabrik nebenan türmen sich unter freiem Himmel meterhohe Berge von Phosphat, das aus der Bergbauregion des Landesinneren geliefert wird, um in Gabes verarbeitet und dann in alle Welt verschifft zu werden. Noureddine Trabelsi, Bereichsleiter für Umweltfragen der Chemiewerke, versucht, Projekte voranzubringen, um die Schäden für die Umwelt zu verringern. Begeistert erzählt er von den neuen Vorhaben, legt Zahlen und Studien auf den Tisch.
"Wir haben Probleme mit der Umweltverschmutzung, das können wir nicht leugnen. Wir haben seit Jahren, schon vor der Revolution, einen Plan gemacht, um die Fabrik in dieser Hinsicht zu modernisieren. Aber die Projekte waren komplex. Und dann ist da noch der politische Wille. Als wir eine Lösung gefunden haben, hat uns die Politik kein grünes Licht gegeben, und dann wird alles wieder verschoben. Jetzt ist der Wille da. Diese Chance dürfen wir uns nicht entgehen lassen."
25 Kilometer von der Fabrik entfernt soll der Gips nun unterirdisch gelagert werden, so das Projekt - ohne die Umwelt zu gefährden. Doch jetzt gehen die Bürger eines nahe gelegenen Dorfes auf die Barrikaden. Sie haben Angst, dass das Problem nur verlagert wird und sie die neuen Opfer der Giftstoffe und Radioaktivität werden, sollten die Abfallstoffe vor der Lagerung nicht gereinigt werden. 400 Millionen Dinar, rund 200 Millionen Euro, hat das Unternehmen für das Projekt veranschlagt - doch das Geld haben die Chemiewerke nicht. Über Wochen und Monate haben Sit-ins und Streiks der Angestellten für bessere Arbeitsbedingungen immer wieder zum Stillstand der Fabrik geführt, wichtige Kunden haben sich neue Lieferanten gesucht, für die Umwelt ist da kein Geld mehr übrig. Trabelsi hofft auf Unterstützung der Europäischen Entwicklungsbank - die hat schon ein erstes Projekt zur Verringerung des Schadstoffausstoßes unterstützt.
Drei Jahre würde die Umsetzung des Projekts dauern. Bis sich der Golf von Gabes wieder erholt, würde es allerdings wesentlich länger dauern, erklärt Monia Guiza, Leiterin des Instituts für Chemieingenieurwesen der Universität Gabes.
"Nach zwanzig Jahren würden wir vielleicht wieder erste Pflanzen sehen, das geht nicht von heute auf morgen, denn die Schäden sind enorm. Aber es wäre gut, wenn wir unseren Kindern ein sauberes Meer hinterlassen könnten, denn das ist ein Reichtum für Gabes."
Nicht nur das Meer leidet unter den Chemiewerken, auch die Landwirte und die Gesundheit der Bevölkerung. Der Schadstoffausstoß führt zu saurem Regen, das Gift gelangt ins Grundwasser. Der Krankenpfleger Mondher, Mitglied der Vereinigung zum Schutz der Oase von Chatt Essalam, sieht die Folgen täglich in seiner Arbeit: Asthma, Hautkrankheiten, Krebs, Missbildungen bei Neugeborenen.
"Die Anzahl der Todesfälle geht jedes Jahr hoch, jedes Jahr. Ein Kind, das heute geboren wird, stirbt mit vierzig oder fünfzig Jahren an Krankheiten, die früher kaum aufgetreten sind."
Doch so verhältnismäßig offen die neue Kommunikationspolitik der Groupe Chimique in Sachen Umweltpolitik auch ist: Von Gesundheitsschäden bei Arbeitern und Anwohnern wollen die Verantwortlichen der Chemiewerke nichts wissen. Die gemessene Radioaktivität liege weit unter den Grenzwerten, heißt es. Offizielle Zahlen oder wissenschaftliche Studien zur erhöhten Krebsrate in der Region gibt es nicht. Immerhin: Erste Projekte zur Schadstoffreduzierung sind bereits angelaufen, bis 2015 soll der Ausstoß von Ammoniak, Stickoxiden und Schwefel den europäischen Normen entsprechen. Für die Natur, aber auch für viele Menschen rund um die Oase von Gabes könnte es dann aber schon zu spät sein.