Adalbert Siniawski: Kurt Krömer, wir sitzen gerade im Foyer des Berliner Ensembles. In diesem prächtigen neobarocken Saal wird Ihre neue "Krömer – Late Night Show" aufgezeichnet, hier im Zentrum der Stadt muss man sagen. Stehen Sie jetzt etwa mehr für Berlin-Mitte als für Berlin-Neukölln?
Kurt Krömer: Ach, für Neukölln stehe ich immer gerade, bis zum Ende meines Lebens. Ich bin jetzt nicht so ein Porno-Star, der sagt, ich möchte mit der Vergangenheit jetzt nichts mehr zu tun haben und möchte weg von dem Schmuddel-Image. Aber ich bin dann nach Kreuzberg ausgewandert und hab gesagt: Also ich sage jetzt nicht mehr öffentlich, dass ich da noch lebe, weil ich jetzt in Kreuzberg bin. Und von daher ist das eigentlich seit zehn Jahren schon vorbei, dass ich da nicht mehr lebe, aber die Fahnen in jedem Interview eigentlich für Neukölln immer noch hochhalte.
Siniawski: Naja, aber rein optisch haben Sie sich ja schon verändert: Statt dem strengen Scheitel und den gemusterten Sakkos, jetzt Wuschelfrisur, Dreitagebart und modischer Anzug – Ist dieser Stilwechsel auch ein Image-Wechsel?
Krömer: Ja, das ging ja rauf und runter durch die Presse, dass ich gedacht habe: Haben wir in Deutschland eigentlich keine anderen Probleme, als dass sich hier so ein Dödel die Haare nicht mehr zur Seite kämmt, sondern eben nach oben? Also ich habe vorab nicht gewusst, was ich damit anrichte, dass Leute auch vergessen haben – viele Journalisten – über Inhalte zu sprechen, weil sie total perplex waren. Also für mich war das kein ausgedachter Image-Wechsel. Ich sage auch immer – gerade auch jetzt hier im BE – die Sendung, das ist eine Fernsehsendung, die sehr viel Live-Charakter hat. Also ich verbinde Fernsehen mit dem, was ich sonst auch mache, dass ich live auf der Bühne bin, durch ganz Deutschland fahre, Schweiz und Österreich. Und von daher ist es eine Erweiterung.
Siniawski: Aber ist ja ganz schön mutig, die Figur Kurt Krömer zu verändern. Einen Nerd wie Olaf Schubert zum Beispiel nach einer Styling-Beratung, das könnte man sich dann doch schwer vorstellen. Warum glauben Sie, dass der Image-Wechsel bei Kurt Krömer funktioniert?
Krömer: Das ist ja das große Problem – vielleicht habe ich deswegen auch die Sachen abgelegt, diese quietsch-bunten Anzüge –, dass ich ja keine Kunstfigur bin. In erster Linie bin ich ein Clown, der damals eine Sendung hatte, die quasi eine Persiflage war auf Talkshows und wo ich versucht habe, durch quietschige Anzüge zu zeigen: Das ist jetzt kein Beckmann, das ist auch keine Maischberger, das ist kein Markus Lanz, also da stimmt was nicht. Das war für mich immer so eine Anti-Talkshow quasi. Dieses Erkennungsmerkmal ist weg, dass da jemand bunte Anzüge hat. Aber, wie gesagt, der Inhalt ist ja immer noch da und der ist auch wichtiger, als das Outfit. Wenn Du unseriös bist, bist Du auch im Armani-Anzug unseriös.
Siniawski: Kommen wir zu den Inhalten. In der Vorankündigung zur Show heißt es: Themen wie Migration, Rechtsradikalismus und Afghanistan werden nicht ausgespart, im Gegenteil. Was kommt auf uns zu?
Krömer: Der Auslöser dafür war, dass ich im Tempodrom gespielt hab, letztes Jahr, und dann im Backstage war und Leute, Freunde von mir, wie Thomas Quasthoff zum Beispiel, dass ein Schauspieler von der Schaubühne mit dabei war, und das war echt eine illustre Runde. Und dann ging es auf einmal um Nationalsozialismus, dass wir uns gefragt haben: Wie wär das denn mit Thomas Quasthoff in der Nazizeit gewesen? Hätte der mich besuchen dürfen? Wäre ich in der Nazizeit überhaupt aufgetreten oder wäre ich ausgewandert? Und dann habe ich gemerkt, dass die politische Schärfe, die hat eigentlich erst nach der Show stattgefunden. Und das war so eine Zündung im Kopf, wo ich dachte: Naja, warum das jetzt im Verborgenen lassen? Bring‘ doch die Themen auf die Bühne und behandle die halt mit Humor! Und das heißt jetzt nicht, dass wir uns darüber lustig machen, aber dass wir uns die lustigen Momente raussuchen. Bis heute wird Hitler immer noch verarscht und als Blödmann dargestellt – was ich richtig finde, und ich auch denke, das darf auch nicht aufhören.
Siniawski: Aber Kurt Krömer steht ja, oder stand bisher, für Anarchismus und Dilettantismus. Kann man auf diese Weise auch ernste Themen anpacken?
Krömer: Ich hätte verloren, wenn das jetzt nicht so wäre! Wir haben mit Behinderten gedreht, was auch so ein Thema ist, was ich in der Sendung hatte. Da war ein Behinderter, ein Spastiker, im Publikum und der hat mir den Gang versperrt. Und ich habe gesagt: Jetzt mal bei Seite mit dem fetten Arsch! Also das, was ich zu jedem anderen Menschen auch sagen würde, der zum Beispiel keine Behinderung hat. Und ich habe gemerkt, es war Totenstille im Publikum, weil alle Leute dachten: Ich mach‘ mich jetzt lustig über ihn. Ich habe mich mit dem Mann später an die Bar gestellt, habe stundenlang noch gequatscht und habe ihn gefragt: Sag' mal, fühltest Du Dich jetzt beleidigt? Und er sagte: Ne, ich habe mich integriert gefühlt. Weil: Sonst steh‘ ich irgendwo, die Leute laufen an mir vorbei, weil sie nicht wissen, wie soll ich mit der Situation umgehen? Und von da habe ich gesagt: Okay, ziehen wir das Schema da auch ab und ich drehe halt mit Behinderten und zeige eben, dass wir zusammen gut lachen können – ohne, dass man die Leute diskriminiert, sich lustig über sie macht. Sondern, dass man einfach sagt: Wir holen die mal in unsere Gruppe mit rein.
Siniawski: Late Night und Talk-Runden stecken derzeit ja in einer Sinnkrise. Warum wagen Sie sich auf dieses verminte Feld?
Krömer: Weil ich da der absolute Außenseiter bin und eine Spitzenposition habe. Weil ich mich halt nicht mit Themen auseinandersetzen muss wie: Hilfe, wir werden alle dicker! Es ist ja klar, fünf Talkshows – ich glaube, fünf haben wir jetzt, wa? Vier oder fünf? – da gehen dir die Themen aus. Und ich muss ja nicht so arbeiten. Ich arbeite ja nicht so, dass ich mir zwei, drei, vier, fünf Leute einlade und das Thema Eurokrise irgendwie behandle. Also ich bin ja kein Journalist; das ist ja nicht so, dass ich Themen abarbeiten muss. Ich suche mir meine Themen raus, wo ich ganz genau weiß: Die anderen vier Talkshows werden diese Themen nicht behandeln – und wenn, auf eine ganz andere Art und Weise wie ich.
Siniawski: Wird aber nicht schon viel zu viel getalkt?
Krömer: Sicherlich. Aber was die anderen machen, glaube ich, ist ja immer noch ernsthaft. Wenn ich so Maischberger, Plasberg sehe – ich glaube, die ja jetzt nicht vom komischen Fach, obwohl Plasberg dieses Thema hatte: Hilfe, wir werden alle dicker! Also so Themen, die damals Vera am Mittag hatte bei Sat.1.
Siniawski: Man weiß über Sie, dass Sie Interviews gar nicht so richtig mögen. Warum sind Sie dann gerade mit Talkshows so erfolgreich geworden?
Krömer: Weil es eine Anti-Sache ist. Also ich mag zum Beispiel keine Talkshows. Ich finde das albern, weil da nicht ans Limit gegangen wird, es werden Themen angerissen, aber es wird ja nie irgendwie ein Punkt erreicht, wo man aus so einer Talkshow rausgeht und sagt: Das haben wir jetzt geschafft! Also, wenn ich mir jetzt, sagen wir mal, Frau Maischberger angucke, das ist alles wunderbar, was die macht, aber das verpufft. Nach 45 Minuten ist die Sendung vorbei oder nach einer Stunde, ja und dann schalte ich um auf RTL2 und gucke mir Frauentausch an. Zwei Stunden später weiß ich schon gar nicht mehr, was eigentlich da das Thema war. Und von daher ist das eigentlich immer noch so ein Anti-Ding. Also ich finde auch Show-Biz an sich beschissen. Also ich fühle mich da auch nicht wohl. Ich fühle mich da wie so ein Außerirdischer, der mit diesem ganzen Medienrummel nichts zu tun haben möchte. Und wenn man das genau sieht, bin ich jetzt hier vier Tage im BE, mache meine Sendung und danach bin ich weg vom Fenster. Also ich nehme nicht an Spielshows teil, ich gehe nicht gerne in Talkshows, ich gebe Interviews nur dann, wenn es um die neue Sendung geht, wenn es um Werbung geht. Und ansonsten finde ich in dem ganzen Medienrummel nicht statt – und auch gerne nicht.
Siniawski: Sind Sie aber dennoch stolz darauf, sich als Kind einer Arbeiterfamilie in der Entertainment-Branche fuß gefasst zu haben und wirklich so erfolgreich zu sein?
Krömer: Ja, da ist man stolz drauf. Weil: Das schönste daran ist, dass mir nichts geschenkt worden ist, dass ich mir das alles erarbeitet habe. Ich habe jetzt keine Eltern gehabt, die irgendwie Schauspieler waren oder am Theater waren, und habe mir das selbst erarbeitet. Deswegen bin ich auch so wie ich bin. Weil ich das alles irgendwie in Frage stelle, weil ich halt nicht mit einem goldenen Löffel im Mund aufgewachsen bin und dieses Showbiz, so wie es ist, eben nicht so zu 100 Prozent mag.
Siniawski: Sie haben einmal gesagt: Ich zerstöre mir alles, was ich aufgebaut habe, um mich zu erneuern. Was meinen Sie damit?
Krömer: Man darf sich nicht auf Erfolg ausruhen. Deswegen habe ich auch mit der Fernsehsendung damals aufgehört, was ja auch einen riesen Aufschrei gab: Wie man das in der heutigen Zeit wagen darf, dass man seine Sendung abgibt? Das war genau das Ding. Man muss auch loslassen können. Man darf sich nicht ausruhen. Ich habe mir alles kaputt gemacht, so, dass ich von null wieder anfangen musste. Und wenn du dann wieder am Schreibtisch sitzt und dein Konzept wieder anfängst zu schreiben, dann sind halt die ganzen Fehler, die du gemacht hast damals, die sind erst mal weg. Du erneuerst dich neu und du schläfst nicht ein. Bei dem Format wird das genauso sein, irgendwann ziehe ich dann auch den Stecker und sage: Jetzt machen wir das auch kaputt! Und fange wieder etwas Neues an.
Siniawski: Sie haben sich ein Jahr lang aus dem Fernsehgeschäft zurückgezogen, sind auf Tournee gegangen und haben sich dem Film zugewandt – zum Beispiel spielten Sie die Hauptrolle in der Komödie "Eine Insel namens Udo". Warum nach dem Neuanfang nun doch wieder die Rückkehr zum Fernsehen?
Krömer: Weil mich das Land braucht! Es geht nicht, dass ich die alle alleine lasse mit diesen piefigen Talkshows, die überall laufen und ich fehle da. Also ich kann jetzt nicht aufhören, ich gehe jetzt auf die 40 zu. Es muss diesen Stänkerer geben! Und da bin ich – selber als Neuköllner darf‘ ich so sprechen – die Krätze am Arsch der Mediengesellschaft. Also ich bin derjenige, der dafür sorgt, dass sich alle mal kratzen und sagen: Mann, ist das unangenehm! Sachen ins Gewissen zurückrufen, das ist meine Aufgabe.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Kurt Krömer: Ach, für Neukölln stehe ich immer gerade, bis zum Ende meines Lebens. Ich bin jetzt nicht so ein Porno-Star, der sagt, ich möchte mit der Vergangenheit jetzt nichts mehr zu tun haben und möchte weg von dem Schmuddel-Image. Aber ich bin dann nach Kreuzberg ausgewandert und hab gesagt: Also ich sage jetzt nicht mehr öffentlich, dass ich da noch lebe, weil ich jetzt in Kreuzberg bin. Und von daher ist das eigentlich seit zehn Jahren schon vorbei, dass ich da nicht mehr lebe, aber die Fahnen in jedem Interview eigentlich für Neukölln immer noch hochhalte.
Siniawski: Naja, aber rein optisch haben Sie sich ja schon verändert: Statt dem strengen Scheitel und den gemusterten Sakkos, jetzt Wuschelfrisur, Dreitagebart und modischer Anzug – Ist dieser Stilwechsel auch ein Image-Wechsel?
Krömer: Ja, das ging ja rauf und runter durch die Presse, dass ich gedacht habe: Haben wir in Deutschland eigentlich keine anderen Probleme, als dass sich hier so ein Dödel die Haare nicht mehr zur Seite kämmt, sondern eben nach oben? Also ich habe vorab nicht gewusst, was ich damit anrichte, dass Leute auch vergessen haben – viele Journalisten – über Inhalte zu sprechen, weil sie total perplex waren. Also für mich war das kein ausgedachter Image-Wechsel. Ich sage auch immer – gerade auch jetzt hier im BE – die Sendung, das ist eine Fernsehsendung, die sehr viel Live-Charakter hat. Also ich verbinde Fernsehen mit dem, was ich sonst auch mache, dass ich live auf der Bühne bin, durch ganz Deutschland fahre, Schweiz und Österreich. Und von daher ist es eine Erweiterung.
Siniawski: Aber ist ja ganz schön mutig, die Figur Kurt Krömer zu verändern. Einen Nerd wie Olaf Schubert zum Beispiel nach einer Styling-Beratung, das könnte man sich dann doch schwer vorstellen. Warum glauben Sie, dass der Image-Wechsel bei Kurt Krömer funktioniert?
Krömer: Das ist ja das große Problem – vielleicht habe ich deswegen auch die Sachen abgelegt, diese quietsch-bunten Anzüge –, dass ich ja keine Kunstfigur bin. In erster Linie bin ich ein Clown, der damals eine Sendung hatte, die quasi eine Persiflage war auf Talkshows und wo ich versucht habe, durch quietschige Anzüge zu zeigen: Das ist jetzt kein Beckmann, das ist auch keine Maischberger, das ist kein Markus Lanz, also da stimmt was nicht. Das war für mich immer so eine Anti-Talkshow quasi. Dieses Erkennungsmerkmal ist weg, dass da jemand bunte Anzüge hat. Aber, wie gesagt, der Inhalt ist ja immer noch da und der ist auch wichtiger, als das Outfit. Wenn Du unseriös bist, bist Du auch im Armani-Anzug unseriös.
Siniawski: Kommen wir zu den Inhalten. In der Vorankündigung zur Show heißt es: Themen wie Migration, Rechtsradikalismus und Afghanistan werden nicht ausgespart, im Gegenteil. Was kommt auf uns zu?
Krömer: Der Auslöser dafür war, dass ich im Tempodrom gespielt hab, letztes Jahr, und dann im Backstage war und Leute, Freunde von mir, wie Thomas Quasthoff zum Beispiel, dass ein Schauspieler von der Schaubühne mit dabei war, und das war echt eine illustre Runde. Und dann ging es auf einmal um Nationalsozialismus, dass wir uns gefragt haben: Wie wär das denn mit Thomas Quasthoff in der Nazizeit gewesen? Hätte der mich besuchen dürfen? Wäre ich in der Nazizeit überhaupt aufgetreten oder wäre ich ausgewandert? Und dann habe ich gemerkt, dass die politische Schärfe, die hat eigentlich erst nach der Show stattgefunden. Und das war so eine Zündung im Kopf, wo ich dachte: Naja, warum das jetzt im Verborgenen lassen? Bring‘ doch die Themen auf die Bühne und behandle die halt mit Humor! Und das heißt jetzt nicht, dass wir uns darüber lustig machen, aber dass wir uns die lustigen Momente raussuchen. Bis heute wird Hitler immer noch verarscht und als Blödmann dargestellt – was ich richtig finde, und ich auch denke, das darf auch nicht aufhören.
Siniawski: Aber Kurt Krömer steht ja, oder stand bisher, für Anarchismus und Dilettantismus. Kann man auf diese Weise auch ernste Themen anpacken?
Krömer: Ich hätte verloren, wenn das jetzt nicht so wäre! Wir haben mit Behinderten gedreht, was auch so ein Thema ist, was ich in der Sendung hatte. Da war ein Behinderter, ein Spastiker, im Publikum und der hat mir den Gang versperrt. Und ich habe gesagt: Jetzt mal bei Seite mit dem fetten Arsch! Also das, was ich zu jedem anderen Menschen auch sagen würde, der zum Beispiel keine Behinderung hat. Und ich habe gemerkt, es war Totenstille im Publikum, weil alle Leute dachten: Ich mach‘ mich jetzt lustig über ihn. Ich habe mich mit dem Mann später an die Bar gestellt, habe stundenlang noch gequatscht und habe ihn gefragt: Sag' mal, fühltest Du Dich jetzt beleidigt? Und er sagte: Ne, ich habe mich integriert gefühlt. Weil: Sonst steh‘ ich irgendwo, die Leute laufen an mir vorbei, weil sie nicht wissen, wie soll ich mit der Situation umgehen? Und von da habe ich gesagt: Okay, ziehen wir das Schema da auch ab und ich drehe halt mit Behinderten und zeige eben, dass wir zusammen gut lachen können – ohne, dass man die Leute diskriminiert, sich lustig über sie macht. Sondern, dass man einfach sagt: Wir holen die mal in unsere Gruppe mit rein.
Siniawski: Late Night und Talk-Runden stecken derzeit ja in einer Sinnkrise. Warum wagen Sie sich auf dieses verminte Feld?
Krömer: Weil ich da der absolute Außenseiter bin und eine Spitzenposition habe. Weil ich mich halt nicht mit Themen auseinandersetzen muss wie: Hilfe, wir werden alle dicker! Es ist ja klar, fünf Talkshows – ich glaube, fünf haben wir jetzt, wa? Vier oder fünf? – da gehen dir die Themen aus. Und ich muss ja nicht so arbeiten. Ich arbeite ja nicht so, dass ich mir zwei, drei, vier, fünf Leute einlade und das Thema Eurokrise irgendwie behandle. Also ich bin ja kein Journalist; das ist ja nicht so, dass ich Themen abarbeiten muss. Ich suche mir meine Themen raus, wo ich ganz genau weiß: Die anderen vier Talkshows werden diese Themen nicht behandeln – und wenn, auf eine ganz andere Art und Weise wie ich.
Siniawski: Wird aber nicht schon viel zu viel getalkt?
Krömer: Sicherlich. Aber was die anderen machen, glaube ich, ist ja immer noch ernsthaft. Wenn ich so Maischberger, Plasberg sehe – ich glaube, die ja jetzt nicht vom komischen Fach, obwohl Plasberg dieses Thema hatte: Hilfe, wir werden alle dicker! Also so Themen, die damals Vera am Mittag hatte bei Sat.1.
Siniawski: Man weiß über Sie, dass Sie Interviews gar nicht so richtig mögen. Warum sind Sie dann gerade mit Talkshows so erfolgreich geworden?
Krömer: Weil es eine Anti-Sache ist. Also ich mag zum Beispiel keine Talkshows. Ich finde das albern, weil da nicht ans Limit gegangen wird, es werden Themen angerissen, aber es wird ja nie irgendwie ein Punkt erreicht, wo man aus so einer Talkshow rausgeht und sagt: Das haben wir jetzt geschafft! Also, wenn ich mir jetzt, sagen wir mal, Frau Maischberger angucke, das ist alles wunderbar, was die macht, aber das verpufft. Nach 45 Minuten ist die Sendung vorbei oder nach einer Stunde, ja und dann schalte ich um auf RTL2 und gucke mir Frauentausch an. Zwei Stunden später weiß ich schon gar nicht mehr, was eigentlich da das Thema war. Und von daher ist das eigentlich immer noch so ein Anti-Ding. Also ich finde auch Show-Biz an sich beschissen. Also ich fühle mich da auch nicht wohl. Ich fühle mich da wie so ein Außerirdischer, der mit diesem ganzen Medienrummel nichts zu tun haben möchte. Und wenn man das genau sieht, bin ich jetzt hier vier Tage im BE, mache meine Sendung und danach bin ich weg vom Fenster. Also ich nehme nicht an Spielshows teil, ich gehe nicht gerne in Talkshows, ich gebe Interviews nur dann, wenn es um die neue Sendung geht, wenn es um Werbung geht. Und ansonsten finde ich in dem ganzen Medienrummel nicht statt – und auch gerne nicht.
Siniawski: Sind Sie aber dennoch stolz darauf, sich als Kind einer Arbeiterfamilie in der Entertainment-Branche fuß gefasst zu haben und wirklich so erfolgreich zu sein?
Krömer: Ja, da ist man stolz drauf. Weil: Das schönste daran ist, dass mir nichts geschenkt worden ist, dass ich mir das alles erarbeitet habe. Ich habe jetzt keine Eltern gehabt, die irgendwie Schauspieler waren oder am Theater waren, und habe mir das selbst erarbeitet. Deswegen bin ich auch so wie ich bin. Weil ich das alles irgendwie in Frage stelle, weil ich halt nicht mit einem goldenen Löffel im Mund aufgewachsen bin und dieses Showbiz, so wie es ist, eben nicht so zu 100 Prozent mag.
Siniawski: Sie haben einmal gesagt: Ich zerstöre mir alles, was ich aufgebaut habe, um mich zu erneuern. Was meinen Sie damit?
Krömer: Man darf sich nicht auf Erfolg ausruhen. Deswegen habe ich auch mit der Fernsehsendung damals aufgehört, was ja auch einen riesen Aufschrei gab: Wie man das in der heutigen Zeit wagen darf, dass man seine Sendung abgibt? Das war genau das Ding. Man muss auch loslassen können. Man darf sich nicht ausruhen. Ich habe mir alles kaputt gemacht, so, dass ich von null wieder anfangen musste. Und wenn du dann wieder am Schreibtisch sitzt und dein Konzept wieder anfängst zu schreiben, dann sind halt die ganzen Fehler, die du gemacht hast damals, die sind erst mal weg. Du erneuerst dich neu und du schläfst nicht ein. Bei dem Format wird das genauso sein, irgendwann ziehe ich dann auch den Stecker und sage: Jetzt machen wir das auch kaputt! Und fange wieder etwas Neues an.
Siniawski: Sie haben sich ein Jahr lang aus dem Fernsehgeschäft zurückgezogen, sind auf Tournee gegangen und haben sich dem Film zugewandt – zum Beispiel spielten Sie die Hauptrolle in der Komödie "Eine Insel namens Udo". Warum nach dem Neuanfang nun doch wieder die Rückkehr zum Fernsehen?
Krömer: Weil mich das Land braucht! Es geht nicht, dass ich die alle alleine lasse mit diesen piefigen Talkshows, die überall laufen und ich fehle da. Also ich kann jetzt nicht aufhören, ich gehe jetzt auf die 40 zu. Es muss diesen Stänkerer geben! Und da bin ich – selber als Neuköllner darf‘ ich so sprechen – die Krätze am Arsch der Mediengesellschaft. Also ich bin derjenige, der dafür sorgt, dass sich alle mal kratzen und sagen: Mann, ist das unangenehm! Sachen ins Gewissen zurückrufen, das ist meine Aufgabe.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.