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Die Kraft des Meeres

Energie.- Wenn es um erneuerbare Energien geht, ist meist von Windrädern, Solarzellen und Biogasanlagen die Rede. Doch es gibt noch andere Möglichkeiten, Strom klimaschonend zu erzeugen. Ein enormes Potenzial steckt im Meer.

Von Frank Grotelüschen |
    "Wir sind im äußersten Nordwesten Dänemarks, in Hanstholm. Hier haben wir viel Wind und Wellen. Und zwar manchmal sehr, sehr hohe Wellen."

    Ein Industriegebiet direkt an der Nordsee, es sind Fischmehlfabriken. Keine sehr gastliche Umgebung, die sich Laurent Marquis für seine Anlage ausgesucht hat. Der Franzose ist technischer Direktor der Firma Wavestar. Die Anlage steht direkt im Meer, 300 Meter von der Küste und den Fischmehlfabriken entfernt. Es ist der Prototyp für ein Wellenkraftwerk. Seit Anfang des Jahres ist es in Betrieb.

    "Wir gehen jetzt zu unserer Maschine. Sie liegt am Ende des ehemaligen Hafenpiers von Hanstholm. Er ist 300 Meter lang, und wir haben eine Fußgängerbrücke auf ihn gesetzt, um unabhängig vom Seegang zu unserer Maschine laufen zu können."

    Die Maschine ist eine flacher Metallbau auf vier Stelzen. Im ersten Augenblick könnte man sie für eine Ölbohrinsel im Miniformat halten. Doch dann sieht man aus der Seite zwei große, kugelige Bojen ragen. Sie schwimmen auf dem Wasser und bewegen sich im Seegang auf und ab.

    "Die Bojen bestehen aus Glasfaser und sind an mechanischen Armen an der Plattform befestigt. Jeder Arm ist mit einem Hydraulikzylinder verbunden. Wenn die Boje im Seegang wogt, bewegt sie den Zylinder auf und ab. Er treibt dann eine Pumpe an, die mit einem Stromgenerator verbunden ist."

    Marquis ist auf der Plattform angekommen und öffnet eine Tür. Das Innenleben von Wavestar: wuchtige Blöcke aus Stahl, lange Rohrleitungen, Schaltschränke für die Elektrik.

    "Die Maschine ist groß wie ein Schiff: 40 Meter lang und fast 30 Meter breit. Sie wurde auf einer Werft in Danzig gebaut. Hier sind die ganzen Hydraulikpumpen und Generatoren aufgestellt."

    Die Pumpen singen, die Generatoren dröhnen. Jeder der beiden Schwimmkörper leistet bis zu 50 Kilowatt, soviel wie der Motor eines Kleinwagens. Heute aber ist die See ruhig, die Wellen sind kaum einen halben Meter hoch. Die Bojen dümpeln träge vor sich hin und leisten nur ein paar Kilowatt.

    "Optimal ist eine Wellenhöhe von 2,5 Metern. Dann ernten wir die meiste Energie. Sind die Wellen allerdings höher als drei Meter, fahren wir die Bojen hoch, damit sie nicht beschädigt werden. Und bei einem handfesten Sturm können wir die ganze Plattform hochfahren, um bis zu zehn Meter. Dann sind wir sicher vor dem Sturm – ein Vorteil gegenüber anderen Wellenkraftwerken, die sich komplett im Wasser befinden."

    Weitere Vorteile: Die meisten Komponenten befinden sich im Inneren der Anlage, sind also gegen das aggressive Seewasser geschützt. Und da Wavestar über eine Brücke mit dem Land verbunden ist, lässt es sich relativ einfach warten und reparieren.

    "Außerdem erzeugt Wavestar auch bei geringem Seegang Strom. Doch es gibt natürlich auch Nachteile: Mit unserer Maschine können wir nicht auf hoher See arbeiten, sondern nur in Küstennähe, in Wassertiefen bis etwa 15 Metern."

    Dennoch, sagt Marquis: Allein in Europa gäbe es genug Standorte: außer Dänemark etwa die Küsten von Irland, Schottland, Portugal und Frankreich. Gedacht ist an große Parks von Wellenkraftwerken, jedes mit 20 Schwimmkörpern statt der zwei vom Prototypen in Hanstholm. Das Problem: Im Moment ist die Technik noch viel zu teuer.

    "Wir müssen die Kosten drastisch reduzieren – gegenüber dem Prototyp hier um 90 Prozent. Zum Glück wissen wir schon, wie wir die Anlage um die Hälfte billiger bauen können, etwa durch ein effizienteres Hydrauliksystem. Aber das reicht noch nicht. Wir müssen noch weiter mit dem Preis runter."

    Und so wird es wohl noch dauern, bis die Wellenenergie mit der Windkraft konkurrieren kann – das erklärte Ziel in den nächsten Jahren. Laurent Marquis jedenfalls hofft, bis 2012 das erste kommerzielle Kraftwerk zu bauen, dass seine Energie aus der Kraft der Wellen schöpft.