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Die Kriegsgeschichten der 68er

Dem inzwischen etablierten Genre "RAF-Film" steuert Nina Grosse nun ein Kammerspiel bei: Sieben Menschen an einem Wochenende auf dem Land und Wahrheiten, die sie einander schon längst einmal sagen wollten. Das ist ein bisschen konstruiert. Aber wie sonst soll man begreifen, was in den 70er-Jahren in Deutschland geschah?

Von Josef Schnelle | 06.04.2013
    "Ist das nicht toll?" – "Ist doch herrlich. Wo findet man denn so was?" – "Auf dem Flohmarkt in Neukölln." – "Findest Du das witzig?" – "Natürlich. Das ist doch genial. Das bringt das so was auf den Punkt. Süße kleine Teenies tragen das im Berghain und sind der Hingucker. Du hast es geschafft Mann. Du bist Pop"

    Der eine Exterrorist schenkt dem anderen ein T-Shirt. Die berühmten Porträts der Staatsfeinde von einst auf dem Fahndungsplakat der Terroraktivisten der Roten Armee Fraktion sind darauf abgebildet und zum Kult geworden. Sie bedeuten nichts mehr. Stehen für nichts als eine diffuse Protesthaltung. Man kann sie auch als schicke Mode begreifen. Das ist die bittere Wahrheit, die Jens begreifen muss, als er nach 18 Jahren aus dem Knast entlassen wird. Schwester Tina will ihm eine Freude bereiten und lädt alte Freunde und seine Ex-Geliebte in ein Haus ins Brandenburgische. Eine Willkommensparty soll das sein. In diesem Film nach Bernhard Schlinks Roman wird sie sehr schnell zu einer Abrechnung mit falschen Idealen, Schuld und Sühne, Starrsinn und Verstrickung.

    "Ich muss das jetzt..." – "Hör endlich auf damit. Dieser inquisitorische Ton. Ich kann das nicht mehr hören. Wir sind alle hier um Deine Entlassung zu feiern, dass Du endlich draußen bist, in Freiheit. Und Dir fällt nichts anderes ein, als diese alten Scheißgeschichten wieder rauszuholen. Es ist zum Kotzen." – "Ich hab Dich nicht gebeten diese Leute einzuladen." – "Also wer war´s denn jetzt Freunde? Wer hat ihm die 18 Jahre verschafft. Normalen Strafvollzug anstatt dass er im Kampf erschossen wird, wie sich das gehört für 'nen ordentlichen Revolutionshelden." – " Halt die Klappe."

    Ein Kammerspiel. Von Bildgestalter Benedict Neuenfels in düstere Brauntöne getaucht. Diese Höhle hat etwas von Hölle. Sieben Menschen an einem Wochenende auf dem Land und die Wahrheiten, die sie einander schon längst einmal sagen wollten. Das ist ein bisschen konstruiert. Aber wie sonst soll man begreifen, was in den 70er-Jahren in Deutschland geschah. Ein Teil der Studentenbewegung der 68er radikalisierte sich und sah sich als Stadtguerilla, die durch symbolische Gewaltaktionen zu einer Revolution in Deutschland führen sollte. Fast 40 Mordopfer werden der RAF zugerechnet. Geschichten aus dieser Zeit der Bundesrepublik haben sich inzwischen zu einem veritablen Filmgenre ausgewachsen. Uli Edel machte daraus 2008 mit "Der Baader-Meinhof Komplex" eine knallige Action-Geschichte. Christian Petzold erkundete 2000 in "Die Innere Sicherheit" das Leben der Tochter eines im Untergrund lebenden Terroristenpaares. Andres Veiel erzählte 2011 in "Wer wenn nicht wir" die Vorgeschichte von Gudrun Ensslin und Bernward Vesper in der spießigen Tapetenkulisse der alten Bundesrepublik. Irgendwann wird man an diesen Geschichten einmal die geheime Chronik der Bundesrepublik am Zeitbruch zu Politikern aus der 68er-Bewegung wie Joschka Fischer, Jürgen Trittin und Daniel Cohn-Bendit ableiten können. Sylvester Groth repräsentiert in dem mit Stars ein wenig überfrachteten Film als Henner einen der alten Kämpfer, die sich inzwischen komfortabel eingerichtet haben. Er hat ein erfolgreiches Buch über diese Zeit geschrieben.

    "Haben Sie´s gelesen?" – " Ja, sicher." – " Ist ja gut zu wissen." – "Und – wie finden Sie´s?" – "Verlogen." – "Okay, warum verlogen?" – "Weil Du 'ne billige Psychonummer draus machst." - " Ist ganz banal. Ihr wart Killer."

    Der Kern des Films ist jedoch keineswegs eine politische Analyse der RAF und ihrer Fehler und Irrwege. Im Unterschied zum Roman, der diesen Anspruch hat, spielen ganz normale Familiengeschichten, die von Verrat, Enttäuschungen und Generationsbrüchen erzählen, die Hauptrolle. Ein Verdacht drängt sich auf. Vielleicht sind die Erzählungen von der RAF ja die Kriegsgeschichten der 68-Generation, die keinen Krieg erleben musste. Die eindrucksvollste Konfrontation ist natürlich deshalb die von Jens und seinem halbwüchsigen Sohn für den er nie da gewesen ist. Die Arroganz des selbsternannten Berufsrevolutionärs bleibt gerade ihm gegenüber bestehen.

    "Komm Gregor wir gehen." – " Wir gehen jetzt nirgendwo hin und wir tun auch nicht so, als ob alles in Ordnung wäre. Los mach dein Maul auf." – "Okay, ich mach´s Maul auf." – "Ich will, dass du dich entschuldigst für dein mieses verpfuschtes Leben." – " An mich wird man sich erinnern. An dich nicht."