Dieser schlagartige Absturz hat einerseits für viel Frust gesorgt und vor allem Ebbe im Portemonnaie, aber das kulturelle Leben im Norden Europas völlig neu belebt.
Þórgerður Olafsdóttir hat die fetten Jahre nur als Zuschauerin erlebt - bei Ausstellungseröffnungen mit Champagner und Party:
"Es war alles glamourös, nobel und die Banken haben viel gesponsert, es war viel Geld im Spiel - und der Handel mit Kunst lief wohl auch besser, aber das war irgendwie nicht real."
Dieser Zeit weint sie keine Träne nach. Auch wenn sie gerade zwei äußerst anstrengende Jahre hinter sich hat. Die heute 26-Jährige beendete im Krisenherbst gerade ihr Studium an der Kunsthochschule in Reykjavík. Ihr Jahrgang hatte nichts zu erwarten, es gab kein Geld mehr. Þórgerður Olafsdóttir musste selbst einen Weg finden und gründete zusammen mit anderen Künstlern aus ihrem Jahrgang die Galerie "Crymo":
"Es wurde zur Spielwiese, ein Experiment, in dem sich jeder ausprobieren konnte, der halbe Jahrgang hat da mitgemacht und hatte dort Raum, um auszustellen. 'Crymo' war offen. In den Jahren vorher war der Kunstbetrieb eine nahezu geschlossene Gesellschaft zwar mit viel Geld, aber für junge Künstler unerreichbar."
Ideen gab es viele, jeden Monat ein oder sogar zwei Ausstellungen. Nur Mittel gab es keine. Jeden Monat mussten sie sehen, wie sie die Miete für den nächsten Monat zusammen bekommen. Nach zwei Jahren ist die Luft raus, "Crymo" als Projekt beendet. Immerhin haben sie Zuschüsse bekommen für ein Buch, das noch in diesem Monat erscheinen wird, das die Geschichte der Galerie, der Künstler und ihrer Werke dokumentiert.
Þórgerður Olafsdóttir wird ab September wieder studieren. Sie will in Glasgow ihren Master in Bildender Kunst machen:
"Der Druck ist weg. In den Jahren vor der Krise ging es immer nur um Geld, um Statussymbole und es waren irgendwie alle angesteckt von der Aussicht größer zu werden, an Bedeutung zu gewinnen. Auch Künstler. Sogar linksorientierte Gruppen diskutierten über mögliche Finanzierungsquellen. Jetzt hat man eigentlich viel mehr Freiheit das zu machen, was einem wirklich wichtig ist und nicht, was einen finanziell oder karrieremäßig voranbringen könnte.”"
Örvar þóreyjarson Smárason ist einer der beiden Bandleader von Múm. Die Gruppe ist schon seit Jahren im Musikbusiness und eine der ganz wenigen in Island mit internationalem Label. Sie nehmen sich für ihre Alben viel Zeit, produzieren an verschiedenen Orten, die ihnen Ruhe geben und sie zugleich inspirieren.
Seine Frau, eine bekannte Schauspielerin in Island, ist dagegen sehr viel stärker als er von der Krise betroffen. Durch die Mittelkürzungen am Theater und im Filmgeschäft. Obwohl es für Künstler deutlich härter geworden ist, von ihrer Kunst zu leben, fühlen sich die beiden mit ihrer fast dreijährigen Tochter dennoch sehr viel wohler in der Post-Krisen-Gesellschaft:
""Man hat herausgefunden, dass Kinder heute glücklicher sind als vor der Krise. Ich weiß nicht, inwieweit das wissenschaftlich belegt ist, aber es ist für mich einleuchtend. Der Druck des Geldes kann eine Gesellschaft vollkommen durchdringen, das hat am Ende Einfluss auf jeden."
Noch nie hat Silja Aðalsteinsdóttir so viele Manuskripte auf dem Schreibtisch gehabt wie in den vergangenen beiden Jahren. Und die Verlegerin ist beim alteingesessenen Verlag Mál og Menning schon sehr lange im Geschäft. Vieles davon sind einfache Geschichten darüber, wie die Krise das Leben der Menschen verändert hat. Aber es sind auch Werke darunter, die neue Denkanstöße geben, das Ganze historisch einordnen, alten Stoff neu entdecken oder es sogar aus einem fantastisch-grotesken Blickwinkel betrachten.
"Der Büchermarkt ist merklich größer geworden, und die Menschen wollen auch mehr lesen. Genauso wie sie mehr ins Theater gehen und Konzerte besuchen. Sie wollen einfach mehr isländische Kultur erleben. Ich finde auch, es entstehen zur Zeit viele gute Werke."
Beeindruckt war sie etwa von Steinar Bragis Werk "Konur" – der auf deutsch Ende des Monats unter dem Titel "Frauen" erscheinen wird. Abgedreht und surrealistisch. Eine Frau, eingesperrt in einem Luxusappartment, das für sie zum Alptraum wird. Geschrieben in den Wohlstandsjahren. Veröffentlicht 2008 traf es im Krisen-Island genau den Nerv.
"Es wurde zur Metapher."
Eine Metapher dafür, wie die Superreichen die Menschen behandelten.
Und wenn Silja Aðalsteinsdóttir nun zurückschaut auf das letzte Jahrzehnt, dann steht für sie fest:
"”Was den Geist betrifft, war die Krise das Beste, was uns passieren konnte. Wenn man bedenkt, wie abgedriftet wir alle schon waren. Und zwar genau zu dem Zeitpunkt und mit genau dieser Wucht.""
Þórgerður Olafsdóttir hat die fetten Jahre nur als Zuschauerin erlebt - bei Ausstellungseröffnungen mit Champagner und Party:
"Es war alles glamourös, nobel und die Banken haben viel gesponsert, es war viel Geld im Spiel - und der Handel mit Kunst lief wohl auch besser, aber das war irgendwie nicht real."
Dieser Zeit weint sie keine Träne nach. Auch wenn sie gerade zwei äußerst anstrengende Jahre hinter sich hat. Die heute 26-Jährige beendete im Krisenherbst gerade ihr Studium an der Kunsthochschule in Reykjavík. Ihr Jahrgang hatte nichts zu erwarten, es gab kein Geld mehr. Þórgerður Olafsdóttir musste selbst einen Weg finden und gründete zusammen mit anderen Künstlern aus ihrem Jahrgang die Galerie "Crymo":
"Es wurde zur Spielwiese, ein Experiment, in dem sich jeder ausprobieren konnte, der halbe Jahrgang hat da mitgemacht und hatte dort Raum, um auszustellen. 'Crymo' war offen. In den Jahren vorher war der Kunstbetrieb eine nahezu geschlossene Gesellschaft zwar mit viel Geld, aber für junge Künstler unerreichbar."
Ideen gab es viele, jeden Monat ein oder sogar zwei Ausstellungen. Nur Mittel gab es keine. Jeden Monat mussten sie sehen, wie sie die Miete für den nächsten Monat zusammen bekommen. Nach zwei Jahren ist die Luft raus, "Crymo" als Projekt beendet. Immerhin haben sie Zuschüsse bekommen für ein Buch, das noch in diesem Monat erscheinen wird, das die Geschichte der Galerie, der Künstler und ihrer Werke dokumentiert.
Þórgerður Olafsdóttir wird ab September wieder studieren. Sie will in Glasgow ihren Master in Bildender Kunst machen:
"Der Druck ist weg. In den Jahren vor der Krise ging es immer nur um Geld, um Statussymbole und es waren irgendwie alle angesteckt von der Aussicht größer zu werden, an Bedeutung zu gewinnen. Auch Künstler. Sogar linksorientierte Gruppen diskutierten über mögliche Finanzierungsquellen. Jetzt hat man eigentlich viel mehr Freiheit das zu machen, was einem wirklich wichtig ist und nicht, was einen finanziell oder karrieremäßig voranbringen könnte.”"
Örvar þóreyjarson Smárason ist einer der beiden Bandleader von Múm. Die Gruppe ist schon seit Jahren im Musikbusiness und eine der ganz wenigen in Island mit internationalem Label. Sie nehmen sich für ihre Alben viel Zeit, produzieren an verschiedenen Orten, die ihnen Ruhe geben und sie zugleich inspirieren.
Seine Frau, eine bekannte Schauspielerin in Island, ist dagegen sehr viel stärker als er von der Krise betroffen. Durch die Mittelkürzungen am Theater und im Filmgeschäft. Obwohl es für Künstler deutlich härter geworden ist, von ihrer Kunst zu leben, fühlen sich die beiden mit ihrer fast dreijährigen Tochter dennoch sehr viel wohler in der Post-Krisen-Gesellschaft:
""Man hat herausgefunden, dass Kinder heute glücklicher sind als vor der Krise. Ich weiß nicht, inwieweit das wissenschaftlich belegt ist, aber es ist für mich einleuchtend. Der Druck des Geldes kann eine Gesellschaft vollkommen durchdringen, das hat am Ende Einfluss auf jeden."
Noch nie hat Silja Aðalsteinsdóttir so viele Manuskripte auf dem Schreibtisch gehabt wie in den vergangenen beiden Jahren. Und die Verlegerin ist beim alteingesessenen Verlag Mál og Menning schon sehr lange im Geschäft. Vieles davon sind einfache Geschichten darüber, wie die Krise das Leben der Menschen verändert hat. Aber es sind auch Werke darunter, die neue Denkanstöße geben, das Ganze historisch einordnen, alten Stoff neu entdecken oder es sogar aus einem fantastisch-grotesken Blickwinkel betrachten.
"Der Büchermarkt ist merklich größer geworden, und die Menschen wollen auch mehr lesen. Genauso wie sie mehr ins Theater gehen und Konzerte besuchen. Sie wollen einfach mehr isländische Kultur erleben. Ich finde auch, es entstehen zur Zeit viele gute Werke."
Beeindruckt war sie etwa von Steinar Bragis Werk "Konur" – der auf deutsch Ende des Monats unter dem Titel "Frauen" erscheinen wird. Abgedreht und surrealistisch. Eine Frau, eingesperrt in einem Luxusappartment, das für sie zum Alptraum wird. Geschrieben in den Wohlstandsjahren. Veröffentlicht 2008 traf es im Krisen-Island genau den Nerv.
"Es wurde zur Metapher."
Eine Metapher dafür, wie die Superreichen die Menschen behandelten.
Und wenn Silja Aðalsteinsdóttir nun zurückschaut auf das letzte Jahrzehnt, dann steht für sie fest:
"”Was den Geist betrifft, war die Krise das Beste, was uns passieren konnte. Wenn man bedenkt, wie abgedriftet wir alle schon waren. Und zwar genau zu dem Zeitpunkt und mit genau dieser Wucht.""