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Die Krux mit den Gutschriften

Der Handel mit Emissionsrechten soll den Klimaschutz voranbringen. Doch die Wirtschaft sucht nach Schlupflöchern, um die Auflagen in Europa zu umgehen. Sie lässt sich Klimaschutz im Ausland für das Inland gutschreiben.

Von Ralph Ahrens |
    Klimaschutz ist in. So verkündeten die 27 EU-Staats- und Regierungschefs im letzten Jahr ehrgeizige Klimaschutzziele: Bis 2020 soll die EU 20 Prozent weniger Treibhausgase emittieren als 1990 - und sogar 30 Prozent weniger, wenn sich die Staatengemeinschaft auf ein Kyoto-Nachfolgeabkommen einigt. Hinter diesen Zahlen verbirgt sich für Delia Villagrasa von Umweltverband WWF jedoch auch heiße Luft:

    "Schon ein bisschen, finde ich. Weil: Die Leute meinen dann, wir selber reduzieren ein Drittel. Aber eben das ist nicht so. Das ist wirklich leider nicht so."

    Denn was die EU-Staats- und Regierungschefs 2007 ankündigten, versucht die Europäische Kommission jetzt umzusetzen:

    "Die Kommission hat vorgesehen, dass unter dem 20-Prozent-Ziel ein Drittel der Reduktion überhaupt nicht in Europa stattfinden soll, sondern irgendwo in Entwicklungsländern."

    Und für den Fall, dass es ein Kyoto-Nachfolgeabkommen gibt,

    "dann hat die Kommission vorgeschlagen, dass sogar die Hälfte dieser zusätzlichen 10 Prozent - also von 20 auf 30 Prozent - mit Projekten irgendwo im Ausland gemacht werden dürfe."

    Der Trick: Wer in ausländische Klimaschutzprojekte investiert und sie sich vom Klimasekretariat der Vereinten Nationen genehmigen lässt, kann die dabei eingesparten Treibhausgasemissionen in Klimagutschriften umwandeln, diese selber nutzen oder verkaufen. Man spricht von CDM-Projekten in Entwicklungsländern und JI-Projekten in anderen Industrieländern. Die deutsche Wirtschaft kauft solche Klimagutschriften bereits. Denn damit darf sie mehr Treibhausgase emittieren, als ihr nach dem Emissionshandel eigentlich zusteht. Franzjosef Schaffhausen vom Bundesumweltministerium:

    "Sie darf in Deutschland mehr emittieren, muss dafür aber an anderer Stelle Emissionen vermindern - und das ist unter ökonomischen Gesichtspunkten auch richtig. Denn es ist ein globales Problem, über das wir hier reden. Und bei einem globalen Problem spielt es - jedenfalls physikalisch - keine Rolle, wo emittiert wird oder wo reduziert wird. Denn für die Atmosphäre kommt es darauf an, dass reduziert wird."

    Mit den neuen Klimaschutzzielen für 2020 werden ausländische Klimaschutzprojekte für die Kraftwerke und die Großindustrie noch wichtiger. Denn es kann oft preiswerter sein, die Energieffizienz in einem alten indischen Zementwerk zu verbessern und sich die eingesparten CO2-Emissionen gutschreiben zu lassen, als im eigenen Werk zu investieren oder sich CO2-Zertifikate an der Klimabörse zu kaufen. Die EU-Klimaschutzziele betreffen aber auch das Gewerbe, den Verkehrssektor und Privatpersonen. Franzjosef Schaffhausen:

    "In dem Augenblick, wo wir ein internationales Abkommen bekommen, wird die Europäische Kommission und die Europäische Union 30 Prozent verwirklichen müssen. In dem Augenblick würde CDM und Joint Implementation auch für die Bundesrepublik Deutschland wieder erforderlich sein, weil dann die Meseberg-Beschlüsse jedenfalls so, wie sie jetzt auf dem Tisch liegen, nicht ausreichen werden, um die notwendige Minderung in Deutschland dann sicherzustellen","

    weil dann die bisher vorgesehene Förderung etwa der Altbausanierung oder des Ausbaus der Kraft-Wärme-Kopplung nicht ausreichen werde.

    Umweltschützer wie Delia Villagrasa von WWF befürchten daher, dass Klimagutschriften aus ausländischen Klimaschutzprojekten vor allem dazu genutzt werden, selber zu wenig zu tun:

    ""Wenn man möchte, dass Technologien entwickelt werden, wenn Innovationen und auch Arbeitsplätze bei uns geschaffen werden sollten, dann muss man schauen, dass das bei uns passiert, damit wir diese Technologien auch exportieren können."

    Doch dazu braucht man strengere Klimaschutzziele:

    "Was wir als WWF sagen, dass die EU 30 Prozent Reduktion zu Hause machen soll plus die Hälfte davon, also wenn man will noch mal 15 Prozent, mit externen Krediten draufhauen soll. Dann hätten wir was, was wirklich dazu führen könnte, dass nicht nur wir als EU die Reduktion schaffen, sondern dass wir einen richtigen tollen Beitrag dazu leisten, dass die Entwicklungsländer das schaffen."