Der Platz vor der Kiewer Michaelskathedrale erstrahlt im Licht von tausenden Kerzen, strahlenförmig um ein Kreuz angeordnet. Noch nie haben so viele Ukrainer ihren Volkstrauertag gefeiert wie in diesem Jahr. In allen Teilen des Landes wollten die Menschen der Opfer der großen Hungersnot gedenken, die hier vom Frühling 1932 bis zum Herbst 1933 herrschte. Im Ukrainischen gibt es für dieses Ereignis sogar einen eigenen Namen: "Holodomor".
Wassil Ostaptschuk aus dem Gebiet von Schytomir war in der Zeit des Holodomor drei Jahre alt:
" In meinem Dorf ist vor Hunger die Hälfte der Menschen gestorben. Das Schlimmste war, dass die Not viele zu Menschenfressern machte. Wenn jemand starb, hat man sich ein Stück von der Leiche abgeschnitten und dieses Fleisch gegessen. Gott sei dank haben wir in unserem Dorf niemanden umgebracht, um ihn aufzuessen. In anderen Gegenden, so erzählt man sich, war das Gang und Gäbe. Besonders Kleinkinder wurden damals umgebracht. "
Historiker schätzen, dass damals sieben bis elf Millionen Ukrainer starben – etwa ein Viertel der Bevölkerung.
Doch beim Holodomor handelte es sich nicht etwa um eine Naturkatastrophe. Die Hungersnot wurde von den sowjetischen Machthabern künstlich erzeugt. Getreide wurde gezielt aus dem Elendsgebiet abtransportiert. So wollte Stalin den Widerstand der ukrainischen Bauern gegen die Kollektivierung der Landwirtschaft brechen.
Die 32-jährige Buchhalterin Swetlana Metsjuk weiß das aus Erzählungen.
" 1933 sind alle Geschwister meiner Großmutter verhungert, auch ihre Mutter. Meine Oma hat mir erzählt, wie die Menschen erschossen wurde, nur weil sie auf den abgeernteten Feldern nach Weizenkörnern suchten. Ich kann nicht aufhören, an all die unschuldigen Opfer zu denken. (weint). "
In der Sowjetunion war die ukrainische Hungersnot ein Tabuthema. Erst vor drei Jahren bezeichnete das ukrainische Parlament den Holodomor als Völkermord.
Der 44-jährige Offizier Oleg Pustenko freut sich, dass seine Landsleute heute wenigstens die Wahrheit erfahren.
" Endlich wird diesem Ereignis genug Bedeutung beigemessen. Wir Ukrainer werden uns immer an diesen Tag immer erinnern. Wir trauern um die Menschen, die von jenem Imperium, der Sowjetunion, vernichtet wurden."
In diesem Winter ist die Hungersnot in der Ukraine das Gesprächsthema Nummer eins. Die Radio- und Fernsehsender strahlen umfangreiche Dokumentationen über den Hungerwinter vor 63 Jahren aus.
Dafür ist vor allem der Regierungswechsel verantwortlich. Mit Viktor Juschtschenko kam im Januar zum ersten Mal ein Präsident an die Staatsspitze, der nicht der kommunistischen Nomenklatura entstammt.
Er verspricht, in Kiew ein Museum über die Tragödie einzurichten. Außerdem fordert Juschtschenko, dass die internationale Staatengemeinschaft die künstliche Hungersnot als Völkermord anerkennt.
" Diese Hungersnot ist eines der zentralen historischen Ereignisse im Europa des 20. Jahrhunderts. Fast alle Schuldigen sind bereits vor dem Gericht Gottes erschienen. Doch jetzt ist es endlich an der Zeit, vor dem Gericht der Geschichte jenes staatliche System zu verurteilen, das ein solches Verbrechen ermöglicht hat."
Als zweites Land nach Australien hat vor kurzem Litauen den Holodmor als Völkermord anerkannt.
Viele Ukrainer wünschen sich vor allem, dass Russland – als Rechtsnachfolger der Sowjetunion – sich bei ihnen entschuldigt. Auch die 62-jährige Rentnerin Olena Gordenko.
"Als wir Ukrainer Hunger litten, lebten die Russen gut. Sie hatten genug von allem. Russland hat damals aus unserem Land alles Essbare abtransportiert. Wer sich nach Russland retten wollte, der wurde von den Kommunisten festgehalten. Russland ist schuld, dass so viele Ukrainer den Hungerstod gestorben sind. "
Der 21-jährige Student Igor Krawtschuk geht noch einen Schritt weiter.
"Russland muss seine Schuld an unserem Volk anerkennen. Aber das ist nicht meine einzige Forderung: Außerdem müsste die Kommunistische Partei verboten werden. Das ist vielleicht nicht demokratisch, aber nach den Gräueltaten jener Jahre darf es diese Partei in der Ukraine nicht mehr geben. "
An eine Entschuldigung denkt die Führung in Moskau aber nicht im entferntesten. Der russische Botschafter in Kiew, Viktor Tschernomyrdin, erklärte vor wenigen Tagen, eigentlich sei das doch die Sache Georgiens. Schließlich sei Stalin ein Georgier gewesen.
Wassil Ostaptschuk aus dem Gebiet von Schytomir war in der Zeit des Holodomor drei Jahre alt:
" In meinem Dorf ist vor Hunger die Hälfte der Menschen gestorben. Das Schlimmste war, dass die Not viele zu Menschenfressern machte. Wenn jemand starb, hat man sich ein Stück von der Leiche abgeschnitten und dieses Fleisch gegessen. Gott sei dank haben wir in unserem Dorf niemanden umgebracht, um ihn aufzuessen. In anderen Gegenden, so erzählt man sich, war das Gang und Gäbe. Besonders Kleinkinder wurden damals umgebracht. "
Historiker schätzen, dass damals sieben bis elf Millionen Ukrainer starben – etwa ein Viertel der Bevölkerung.
Doch beim Holodomor handelte es sich nicht etwa um eine Naturkatastrophe. Die Hungersnot wurde von den sowjetischen Machthabern künstlich erzeugt. Getreide wurde gezielt aus dem Elendsgebiet abtransportiert. So wollte Stalin den Widerstand der ukrainischen Bauern gegen die Kollektivierung der Landwirtschaft brechen.
Die 32-jährige Buchhalterin Swetlana Metsjuk weiß das aus Erzählungen.
" 1933 sind alle Geschwister meiner Großmutter verhungert, auch ihre Mutter. Meine Oma hat mir erzählt, wie die Menschen erschossen wurde, nur weil sie auf den abgeernteten Feldern nach Weizenkörnern suchten. Ich kann nicht aufhören, an all die unschuldigen Opfer zu denken. (weint). "
In der Sowjetunion war die ukrainische Hungersnot ein Tabuthema. Erst vor drei Jahren bezeichnete das ukrainische Parlament den Holodomor als Völkermord.
Der 44-jährige Offizier Oleg Pustenko freut sich, dass seine Landsleute heute wenigstens die Wahrheit erfahren.
" Endlich wird diesem Ereignis genug Bedeutung beigemessen. Wir Ukrainer werden uns immer an diesen Tag immer erinnern. Wir trauern um die Menschen, die von jenem Imperium, der Sowjetunion, vernichtet wurden."
In diesem Winter ist die Hungersnot in der Ukraine das Gesprächsthema Nummer eins. Die Radio- und Fernsehsender strahlen umfangreiche Dokumentationen über den Hungerwinter vor 63 Jahren aus.
Dafür ist vor allem der Regierungswechsel verantwortlich. Mit Viktor Juschtschenko kam im Januar zum ersten Mal ein Präsident an die Staatsspitze, der nicht der kommunistischen Nomenklatura entstammt.
Er verspricht, in Kiew ein Museum über die Tragödie einzurichten. Außerdem fordert Juschtschenko, dass die internationale Staatengemeinschaft die künstliche Hungersnot als Völkermord anerkennt.
" Diese Hungersnot ist eines der zentralen historischen Ereignisse im Europa des 20. Jahrhunderts. Fast alle Schuldigen sind bereits vor dem Gericht Gottes erschienen. Doch jetzt ist es endlich an der Zeit, vor dem Gericht der Geschichte jenes staatliche System zu verurteilen, das ein solches Verbrechen ermöglicht hat."
Als zweites Land nach Australien hat vor kurzem Litauen den Holodmor als Völkermord anerkannt.
Viele Ukrainer wünschen sich vor allem, dass Russland – als Rechtsnachfolger der Sowjetunion – sich bei ihnen entschuldigt. Auch die 62-jährige Rentnerin Olena Gordenko.
"Als wir Ukrainer Hunger litten, lebten die Russen gut. Sie hatten genug von allem. Russland hat damals aus unserem Land alles Essbare abtransportiert. Wer sich nach Russland retten wollte, der wurde von den Kommunisten festgehalten. Russland ist schuld, dass so viele Ukrainer den Hungerstod gestorben sind. "
Der 21-jährige Student Igor Krawtschuk geht noch einen Schritt weiter.
"Russland muss seine Schuld an unserem Volk anerkennen. Aber das ist nicht meine einzige Forderung: Außerdem müsste die Kommunistische Partei verboten werden. Das ist vielleicht nicht demokratisch, aber nach den Gräueltaten jener Jahre darf es diese Partei in der Ukraine nicht mehr geben. "
An eine Entschuldigung denkt die Führung in Moskau aber nicht im entferntesten. Der russische Botschafter in Kiew, Viktor Tschernomyrdin, erklärte vor wenigen Tagen, eigentlich sei das doch die Sache Georgiens. Schließlich sei Stalin ein Georgier gewesen.