Er hat einen Sinn für Kunst, ist auch belesen, aber davon macht Frank-Walter Steinmeier wenig Aufhebens. Stattdessen ruft der Sozialdemokrat öffentlich dazu auf, die "soft power" von Kultur und musischer Bildung als "dritte Säule" auswärtiger Politik zu nutzen. Etwa, wenn der Außenminister auf einer Konferenz der von seinem Amt geförderten Goethe-Institute der Kultur die entscheidende Mittlerrolle zuweist und erklärt:
"Dass der Weg von Dialog zu Verstehen und Verständigung schlicht und einfach existenziell für das Leben, manchmal sogar für das Überleben ganzer Gesellschaften sein kann. Und deshalb ist mindestens das Verstehenwollen der Grundpfeiler dafür, was Willy Brandt mal als Anspruch und Maßstab für Auswärtige Politik benannt hat: Die Arbeit an der Weltvernunft!"
Schlicht und einfach: die Weltvernunft. Darauf muss einer erst einmal kommen. Und anschließend auch noch die "Arbeit" ins Spiel bringen – statt sich selbstverliebt in brillanter Rhetorik zu ergehen. Oder zumindest im Versuch, den Rekord an Redezeit in den Talkshows zu erringen. Wie wir es von Medien-Intellektuellen kennen.
Verzicht auf persönliche Eitelkeiten
Steinmeier dagegen – "Geistesarbeiter" im feinsten Sinn des Wortes – trägt beharrlich seine Argumente vor, ein Fels in der Brandung. Sein Verzicht auf persönliche Eitelkeiten trägt ihm Sympathie von vielen Seiten ein, und so übernimmt er die derzeit wichtigste Rolle auf der politischen Bühne: als nicht allzu kantiger Wellenbrecher gegen den hochschwappenden Populismus.
Diesen Politiker treibt keine Quote an, sondern – nun ja: nicht eben Spaß, aber westfälisch verhaltene Leidenschaft für eine Sache. Und die heißt immer öfter: Kunst und Kultur. Was ihn zur Idealbesetzung für das Amt des Bundespräsidenten macht, in den Augen von Schauspielern wie Mario Adorf oder dem Filmemacher Sönke Wortmann:
"Er ist ja auch Deutschlands beliebtester Politiker. Ich selber finde ihn auch klasse in dem, wie er ist, wie er reden kann, wie er auch verbinden kann – wie er Probleme lösen kann."
Diese Sympathiebekundungen, so mag mancher einwenden, kommen von denjenigen, die von der auswärtigen Kulturpolitik partizipieren, die "mit Goethe" durch die Welt touren. Wortmann etwa äußerte sich in Vietnam, in Steinmeiers Tross beim Staatsbesuch. Aber etwas Prominenz darf schon sein, wenn es gilt, das politisch anspruchsvolle Konzept durchzusetzen: die Stärkung der Kultur als sozialer Kraft.
Kulturelle Identität schützen
"In Zeiten von gewalttätiger Vertreibung sind kulturelle Identitäten besonders bedroht. Die muss man schützen. Weil: Wer sich seiner selbst nicht sicher ist, der wird sich auch schwertun, sein Gegenüber zu verstehen."
Da zeigt sich – schlicht und einfach – der Intellektuelle: Einer, der sich nicht auf modische Begriffe wie "Identität" beruft, sondern – als Außenminister – für die Aufrechterhaltung von Verschiedenheit eintritt. Der – im Sinne einer weltumspannenden Kultur – Differenz das Wort redet. Der für den Schutz des Anderen plädiert – als Jurist. Eine vielversprechende Kombination, nicht nur aus Sicht der Kultur.