Diskussion im kleinen Kreis, verordnet von der Kongressmoderatorin: Und so sitzen hier zwei Lehrerinnen mit vier Kulturschaffenden zusammen, um ihre Wünsche und die Situation an ihren Schulen zu schildern. Insgesamt hatten sich gut drei Dutzend Lehrkräfte vor allem aus Hamburg unter die rund 220 Teilnehmenden gemischt. Unter ihnen auch Carla Klimke. Sie arbeitet an der Oberlinschule in Wetter an der Ruhr, einer Förderschule für körperlich schwerstbehinderte Kinder. Seit rund zehn Jahren kümmert sie sich um die Kooperation ihrer Schule mit dem Theater Hagen, wo alle Sparten des Hauses mit den behinderten Kindern regelmäßig Bühnenprogramme entwickeln. Gemeinsam mit dem Theatermacher Werner Hahn stellte Klimke das mehrfach preisgekrönte Projekt vor – als Good-Practice-Beispiel neben solchen etwa aus New York und Birmingham. Dabei wurde auch klar, worauf es ankommt, damit solche Kooperationen gelingen: Ein schriftlicher Vertrag über die Aufgabenverteilung sei ebenso wichtig wie ein langer Atem, um Widerstände zu überwinden. So Carla Klimke.
"Es gab Bedenken, weil wir ja auch aus der Schule rausgegangen sind. Das kostet Zeit, Vertretung musste organisiert werden ... Das kostete Geld, haben wir erst nach und nach bekommen ... war auch nicht so eine Akzeptanz unter den Kollegen ... 'Die Kinder kriegen doch nichts mit' ... hatten schon am Anfang viel Gegenwind."
Carla Klimke und ihre Kollegen haben auch mithilfe von Videos eine größere Öffentlichkeit erreicht. Eine Akzeptanz, von der viele Musiklehrer nur träumen können, wie die Diskussionen auf dem fünften Symposium "The Art of Music Education" in Hamburg zeigte. Wie kann es gelingen, das Kollegium und auch die Schulbehörde von größeren Kooperationsprojekten zu überzeugen? Eine der zentralen Fragen. Das weiß auch Kai-Michael Hartig, Bereichsleiter Kultur der Körber-Stiftung und einer der Symposiumsplaner der ersten Stunde. An den Konzerthäusern sehe es besser aus für Musikvermittler als an den Schulen.
"Wie können sie Allianzen in ihren Institutionen finden? Sei es in den Konzerthäusern bis hin zur Intendanz. Das funktioniert – das sehen wir nach fünf Konferenzen: Es ist eine wesentliche Aufgabe von Konzerthäusern, die inzwischen auch mit großen Departments erfüllt wird ... Auf der anderen Seite wie können wir Lehrern Mut machen, sich ihre Schulleitungen hinter sich zu bringen ... Wie kann das gelingen."
Anlass in diesem Jahr den Fokus des Hamburger Symposiums auf die Kooperation mit den Schulen zu richten, war laut Hartig die Tatsache, dass die Elbphilharmonie nebenan in weniger als einem Jahr eröffnet sein wird. Und dass Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz die Losung ausgegeben habe, jedes Kind in der Hansestadt solle in seiner Schulzeit einmal die Elbphilharmonie besucht haben. Musikvermittlerin Esther Adrian kümmert sich bereits seit mehr als zwei Jahren darum, dass das klappen wird.
"Wir planen bis zu vier oder fünf Schulklassen jeden Tag in der Elbphilharmonie für Workshops zu haben. Darüber hinaus haben wir noch Konzerte für Schüler."
Kirsten Winderlich, Professorin an der Universität der Künste in Berlin, findet solche Kooperationen "oft zu modellhaft" und zu wenig von den Kindern her gedacht. Ihre "grund_schule der künste" bildet zukünftige Lehrkräfte in konkreten Projekten mit Kindern aus. In ihrem Vortrag machte Winderlich klar, dass Musik- und Kunstvermittlung von der jungen Zielgruppe her zu konzipieren sei.
"Und das ist tatsächlich neu, weil häufig in Inszenierungen in Konzerthäusern oder Kulturinstitutionen die Perspektive von Kindern wenig einfließt. Kinder müssen im Vorfeld sagen: 'Ja, ich will da rein, ich will in diesen Raum.' Wenn das nicht passiert, müssen wir die Kinder da nicht hineinführen."
Die Perspektive von Kindern und Jugendlichen kam auch auf dem Symposium zu kurz. Vielmehr konnte man den Eindruck gewinnen, dass der hochprofessionellen Szene von außerschulischen Musikvermittlern eine mit diversen Zwängen kämpfende Lehrerschaft gegenüber steht.
Da mag die kurz vor Kongress-Beginn veröffentlichte Forsa-Umfrage im Auftrag der Körber-Stiftung auch zu dem Ergebnis kommen, dass 77 Prozent der Befragten von der Schule organisierte Konzert- und Theaterbesuche hilfreich finden, um Kinder umfassender zu fördern. Die Lehrerinnen und Lehrer brauchen dafür offenbar aber mehr Freiräume in ihren Zeitplänen, um solche Besuche auch vorbereiten zu können.