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Die Kunst des leichten Lebens

Zusätzlich zu seinen multiplen Karrieren als Entertainer, Schauspieler und Sänger machte Johannes Heesters in den letzten Jahren noch eine als Naturwunder. Mit 106 Jahren stand er noch auf der Bühne des Berliner Ensembles, mit 107 wirkte er noch bei Dreharbeiten mit.

Von Beatrix Novy |
    "Mein Mädel ist nur eine Verkäuferin ..."

    Mit dieser Musik wuchs eine Generation heran, in den 50er-Jahren, bevor sie sich entschlossen anderen Hörerlebnissen zuwandte, dem Blues, dem Jazz, dem Bebob. Johannes Heesters aber blieb immer und allen erhalten; und sei es als Inspirator des Outfits, in dem man schon damals zu Karnevalsbällen ging: der Zylinder. Das Stöckchen. Der weiße Schal.

    Wenn man jemandem zu Anfang seines Lebens prophezeien würde, dass es bis ins hohe Alter als Danilo aus Léhars "Lustiger Witwe" in eben dieser Aufmachung eine Treppe hinauf-und hinuntertanzen würde, und das im deutschen Fernsehen – müsste es ihm nicht vorkommen wie ein zu Lebzeiten abgebüßtes Fegefeuer?

    Nicht Johannes Heesters: Er erlitt nicht, wie so viele, die Rolle eines Denkmals seiner selbst, sondern er spielte sie mit höchster Souveränität; Altern in Würde hieß für ihn: dabei sein. Zum Beispiel noch mit 103 Jahren eine Single mit dem Deutschrocksänger Claus Eisenmann aufnehmen und ihn stimmlich übertreffen.

    Und als ihm alles nicht mehr so leicht fiel, nahm er ohne falschen Stolz die Hilfe seiner vergleichsweise sehr jungen zweiten Ehefrau Simone Rethel bei seinen Talkshow- und Bühnenauftritten in Anspruch – um dann als darstellungsgewandter Routinier weiterzumachen.

    Bei solchen Gelegenheiten kam immer wieder Johannes Heesters Vergangenheit als Ufa-Star in der NS-Zeit zur Sprache. Dass er, während die Deutschen die Niederlande besetzt hielten, in deren fröhlichen Unterhaltungsfilmen mitspielte und sich von Hitler als den "besten Danilo" loben ließ, verziehen ihm seine Landsleute nie. Er selbst zog sich auf die unpolitische Neutralität zurück, die er, wie so viele seiner Kollegen, für ein Privileg des Künstlerdaseins hielt, und auf die Behauptung einer inneren Opposition zu Nazideutschland. Den besten Dienst für das Vergessen leistete die exorbitante Zahl seiner Lebensjahre: Zu seinem 104. Geburtstag sprach selbst der Theaterintendant seiner Heimatstadt Amersfoort von einem Schlussstrich.

    Dem Männerideal der Nazis kam Heesters jedenfalls nicht entfernt nahe. Höchstens eine Operettenuniform war ja an ihm denkbar. Und die hatte er oft an, der Operettentenor, der aus einer Kaufmannsfamilie stammte. Schon früh war er in den Niederlanden erfolgreich, dort schloss er die Ehe mit der Sängerin Wiesje Ghys, die bis zu ihrem Tod halten sollte. 1934 debütierte er in der Wiener Volksoper, in Berlin wurde er ein Jahr später zum Publikumsliebling, an der Komischen Oper, am Metropoltheater, im Admiralspalast. Hier war die Nazi-Falle für Künstler wie Johannes Heesters ausgelegt: Die Ufa brauchte Personal, um den Abgang der vielen jüdischen oder nonkonformistischen Schauspieler auszugleichen und den Unterhaltungsbetrieb am Laufen zu halten: "Hallo Janine", "Immer nur du", "Glück bei Frauen" .

    In diesen Titeln ist Johannes Heesters immerwährendes Image aufbewahrt, streng konserviert in der Nachkriegszeit, in Shows und Unterhaltung, und da sah man ihn.
    Er soll immer recht solide gelebt haben. Hätte er sich aufgeführt wie sein Danilo aus der Lustigen Witwe – er wäre nie so alt geworden.