Das Besondere: Von der 9. Klasse an können Mädchen und Jungen nach Pforta, lassen ihren alten Freundeskreis hinter sich und treffen auf andere lernbegeisterte Teens. Sie verbringen Tage und Nächte miteinander, was sie oft mehr prägt als der Schulunterricht.
Viermal wurde im 20. Jahrhundert fast die gesamte Lehrerschaft ausgetauscht. Wie konnte aus einem humanistischen Elitegymnasium eine "Nationalpolitische Erziehungsanstalt" (NAPOLA) werden, wie daraus eine Internatsschule mit Sonderstatus und Schülerselbstverwaltung zu DDR-Zeiten? Das Internat in der Nähe von Naumburg (Sachsen-Anhalt) beschreiben die Schüler heute als Zentrum kreativer Energie. Pfortas berühmtester Schüler, Friedrich Nietzsche, schreibt 1859 ins Tagebuch: "Mich hat jetzt ein ungemeiner Drang nach Erkenntnis ergriffen."
1543 gründete der sächsische Kurfürst Moritz Pforta, damit es seinem Lande "an gelahrten Leute nicht mangle" und schuf damit einen Schultyp, der Kriege und Revolutionen, Monarchien und Diktaturen überdauerte. Kluge Köpfe brauchten sie alle, und an dem Selbstbewusstsein einer traditionsreichen Institution scheiterten viele modische Unterrichtsneuheiten.
Die Lange Nacht erzählt vom Internatsleben, von berühmten und weniger berühmten Schülern und Lehrern, spürt dem Geist Pfortas nach. Der sorgt bis heute dafür, dass Absolventen stolz in ihren Lebenslauf „al.port“ schreiben - Alumnus portensis.
Das Manuskript zur Sendung:
Eine Bildungsreform, die ein halbes Jahrtausend überdauert: Heutige Bildungspolitiker können da nur neidisch werden. 1543 beschließt der sächsische Fürst Moritz, das im Zuge der Reformation säkularisierte Zisterzienserkloster Pforta an der Saale solle eine von drei Fürstenschulen im Lande werden. In denen sollen – fast klingt das nach Bildungskonzepten des 20. oder 21. Jahrhunderts - "würdige und bedürftige Knaben" wohnen und von den besten Lehrern in "Künsten und Sprachen" unterwiesen werden.
Eine Eliteschule, aber nicht für die Sprösslinge der Eliten, sondern für die begabtesten Landeskinder, unabhängig von ihrer Herkunft, ausgesucht und vorgeschlagen von den Lehrern und Pastoren und vom Fürsten selbst. Diese Chancengleichheit erfahren Schüler, aus denen später Berühmtheiten werden: Zum Beispiel der Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock, der Historiker Leopold von Ranke, der Ägyptologe Richard Lepsius, der Weltreisende Christian Gottfried Ehrenberg oder der Kanzler Bethmann-Hollweg. Pfortas wohl berühmtester Schüler, Friedrich Nietzsche, schreibt 1859 ins Tagebuch: "Mich hat jetzt ein ungemeiner Drang nach Erkenntnis ergriffen."
Wie er haben Generationen begabter Schüler die prägendsten Jugendjahre in einem Internat mit ganz besonderen Traditionen des Zusammenlebens verbracht und erhielten – mit dem Maßstab der jeweiligen Zeit gemessen – die beste humanistische Bildung. Und das alles zum Nulltarif.
Das Besondere: Mitten in der Pubertät kommen die Jungen (und seit Ende des Zweiten Weltkrieges auch die Mädchen) nach Schulpforta. Lassen ihren alten Freundeskreis hinter sich und treffen in Pforta auf andere lernbegeisterte Teens. Verbringen Tage und Nächte miteinander, was sie oft mehr prägt als die Schule. Die Internate sind - so beschreiben es die Schüler heute - "Zentren kreativer Energie". Eine Energie, die sich nicht nur in speziellen Interessen wie Altgriechisch und Musik, sondern auch in alten Ritualen Bahn bricht, wie etwa in der Neunertaufe an der Klopstockquelle.
Das beinahe mönchische Zusammenleben auf engsten Raum in den Gemäuern des einstigen Zisterzienserklosters "Maria ad portam" prägt Generationen von "alumni portiensis" stärker als der Unterricht. Nicht zuletzt, weil die Pforte von Anfang an die Schülerselbstverwaltung kennt. Mit den Auswüchsen des "Pennalismus", des Drangsalierens jüngerer Schüler - aber auch als Lernort für Verantwortung und Demokratie. Fichtes staatspolitische Vorstellungen sind, das gibt er unumwunden zu, stark von seinen Erlebnissen in Pforta beeinflusst. Und Ferdinand August Möbius (der legendäre Erfinder des Möbiusbandes) wird bereits als Primaner von den Lehrern bei der Reform des Matheunterrichts um Rat gefragt. Ein Zeichen für ein ungewöhnliches Vertrauen in die Schülerschaft.
Die Lange Nacht zeichnet die fast fünfhundertjährige Geschichte einer in der deutschen Bildungslandschaft einzigartigen Institution nach.
Die Sendung erzählt vom Internatsleben, von berühmten und weniger berühmten Schülern und Lehrern, spürt dem Geist von Schulpforta nach. Der sorgt bis heute dafür sorgt, dass Absolventen stolz in ihren Lebenslauf "al.port" schreiben - Alumnus portensis.
Aus Pforta kommen Möbius, Fichte, Nietzsche
Würdig ist, wer was kann. Talentiert, aber Mittellos. Weshalb der Fürst, genauer Kurfürst Moritz von Sachsen, Geld gibt und die Schulen in Grimma, Meißen und Pforta fortan Fürstenschulen heißen. Ein Erfolgskonzept sind sie, die ersten modernen staatlichen Schulen. Erdacht von einem katholischen Analphabeten, umgesetzt von einem evangelischen Fürsten. Was zeigt, Schule funktioniert am besten jenseits aller Ideologien. Und die Fürstenschulen haben weit mehr als funktioniert. (Ein wenig Namedroping sei an dieser Stelle gestattet: Aus Meißen kommen die Brüder Christian Fürchtegott und Christlieb Ehregott Gellert; der eine berühmt als Dichter, der andere als Metallurg und Chemiker. Aufklärer Gotthold Ephraim Lessing und Homöopathie-Erfinder Samuel Hahnemann lernten ebenfalls in Meißen. Die Fürstenschule in Grimma besuchten Kirchenlieddichter Paul Gerhardt und der Begründer der Arbeiterwanderbewegung und Naturschriftsteller Curt Grottewitz. Und aus Pforta, da kommen Calvisius, Klopstock, Möbius, Fichte, Nietzsche und und und. Um die wird es in den nächsten Stunden noch ausführlich gehen.
Auch wenn es in den fast fünf Jahrhunderten einige Aufs und Abs gab – über Jahrhunderte und Gesellschaftssysteme hinweg kamen und kommen aus den Fürstenschulen, und vor allem aus Pforta – Männer, die das Geistesleben prägten. Davon erzählt die zweite Stunde dieser langen Nacht. Von Klopstock, Fichte, Nietzsche vor allem und der entscheidenden Prägung, die sie als Portenser erfahren haben.
Stunde drei schlägt die Brücke ins zwanzigste und einundzwanzigste Jahrhundert. Und ist der Frage gewidmet, wie sich die altehrwürdige Bildungsinstitution in den politischen Wirren behaupten konnte. Als Napola im Dritten Reich, Erweiterte Oberschule in der DDR. Wie sie die Wendezeit überstand und heute als sachsen-anhaltische Landesschule wieder bestens dasteht. Als bildungspolitischer Leuchtturm. Vorbild für optimale Begabtenförderung, ganz nach der Leistung, unabhängig vom Einkommen oder sozialen Status der Eltern.
So wie sich Fürst Moritz das vor fast fünf Jahrhunderten ausgedacht hatte.
So wie vor Jahrhunderten
"Die ganze Anstalt, mit Einschluß der Oekonomie-Gebäude, der Papier- und Mahlmühle, der Bäckerei, der Brauerei, des großen und kleinen Schulgartens und so weiter wird von einer noch aus der Klosterzeit stammenden steinernen, 12 Fuß hohen Mauer umschlossen, die auf der Südseite am Walde 1577 Fuß lang ist. Sie hat gegen Westen, also nach Kösen zu, den Haupteingang: ein doppeltes, gewölbtes Thor. Der erste Blick des in den Hofraum eintretenden Besuchers fällt auf das Kirchenportal."
Baulich hat sich wenig geändert, seit Wilhelm Künstler 1857 in der "Gartenlaube" seinen Besuch in Pforta schildert. Nun gut, gebacken und gebraut wird nicht mehr und seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts steht auch die Mühle still. Doch das Fürstenhaus im Renaissancestil, die alte Klosteranlage mit Kreuzgang, Kirche und Abtskapelle stehen so wie vor Jahrhunderten. Und eine Wanderung nach Pforta – dem "deutsche Eton", wie Wilhelm Künstler schreibt - lohnt sich noch immer. Gen Westen von Naumburg aus, der alten Bischofsstadt, berühmt wegen Dom, Uta und Ekkehard. Man ignoriert das Nietzsche-Museum, denn der wird einen in Pforta noch auf Schritt und Tritt begegnen und wandert an der Saale entlang, bis man die Klostermauern erblickt. Oder man läuft von Bad Kösen ostwärts, immer den Schildern "Weingut Kloster Pforta" folgend entlang der Saalberge bis man nach einer Stunde vor dem großen Torhaus mit dem Ladengeschäft des Weingutes steht. Hinter Torhaus und Klostermauern die Schule. Seit 1543. Gegründet um "würdigen und bedürftigen Knaben" den Schulbesuch zu ermöglichen.
"Damit es mit der Zeit nicht an Kirchendienern und anderen gelahrten Leuten in unseren Lande nicht Mangel gewinne."
Die Landesschule Pforta ist ein traditionsreiches Internatsgymnasium in Trägerschaft des Landes Sachsen-Anhalt, das begabte Schülerinnen und Schüler aus allen Bundesländern in den drei Spezialisierungsbereichen Sprachen, Musik und Naturwissenschaften. fördert.
Der Pförtner Bund e.V. ist der Verein ehemaliger Schüler und Förderer der Landesschule Pforta.
Die Gründung
Am 30. Oktober 1137 wird das Kloster gegründet. Eigentlich ist nur ein Ortswechsel. Die Mönche geben ihr Kloster im thüringischen Schmölln entnervt von den Attacken der Slawen auf und lassen sich auf Einladung des Naumburger Bischofs Udo im Saaletal nieder, erzählt Dirk Heinecke, Geschichts- und Sportlehrer in Schulpforta:
"Als die Zisterzienser sich hier niederließen, nannte sich das ja Wolfsgeflecht, vielleicht ein Eindruck davon, wie das Gelände hier ausgesehen hat. Zwischen den beiden Sandsteinhängen, die jetzt Wein sind, hat sich die Saale ausgebreitet, es war also Moor und Gestrüpp und Geflecht."
Düster und Dunkel
Eine Ahnung, wie es vor knapp acht Jahrhunderten ausgesehen haben mag, bekommt man noch heute an trüben Spätherbsttagen, wenn die Sonne es nicht über die Saalehügel schafft, wenn feuchter Nebel den ganzen Tag in der Niederung hockt.
Trotzdem: der Ort war offenbar besser für ein Kloster geeignet als Schmölln. Außerdem tauschen die Landesherren beim Ortswechsel auch noch den Orden. Wie Bischof Udo schreibt, entfernte man " die unnützen und der Klosterzucht untreu gewordenen Personen". Und holte...
"Mönche vom Cistercienser-Orden, die schon damals in allen Landen in gutem Geruch mit ihrem frommen Wandel standen."
Zisterzienser statt Benediktiner
Ein Wechsel, der sich auszahlt. "Ora et labora", "Bete und arbeite" gilt zwar für beide Orden. Aber die Zisterzienser deuten Labora wirklich als Handarbeit. Sie sind schon damals berühmt für ihre landwirtschaftlichen Mustergüter. Es ist also ein kluger Schachzug Udos, die fleißigen Mönche ins Saaletal zu holen. Sie danken es ihm mit der Zucht des "Edel-Borsdorfers", eines Apfels, bis heute in Mitteldeutschland angebaut und einst als "der erste und vornehmste von allen Winteräpfeln" gepriesen. Er wächst bis heute auf dem Schulgelände. Ebenso wie Süßkirschen, Pflaumen, Birnen und Weinreben. Die Zisterzienser pflanzen wohl als erste Reben an die Ufer von Saale und Unstrut, begründen so das heute nördlichste Weinanbaugebiet Deutschlands.
Der Schulgarten oder Schulpark
Petra Mücke, Bibliothekarin, Archivarin in Schulpforta und einst hier Schülerin:
"Der Schulgarten oder Schulpark, wie man ihn besser nennen sollte, ist sicher einer der schönsten, die es in Deutschland gibt, würde ich jetzt mal sagen. Denn viel romantischer geht es eigentlich nicht mit schönem alten Baumbestand und einer ziemlich großen Fläche für die insgesamt ja etwas 300 Schüler, ist es genügend Raum, sich zu verteilen. Wie gesagt, früher war es ein reiner Nutzgarten, so wie man den vom Kloster vermutlich übernommen hatte sogar mit Fischteichen im östlichsten Bereich und Obstbäumen weiter vorn. Und die Schüler durften ihn früher nicht betreten, weil man Angst hatte, dass man dann das Obst nicht ernten könnte. Erst 1783 hat man dann beschlossen, ihnen diesen Garten zur Erholung freizugeben und prompt gab es eben die Probleme, dass die Schüler das Obst anfingen bevor es reif war oder wenn es reif war, aber dann stand es der Schule nicht mehr zur Verfügung. Und so hat man dann beschlossen, den Schülern einen richtigen Ort zur Erholung anzulegen, und hat 1825 diesen Park hier angelegt. Und der eindrucksvollste Baum ist sicherlich unsere alte Platane. Deren genaues Pflanzdatum wir zwar nicht kennen, die wir aber auch nicht fällen wollen, um die Jahresringe zu zählen."
Die Autoren der Langen Nacht:
Lorenz Hoffmann
geb. 1974, ist in Salzwedel in der Altmark aufgewachsen, hat in Magdeburg Abitur gemacht, zwei Jahre in einem Kindergarten in Minsk (Belarus) gearbeitet und danach Germanistik und Ostslavistik in Leipzig studiert. Er ist Vater zweier Töchter. Seit Abschluss des Studiums arbeitet er als freier Autor für Rundfunksender und Hörbuchverlage. Für das Deutschlandradio schrieb er zuletzt mit an der Langen Nacht "Mein Leipzig lob‘ ich Dir" und war Co-Autor des Zeitfragen-Features "Reinheitsgebote – Geschichte einer deutschen Tugend."
Hartmut Schade
geb. 1960 in Karl-Marx-Stadt (Chemnitz). Gelernter Landmaschinenschlosser und studierter Deutsch- und Geschichtslehrer. Seit 1992 freier Journalist mit Schwerpunkt Wissenschaft und Geschichte. Ab 1997 Redakteur beim MDR Hörfunk; zuletzt für das Deutschlandradio "Das Metzeln und das Monstrum – Eine Lange Nacht über die Leipziger Völkerschlacht".
Tobias Barth
geb. 1970 in Halle (Saale), arbeitete als Industriekletterer und in Umweltprojekten, lernte Tischler und studierte Medienwissenschaft, Germanistik und Theaterwissenschaft in Leipzig und Basel. Seit 1997 publizistische Tätigkeit überwiegend für die ARD als Autor, Redakteur und Regisseur. Seit 2001 Feature-Redakteur für MDR KULTUR.
Volker Bertelmann ist ein deutscher Komponist und Pianist, der vor allem unter seinem Künstlernamen Hauschka veröffentlicht. Bekannt wurde er durch seine mit Hilfe präparierter Klaviere eingespielten Musikstücke. Mehr auch bei Wikipedia.
Die Struktur der Schülerschaft in der Gegenwart
Thomas Schödel, Mathe-, Chemie- und Informatiklehrer. Seit 2012 Rektor der Landesschule Pforta:
"Sie müssen noch unterscheiden zwischen Mädchen und Jungen. Bewerben tun sich die Kinder bei uns Mitte Klasse 8, wollen ja zur 9 zu uns. Da können sie bei den Mädchen sagen, Peak der Pubertät ist überwunden, die Jungs stecken mittendrin. Da wir leistungsorientiert sind, spiegelt sich das auch in der Zusammensetzung der Schülerschaft wieder, denn aktuell sind es 70 Prozent Mädchen und 30 Jungs. Nun wird der eine oder andere sagen, gut die Schule hat von 1536 bis 1946 nur Knaben aufgenommen, da ist es gut, dass jetzt das Verhältnis zugunsten der Mädchen verschoben wird. Aber ideal wäre für uns eine Zusammensetzung 50/ 50. Das ist eine der Aufgaben, die wir im Blick haben. Wie wir näher an das Verhältnis ran rücken. Früher anzufangen wäre eine Möglichkeit. Würde aber auch andere Internatsstrukturen bedeuten, Wir haben ja ein System, wo die Internate von den Lehrkräften sowohl betreut als auch gemanagt werden, die früh die Kinder auch unterrichten. Und der Personalschlüssel beträgt pro Internat, ein Lehrer für 40 bis 60 Schüler. Das können sie nur machen, wenn die Schüler ein bestimmtes Mindestalter haben. Später anzufangen wäre Überlegung, die wir aktuell diskutieren, wo aber auch die Medaille ihre zwei Seiten mitbringt. Gibt Argumente dafür und dagegen. Aber das ist aktuell durchaus in der Diskussion."
Ein großes Plus, meint Thomas Schödel, bringt die derzeitige Regelung der späten Schulaufnahme ab Klasse 9 aber mit sich. Die Entscheidung, mitten in der Sekundarstufe I auf eine neue Schule zu wechseln, ist außergewöhnlich. Und so kommen entsprechend viele außergewöhnliche Schüler nach Schulpforte. Häufig mit Begabungen, die an anderen Schulen gar nicht wahrgenommen, geschweige denn gefördert werden könnten:
"Wir nehmen die Kinder ja zu Beginn Klasse 9 auf. Das ist nicht ein typischer Zeitpunkt, wo man als junger Mensch darüber nachdenkt, wo setze ich meine Bildungslaufbahn fort. Jeder weiß, typischer Bruch findet nach der Grundschule statt. Man steht dann als Kind und Eltern vor der Frage, und wie geht's nun weiter. Und vielleicht wäre der nächste Bruch, wenn man sagt, man hat Sekundarstufe I erfolgreich abgeschlossen, wie geht's weiter mit SS II, das wäre dann Klasse 10. Wir suchen aber Schüler, die ganz bewußt mittendrin nach einer neuen Herausforderung suchen."
Zwölftklässler Henning Zitschmann spricht von Mitschülern, die in anderen Schulen als "Freaks" abgestempelt wurden. In Schulpforta werde es dagegen als einigermaßen normal empfunden, wenn vierzehnjährige sich leidenschaftlich und mehr oder weniger ausschließlich für Astrophysik, Molekularbiologie oder tote Sprachen begeistern. Henning Zitschmann:
"Es gibt eben auch Schüler, die totale Liebe zu den Altsprachen haben. In unser Parallelklasse, Jakob Eichhorn, ist total... alles was Griechisch und Latein angeht, die Mythologie, die Sprache. Es ist da so interessiert dran, dass er nur hier in Schulpforte gut aufgehoben ist. Ich glaube, an seiner alten Schule hatte er nicht die Möglichkeit, diese beiden Sachen zu machen. Hier hat er sogar im Abi Leistungskurs Altgriechisch geschrieben, das muss man sich mal vorstellen. War er auch der Einzige, vielleicht sogar der einzige in Sachsen-Anhalt. Aber auf jeden Fall kann man so eine Liebe erst hier richtig ausleben."
Fruchtbar und gewinnbringend für alle sei das enge Miteinander von Menschen so unterschiedlicher Begabungen und Fähigkeiten, der intensive Austausch untereinander.
Zwölftklässler Leonhard Schwager: "Ich finde, die Musiker sind aufgeweckter, Expressiver, Naturwissenschaftler mehr in sich gekehrt, ruhiger, sehr effektiv im Arbeiten. Und Sprachler, ja die werden immer als die Arbeitstiere.... (Lachen) Sind eher die Arbeitstiere, die sehr diszipliniert sind, anziehen und fleißig sind. Das ist mal so die grobe Charakterisierung. Und man merkt, das das eben oftmals ungefähr von Typ stimmt und wir sind trotzdem alle miteinander verbunden, sind keine Streber, wir sind keine Spezies, wir sind keine musikalischen Genies, sind alle normale Schüler und ich mag es einfach, wenn man sich zu dritt, viert unterhält und alle unterschiedliche Ansichten..., also man kann ein bisschen über den Tellerrand hinausgucken. Der Musiker erzählt, was alles ihn bewegt und der Naturwissenschaftler bricht das wieder runter. Auch im Unterricht, wir haben Sozialkunde. Da wird viel diskutiert, was einen im Lehrplan vielleicht nicht voranbringt. Aber man merkt, auf was für Ebenen die die Schüler sprechen, und man als kann Naturwissenschaftler seine musikalischen Interessen weiterleben, als Sprachler in nawi AG gehen und so kann jeder seine individuelle Fähigkeiten frei entdecken."
Helene Manek, Klasse 11: "Wenn ich meine alte Klasse besuche, was auch ab und zu vorkommt, dann ist das ein anderes Klima, viel aufgeregter. Die haben noch ein ganz anderes Verhältnis zu Lehrer; denn man lernt sich ganz anders kennen, wenn man so viel Zeit auf engem Raum miteinander verbringt. Wir lernen mehr Stoff, vor allem aber auf andre Art und Weise. Man entscheidet sich ja, mehr zu wissen als an normalerweise Schule und das merkt man auch, dass die meisten, die hier sitzen, sich genau dafür entschieden haben."
Den besten Unterricht und beste Förderung angedeihen lassen
"Würdigen und Bedürftigen" den besten Unterricht und beste Förderung angedeihen zu lassen, "damit an gelehrten Leuten im Lande kein Mangel sei". Mit dieser Maxime des sächsischen Fürsten Moritz hat vor 474 Jahren alles begonnen in Schulpforta. Und wenn man hört, mit welcher Begeisterung die heutigen Schüler über ihr Pforta reden, dann scheint das uralte portensische Konzept, mit all den Veränderungen, die es in fast fünfhundert Jahren gegeben hat, noch heute bestens zu funktionieren. Das letzte Wort dieser Langen Nacht über die außergewöhnliche Bildungsstätte Schulpforta gebührt dem Schulleiter Thomas Schödel. Es bezieht sich auf den im Frühjahr 2016 bei der UNESCO erneuerten Antrag, die Region um Naumburg und damit ausdrücklich auch die Landesschule Pforta zum Weltkulturerbe zu erklären. Thomas Schödel:
"Der Antrag für das Weltkulturerbe umfasst ein ganze Landschaft, der Naumburger Dom im Mittelpunkt, dann gibt es eben in der Umgebung weitere Stätten, die so besonders sind, dass sie in einem Antrag mit Aufnahme fanden. und unser Kloster, gegründet 1137 verfügt über eine Reihe besonderer Merkmale. Ich denke an unsere Grisaillerose in der Kirche, die letzte vollständig erhaltene oder das wertvolle Tafelkreuz. Aber in den Vordergrund würde ich ein anderes Argument stellen: Wo finden sie denn in einem verlassenen Kloster eine Schule, wo so viele junge Menschen mit so großer Begeisterung lernen? Und das ist vielleicht ein Grund, hier als Weltkulturerbe mit Berücksichtigung zu finden."
Musikliste
Titel: Drowning (für Klavier, Electronic-Ensemble und Orchester), Solist: Hauschka (Klavier), Orchester: MDR-Sinfonieorchester, Dirigent: Kristjan Järvi, Komponist: Hauschka, Volker Bertelmann
Titel: aus: Dixit Dominus, (1) Dixit Dominus Domino meo, Chor: Liturgischer Singkreis Jena, Komponist: Georg Friedrich Händel, Titel: Children, Orchester: MDR-Sinfonieorchester, Dirigent: Kristjan Järvi, Komponist: Hauschka
Titel: Puppen (für Orchester), Orchester: MDR-Sinfonieorchester, Dirigent: Kristjan Järvi, Komponist: Hauschka
Titel: Ashes, Solist: Hilary Hahn (Violine), Solist: Volker Bertelmann (Präpariertes Klavier), Komponist: Hilary Hahn, Hauschka
Titel: Craco, Solist: Volker Bertelmann, Orchester: MDR-Sinfonieorchester, Dirigent: Kristjan Järvi, Komponist: Hauschka
Titel: Children, Orchester: MDR-Sinfonieorchester, Dirigent: Kristjan Järvi, Komponist: Hauschka
Titel: Feierlicher Zug zum Münster, aus: Lohengrin, Interpet: Anita Stalder (Klavier) Dieter Stalder (Harmonium), Komponist: Richard Wagner
Titel: Troika from Musical Illustration to Pushkins 'snowstorm', Interpret: Ensemble Russian Rhapsody, Komponist: G. Sviridow
Titel: Invocabit, Chor: Liturgischer Singkreis Jena, Komponist: unbekannt