Die Gründungsvorsitzenden Oskar Lafontaine und Lothar Bisky verband vor allem der Erfolg - die Opposition zu Hartz IV führte die Linke zwischenzeitlich in ungekannte Höhen.
"Wenn uns Linken vorgeworfen wird, wir wollten den Sozialstaat der Siebziger Jahre zurück, dann sage ich klipp und klar: Ja, wir werden die Sozialstaatsidee verteidigen und sie entwickeln."
Klaus Ernst und Gesine Lötzsch wiederum teilten das Schicksal, von den parteiinternen Grabenkämpfen überfordert gewesen zu sein:
"Jeden Tag wird versucht, Zwietracht zwischen uns zu säen: Uns in Reformer, Dogmatiker, Chaoten und Spinner einzuteilen. Aber ich sage euch: lasst euch davon nicht beeindrucken. Wir brauchen das Lob unserer politischen Konkurrenten nicht."
Ära Kipping-Riexinger geht zu Ende
Und schließlich seit 2012 Katja Kipping und Bernd Riexinger. Ein Tandem, das aus heftigen innerparteilichen Verwerfungen zwischen PDS- und WASG-Teil entstand. Und das zwar manchen alten Konflikt entschärfte, aber neue Bruchlinien nicht verhindern konnte - zum Beispiel 2018 im Streit mit der Galionsfigur Sahra Wagenknecht. Katja Kipping damals:
"Nach diesem Parteitag muss doch Schluss damit sein, dass die demokratische Beschlusslage zur Flüchtlingspolitik dieser Partei beständig öffentlich in Frage gestellt wird."
Am Schluss der Ära Kipping-Riexinger steht eine veränderte Partei: Die Linke von 2020 ist eine deutlich andere als 2012, sagt der Politikwissenschaftler Torsten Oppelland von der Universität Jena:
"Man braucht nur mal auf einen Parteitag zu gehen, um sich das optisch vor Augen zu führen. Da sind sehr viel jüngere Leute, sehr viel bunter ist das alles. Die Leute, die in der PDS noch sozusagen die Sozialisierung in der DDR erlebt haben, sind zwar noch vorhanden, spielen aber im Grunde keine große Rolle mehr."
In der Regierung in Bremen
Und Gregor Gysi, seit kurzem als außenpolitischer Sprecher der Linksfraktion wieder stärker im politischen Tagesgeschäft aktiv, bilanziert:
"Also, wir sind nach wie vor im Osten stärker als im Westen. Aber im Westen haben wir jetzt nicht mehr die Schwierigkeiten in den Stadtstaaten wie Hamburg und Bremen. In Bremen sitzen wir sogar in der Regierung, ich bitte Sie. Das ist medial kaum aufgefallen - stellen Sie sich mal vor, vor 15 Jahren hätte Bayern Deutschland verlassen, wenn wir in Bremen in die Regierung gegangen wären. Inzwischen nimmt man das eher als selbstverständlich hin."
Die Linkspartei hat sich als feste Größe in der Nische etabliert. Man sitzt in 10 von 16 Landesparlamenten. Doch zur Wahrheit gehört auch, dass die Partei im Osten altert und stagniert: Dem ersten linken Ministerpräsidenten Bodo Ramelow in Thüringen steht der Verlust einer soliden Stammwähler-Basis im Rest des Ostens entgegen. Die Rolle der erfolgreichen Außenseiter-Partei übernimmt dort inzwischen die AfD.
Probleme im Westen
Im Westen hat die Linke in den meisten Flächenländern Probleme, überhaupt über fünf Prozent zu kommen. So wie der Trend insgesamt nach unten zeigt: Bundesweite Umfragen verorten die Linke bei sieben bis acht Prozent. Bei der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen fiel man jüngst sogar auf 3,8 Prozent. Für die Bochumer Außenpolitikerin Sevim Dağdelen, die als Vertraute Sara Wagenknechts gilt, ein Zeichen des aktuellen Niedergangs.
"Dass die Sozialdemokratie in NRW ungefähr eine halbe Million Wählerinnen und Wähler verloren hat und die Linke nicht nur nicht davon profitieren konnte, sondern sogar noch verloren hat, ist natürlich alarmierend. Und das hat natürlich auch damit zu tun, dass die Parteispitze seit Jahren überhaupt keine Strategien entwickelt hat angesichts zahlreicher Wahlniederlagen."
Innerparteiliche Konflikte köcheln weiter
Die innerparteilichen Konflikte, sie köcheln also weiter: Statt über die Haltung zur Migration wird nun darüber diskutiert, wie ökologisch die Linke sein darf. Und ein Jahr vor der Bundestagswahl geht es natürlich wieder einmal um die ewige Frage: Mitregieren im Bund, ja oder nein?
Die weibliche Doppelspitze, die am übernächsten Samstag auf einem wegen Corona verkürzten Parteitag gewählt werden soll, gibt Antworten aus unterschiedlichen Richtungen: Die 43-jährige Susanne Hennig-Wellsow, Fraktions- und Parteivorsitzende in Thüringen, macht als Ost-Linke aus dem Regierungsanspruch keinen Hehl. Kein Wunder: Zwar machte erst der Blumenwurf vor die Füße des FDP-Kurzzeit-Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich sie bundesweit bekannt. Im Hintergrund trägt sie aber bereits lange dazu bei, dass Bodo Ramelow relativ reibungslos regieren kann.
Die 39-jährige Janine Wissler wiederum ist Fraktionsvorsitzende der Linken in Hessen. Sie hat sich als klassische Oppositionspolitikerin profiliert. Politische Veränderung heißt für sie zunächst einmal, gemeinsam mit sozialen Bewegungen Druck aufzubauen.
Erster gemeinsamer Auftritt der Kandidatinnen in Thüringen
Der erste gemeinsame Kandidatinnen-Auftritt auf dem Thüringer Landesparteitag Mitte September lieferte für diesen Unterschied Anschauungsmaterial. Hennig-Wellsow warb bei ihrem Heimspiel offen für eine Regierungsoption:
"Was aber glaube ich die Sehnsucht, tatsächlich in der Partei Die Linke ist: Gemeinsam voranzuschreiten. Dafür stehe ich. Und ich stehe auch dafür, dass wir begreifen, dass wir eine Durchsetzungsperspektive brauchen. Dass wir nach 30 Jahren in der Opposition zumindest in die Lage versetzt werden können an einer Regierung beteiligt sein zu können, wenn wir es wollen."
Die Hessin Janine Wissler dagegen mied das Thema Regieren. Sie betonte Grundsätzliches:
"Ich denke, so eine Linke brauchen wir. Die konkrete Verbesserungen erkämpft, aber gleichzeitig auch deutlich macht: Wir wollen eine grundsätzlich andere Gesellschaft. Und wir haben eine Vision davon, wie es ganz anders funktionieren kann. Und so ne Linke wünsche ich mir: In Thüringen, in Hessen und auch im Bund."
Grundsätzlich gilt die Linke mehrheitlich als regierungsbereit - die Frage ist aber, um welchen Preis. Umwandlung der Nato in ein kollektives Sicherheitssystem mit Russland, ein Ende aller Bundeswehr-Einsätze im Ausland, ein Verbot von Waffenexporten: Gerade in der Außenpolitik enthält das Grundsatzprogramm viele Positionen, die gerade für die West-Linke identitätsstiftend sind, aber in einem grün-rot-roten Bündnis kaum zu halten wären. Der Politologe Torsten Oppelland:
"Insofern ist die Aufstellung, die die Partei jetzt nimmt mit einer Vorsitzenden, die stärker diesem linken Flügel zugerechnet wird und einer, die stärker dem pragmatischen Flügel zugerechnet wird, schon ganz klug gewählt. Denn man kann in keine Koalition gehen, wenn man den linken Flügel nicht irgendwie einbindet. Und das ist die Aufgabe, die Frau Wissler in dem neuen Vorstand übernehmen wird."
Breite Mehrheit für die weibliche Doppelspitze gilt als sicher
Trotz Kritik aus dem Wagenknecht-Lager: Eine breite Mehrheit für die weibliche Doppelspitze Hennig-Wellsow/Wissler gilt als sicher. Danach gilt es, eine äußerst heterogene Partei bis zur Bundestagswahl auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Eine Heterogenität, die längst mehr ist als Ost und West, so Janine Wissler:
"Wir sind ja nicht nur aus PDS und WASG entstanden, sondern es gibt Leute, die Jahrzehnte lang in der SPD waren, es gibt ehemalige Grüne, es gibt sehr, sehr viele Gewerkschafter, Umweltbewegte, Menschen aus der Frauenbewegung, aus der Friedensbewegung, die wirklich auch aus unterschiedlichen Traditionen der Linken kommen."
Und Susanne Hennig-Wellsow sagt: "Ich habe da echt Bock drauf. Und insofern ist das glaube ich ‘ne gute Grundlage, tatsächlich auch wieder positive Stimmung in die Partei zu bringen, tatsächlich das Potenzial, was diese Partei hat und gerade nicht schöpft, wieder zu heben und aus der etwas verschlafenen Partei durchaus eine Partei zu machen, die den Aufbruch will; die Leute mitnimmt und die tatsächlich darstellen kann, dass wir eine Partei sind, die es in der Bundesrepublik braucht und auf die man nicht verzichten kann."