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Die Maske
Schützendes Stück Stoff und politisch-symbolisches Requisit

Joe Biden und Kamala Harris tragen sie, Donald Trump selten und widerwillig. Die Maske oder Mund-Nasen-Bedeckung ist mehr als nur ein Stück Stoff im Gesicht. Keine Zierde, aber ein Signal: ein politisches Requisit. Wer sie trägt, setzt ein Zeichen. Wer nicht, auch.

Von Michael Köhler |
Ein Automat auf einem Gleis der Deutschen Bahn am Bahnhof ist neben Süßigkeiten und anderen Dingen auch mit Masken bestückt
Schokoriegel und Masken: Die Mund-Nasen-Bedeckung ist inzwischen Teil unseres Alltags. (imago images / photothek / Ute Grabowsky)
Die Maske ist Kennzeichen der Krise. Und ein Kennzeichen gesellschaftlicher Unterscheidung. Wer sie trägt, setzt ein Zeichen. Wer nicht, auch.
"Wer die Maske trägt, hat zumindest schon eingesehen, dass es eine Krise gibt. Das ist ja unter vielen gar nicht so konsensuell bestärkt. Aber es ist gewissermaßen auch ein Symbol für Anpassung. Es ist ein Symbol für richtiges Verhalten. Und wer protestieren will, wird keine Maske tragen, und wird eine Form von Kontext produzieren, mit dem das Masketragen mit Peinlichkeit in Verbindung gebracht wird. Das kommt ja tatsächlich vor. Also, tatsächlich ein politisierbares Symbol", sagt der Soziologe Armin Nassehi.
"Man kann die Maske eigentlich kaum mehr dafür tragen, wofür sie da ist, nämlich für den Infektionsschutz, sondern man demonstriert damit gleichzeitig auch noch eine Haltung mit, die in der Tat politisierbar ist."
Alle, die nicht genug Abstand halten können, sollen eine Maske tragen. Das räumte US-Präsident Trump spät ein. Ende Juli sagte er, es sei ein patriotischer Akt sie zu tragen, um den "Unsichtbaren China Virus" zu bekämpfen.
"We're asking anybody, when you are not able to socially distance, wear a mask, get a mask, whether you like the mask or not! They have an impact, they'll have an effect and we need everything we can get."
33D-Modell des Coronavirus SARS-CoV2
Die Maske als Symbol der Polarisierung in den USA
Die Maske ist auch zum Symbol einer politischen Polarisierung geworden, sagt der Politikwissenschaftler Christian Lammert vom John F. Kennedy Institut der FU Berlin.
"Ja, also die Maske ist in USA, hat das, glaube ich, zweierlei Bedeutungen, was diesen Wandel bei Trump oder auch wieder die Rückverwandlung, also momentan sieht man ihn wieder nicht mit Masken. Er hat das zwischendurch mal auf Druck gemacht. Was sich darin widerspiegelt, ist einmal ein bisschen was natürlich Kulturelles. Und im Kontext der extremen Polarisierung der amerikanischen Gesellschaft ist die Maske auch zu so einem Symbol dieser Polarisierung geworden. Die Demokraten, die mehr liberalen urbanen Eliten, tragen die Maske, während das echte Amerika, das ländliche Amerika, die Trump-Unterstützer diese Maske nicht tragen. Ich glaube, das ist so ein bisschen der Kulturkampf, den wir in der amerikanischen Gesellschaft sehen. Aber auf der anderen Seite ist die Maske natürlich auch ein Symbol für die Corona-Pandemie und wie der Staat und wie die Regierung damit umgeht und lange Zeit hat Trump die Pandemie ignoriert, kleingeredet. Aber, er ist immer noch jemand, der sagt, das ist Eigenverantwortung. Er würde sich niemals für einen Maskenzwang einsetzen."
Der Kongress der Demokraten sollte ursprünglich mit 50.000 Gästen in Milwaukee starten. Doch statt großen Hallen, Luftballons, Jubel und Musik gab es nur einen virtuellen Kongress. In kaum einer Rede lässt US-Präsidentschaftskandidat Joe Biden aus, wie er im Arbeitermilieu groß wurde. Er lebt immer noch in Wilmington. Der vom Schicksal heimgesuchte sitzt in seinem "Bunker" wie Präsident Trump verächtlich sagt. Joe Biden hat sich nach Ausbruch des Coronavirus in sein Haus zurückgezogen. So hat es der Gouverneur von Delaware seinen Bürgern empfohlen.
"Jeder einzelne Amerikaner sollte in den nächsten drei Monaten eine Maske tragen, wenn er sich im Freien aufhält. Jeder Gouverneur sollte eine Anordnung erlassen, dass das Maskentragen vorschreibt."
Präsident Trump machte sich lustig darüber, dass sein Herausforderer eine Maske trägt. Inzwischen hat er selber dazu gegriffen und räumt ein, dass es erst noch schlimmer wird, bevor es besser werden kann.
"It will probably, unfortunately get worse before it get's better. Something, I don't like saying about things. That's the way it is. That's what we have, you look over the world. It's all over the world."
Politikwissenschaftler Christian Lammert: "Er hat von Anfang an sich auch immer lustig gemacht wie Biden mit Maske aussieht. Er hat dann in Tweets gesagt, er versteht jetzt, warum Biden immer im Keller versteckt wird, wenn man so eine Maske aufhat in der Öffentlichkeit. Das sieht ja fürchterlich aus. Aber die Symbolfunktion, die man als Präsident hat, wir haben das jetzt auch gesehen, der erste Presseauftritt von Joe Biden mit Kamala Harris, beide kamen mit Maske auf die Bühne, immer weit voneinander weggestanden, also social distancing praktiziert. Also hier wird auch der Umgang mit der Pandemie parteipolitisch instrumentalisiert von beiden Seiten."
Soziologe Armin Nassehi - "Die Maske ist eine Zivilisierungsübung"
Die Maske sorge für Distanz und ermögliche darüber Nähe, sagte der Soziologe Armin Nassehi im Dlf. Damit symbolisiere sie im Grunde alltägliches Verhalten im Zusammenleben großer Gruppen. Denn Distanz halten zu können, sei da essenziell, um Konflikte zu vermeiden.
Die Maske als Zeichen von Ernsthaftigkeit
Mit Kamala Harris, der kalifornischen Senatorin an seiner Seite, punkten die Herausforderer bei weiblichen Wählern und bringen jene menschennahe Lebendigkeit und Empathie mit, die Trump gänzlich fehlt. Präsidentschaftskandidat Joe Biden und sein "Running Mate" Kamala Harris trugen demonstrativ beide einen Mundschutz. Wer Maske trägt, zeigt damit, die Sache ernst zu nehmen.
Ulrike Guérot, Professorin am Departement für Europapolitik und Demokratieforschung der Donauuniversität Krems: "Auf der einen Seite gibt es jetzt offensichtlich medizinische Evidenz, dass die Maske etwas nützt, insofern ist es durchaus verständig, sie zu tragen, auf so einer allgemeinen Vernunftsebene. Aber natürlich ist sie inzwischen auch das Symbol dafür geworden, für diejenigen, die sich eben an die Regeln halten, Patriotismus dann, und die nicht regelbrechig sind. Insofern würde ich schon sagen, dass wir inzwischen eine faktische und eine meta-theoretische Bedeutung der Maske haben."
Evidenz ist nicht alles. Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro hat die höchsten Beliebtheitswerte seit Amtsantritt 2019. 37 Prozent der Befragten geben ihm gut bis sehr gut. Grund dafür sind die großzügig verteilten Corona-Hilfen. Und das, obwohl Bolsonaro die Corona-Pandemie als "Grippchen" bezeichnet, und Schutzmaßnahmen für überflüssig gehalten hat. Brasilien zählt mehr als 100.000 Corona-Todesopfer und mehr als drei Millionen Infektionen. Die Dunkelziffer liegt vermutlich höher. Längst trägt die Welt Maske. Nicht nur die internationale Politik ist davon betroffen, sondern sämtliche Nationen und Staaten. Im Großen wie Kleinen. Darum wird aber gestritten.
Die Maskenpflicht in nordrhein westfälischen Schulen seit Beginn des Schuljahres 2020/21 ist vom Oberverwaltungsgericht Münster bestätigt worden. Die Maßnahme sei zumutbar, erforderlich und verhältnismäßig. Anträge gegen das Maskentragen von Schülern aus dem Kreis Euskirchen wurden abgelehnt. Sie hatten argumentiert, es gebe keine wissenschaftlichen Belege für die Wirksamkeit einfacher Masken. Das Gericht betonte, die Maskenpflicht sei geeignet, die Verbreitung von Viren einzudämmen.
Eine Lehrerin mit Mund- und Nasenschutz steht in einer Grundschule. Foto: Sebastian Gollnow/dpa | Verwendung weltweit
Nele Flüchter vs. Harald Willert - Haben die Schulen in der Coronakrise versagt?
Wären Deutschlands Schulen auf einen weiteren Lockdown vorbereitet? "Mir fehlen die kreativen Lösungen", sagt Nele Flüchter von der Initiative "Familien in der Krise". Harald Willert von der Schulleitungsvereinigung NRW entgegnet: Die Schulen geben ihr Bestes.
Die Maske als Symbol von Nähe und Ferne
Auch beim Brüsseler EU-Sondergipfel trugen der niederländische Regierungschef Rutte, die dänische Premierministerin Frederiksen, der französische Präsident Macron und die deutsche Kanzlerin Merkel demonstrativ Mundschutz, als sie am Konferenzort ihren Limousinen entstiegen.
"Natürlich hat Herr Macron die kleine Trikolore und Herr Söder die bayerische Flagge. Das ist schon auch identitätsbewusst, was da gerade verhandelt wird."
Wie sehr die Maske auch zum dialektischen Symbol von Nähe und Ferne, Authentizität und Verborgenheit, Gehorsam und Verweigerung, Erwartung und Enttäuschung wird, zeigt die Antwort von Kanzlerin Merkel auf die Frage, warum sie so selten "mit" zu sehen sei.
"Tja, wenn ich die Abstandsregeln einhalte, brauche ich die Maske nicht aufzusetzen und wenn ich sie nicht einhalte, wenn ich zum Beispiel einkaufen gehe, dann treffen wir uns nicht offensichtlich, sonst hätten sie mich auch schon mit Maske sehen können."
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) trägt eine Gesichtsmaske, als sie am vierten Tag zum EU-Gipfel eintrifft.
Bundeskanzlerin Merkel beim EU-Sondergipfel zur Bewältigung der Corona-Wirtschaftskrise (dpa-Bildfunk / AP / Reuters Pool)
Dieses "Treffen" hat es in sich. Wie treffen wir aufeinander unter Masken-Kommando? Was gestern noch Befremden erzeugte, ist heute erwartbar. Das verändert uns und die Gesellschaft. Soziologe Armin Nassehi:
"Für mich würde in einem Supermarkt zurzeit jemand ohne Maske mehr Informationswert produzieren, mehr Aufmerksamkeit produzieren als jemand, der eine Maske aufhat. Und das ist ja soziologisch das Interessante, dass wir uns tatsächlich daran gewöhnen. Am Anfang war die Maske abweichendes Verhalten. Jetzt ist keine Maske abweichendes Verhalten. Und daran kann man eigentlich sehr schön sehen, wie stark wir in unserem Verhalten und in den Normalität-Unterstellungen eigentlich davon abhängig sind, was die anderen tun und, ob wir uns angepasst verhalten können oder nicht."
Die Maske gibt naturgemäß wesentliche Teile des Gesichts nicht zu sehen. Sie verbirgt doppelt. Sie verbirgt das eigene Gesicht vor dem Anderen, sie ist aber auch in der Lage sich selber zu verbergen durch Verstellung. Das Gesicht als Träger des Selbst der modernen Subjektivität verschwindet. Damit macht die Maske das fragwürdig, was wir für unverstellte Authentizität halten. Ulrike Guérot:
"Das Verstecken der Körperlichkeit, das Verstecken des eigenen Aussehens hinter der Maske, die dann eben schön war – venezianische Maskenwelt, oder eben die Perücke, oder die Frauen mit diesen auf dem Stab aufgesteckten Augenmasken, die dann eben gold oder schwarz waren. Die Maske ist natürlich ein kultureller Träger von Expression im Grunde. Und insofern ist tatsächlich die Frage, was machen wir jetzt aber mit Masken, die wir eben nicht mehr kulturell deuten, sondern, die wir gesundheitspolitisch deuten? Das sind ja nicht die gleichen Masken! Wir wollen jetzt nicht eine venezianische Maske mit einer Mund-Atemmaske verwechseln."
Schutzmasken - Eine Frage des Designs
Schutzmaske ja oder nein? Wenn dann gut aussehend! Stipendiaten der DesignfarmBerlin stellen DIY-Masken zum Nachmachen ins Netz, einfach und leicht umsetzbar. "Die Maske wird immer stärker als Modeaccessoire betrachtet", sagte Maximilian Mahal im Deutschlandfunk.
"Es gibt ja jetzt auch schon die "Trikinis", also, dass sie einen Bikini haben mit passender Maske dazu. Das ist eigentlich auch schon absonderlich. In dem Moment, wo die Maske nur vor dem Mund ist, die im Wesentlichen nicht ästhetisierend ist, es ist keine venezianische Maske, sondern eben nur dieser Mundschutz, dass in dem Moment natürlich auch tatsächlich die Maulkorb-Assoziation nicht besonders weit ist."
Ein Leben in unfreiwilliger Vermummung
Vor der Maskenpflicht hatten wir es in der Hand, uns so gut es ging zu verstellen, zu maskieren. Jetzt ist sie diktiert. Vorher war sie ein elastisches Versteck, das einem erlaubte, sich dahinter zu verbergen. Einfacher gesagt, noch die größte Frechheit ließ sich mit einem Schmunzeln weg lächeln. Jetzt sind wir des Lächelns verlustig gegangen. Wir leben in unfreiwilliger Vermummung. Das fordert die Kommunikation heraus.
Die Maske ist aber nicht nur ein Symbol auf der großen Bühne, was den Umgang mit der Corona-Pandemie betrifft. Sie nimmt auch unmittelbaren Einfluss auf unser Zusammenleben.
Anfangs sah NRW-Ministerpräsident Armin Laschet noch keine Pflicht zum Masketragen. "Wir haben die ungewöhnliche Situation, dass wir und viele andere sich vor allem mit Maskenbeschaffung beschäftigen."
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn wies auf den Unterschied von FFP2-Masken für Klinikpersonal und Stoffmasken für den Normalverbraucher hin. "Wenn wir das schaffen, das zu unterscheiden, den Bereich der medizinischen Schutzmasken und Community-Masken, die im öffentlichen Raum getragen werden, um andere zu schützen vor einer Infektion, dann können sie tatsächlich eben auch eine Hilfe sein, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen."
Zeitweilig konkurrierten die potenziellen Kanzlerkandidaten der Union, Laschet und Söder, um den Status des besseren Masken-Beschaffers. Mit Ende der Schulferien änderte sich der freiwillige Umgang mit der Maske. Bayerns Ministerpräsident Söder:
"Aber damit sich alle darauf einstellen können, wird ab nächster Woche, mit dem Zeitpunkt der Öffnung der Geschäfte, mit der Möglichkeit, dass mehr Schule kommt, wird auch im ÖPNV eine andere Situation sein, brauchen wir eine erhöhte Schutzwirkung. Deswegen werden wir ab nächster Woche eine Mund-Nase-Schutzverpflichtung anstellen. Man nennt es im Allgemeinen auch eine Maskenpflicht."
Markus Söder, Ministerpräsident von Bayern und CSU-Vorsitzender nach einem Schul-Digitalisierungsgipfel in der Staatskanzlei im Prinz Carl Palais in München am 23.07.2020. 
Markus Söder (CSU) - „Setze mich für einheitliche Maskenpflicht und Bußgelder ein"
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat sich angesichts weiter hoher Coronazahlen dafür ausgesprochen, über eine verstärkte Maskenpflicht für die nächsten ein bis zwei Monate nachzudenken. Weitere Lockerungen, etwa bei Großveranstaltungen, seien derzeit nicht plausibel, sagte Söder im Dlf.
Die Maske hat aber nicht nur den wechselseitig schützenden Effekt. Sie nötigt uns günstigstenfalls auch eine Einsicht ab, ein politisches Bekenntnis. Sie ist nämlich auch eine Art Zivilisierungsübung, betont Soziologe Nassehi. Sie lehrt, wie wichtig Abstand grundsätzlich für menschliche Gesellschaften und Nationen ist.
"Distanz halte ich für eine der wichtigsten Formen, sozialen Kontakt gewissermaßen kollisionsfrei zu ermöglichen. Ich meine, das Interessante an der Maske, das ist ja tatsächlich, dass die Distanz ein Nähe-Medium ist. Also nur, weil ich diese Form von Distanz wahren kann, ist es überhaupt möglich Nähe zu ermöglichen, weil sonst die Infektionsgefahren zu groß werden. Ich muss mich verhüllen, damit ich mich zeigen kann."
Ablehnung gegenüber Maskenpflicht am Arbeitsplatz
Inzwischen sind wir bei einer flächendeckenden Maskenpflicht. Der Vorschlag der scheidenden Unionsvorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer, auch am Arbeitsplatz eine Maskenpflicht einzuführen, stieß in der Regierung und bei Tarifpartnern auf Ablehnung.
Wie uneinig Bund und Länder bei der Regelung der Maskenpflicht sind, zeigt der NRW-Vorstoß. Das größte Bundesland setzt die Maskenpflicht für Kinder und Jugendliche an weiterführenden Schulen aus. Sie endete zum 31. August. In Schulgebäuden bleibt sie bestehen.
Ob beim Frisör, Bäcker oder in der Schule. Die Maske ist eine Qual. Aber sie ist ein Schutz. Im Einzelhandel oder im Dienstleistungsbereich geht es gar nicht mehr ohne. In der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel heißt es:
"Soweit arbeitsbedingt die Abstandsregel nicht eingehalten werden kann und technische Maßnahmen wie Abtrennungen zwischen den Arbeitsplätzen nicht umsetzbar sind, müssen die Beschäftigten mindestens Mund-Nasen-Bedeckungen zum gegenseitigen Schutz tragen."
Die Verstöße gegen die Maskenpflicht auf Bahnhöfen, in Zügen und Straßenbahnen haben zum Ruf nach einer einheitlichen Regelung geführt. In Hanau können 50 Euro fällig werden. In Berlin bis zu 500 Euro. Die Bundeskanzlerin spricht sich inzwischen für eine Art Unter- und Obergrenze beim Bußgeld für Verstöße gegen die Maskenpflicht aus. Bundesweit soll ein Bußgeld von mindestens 50 Euro erhoben werden. Das teilte Bundeskanzlerin Merkel nach Beratungen mit den Ministerpräsidenten in Berlin mit. Der Publizist und Kolumnist der Süddeutschen Zeitung, Heribert Prantl:
"Es ist ja so, dass es einen tiefen Graben gibt zum Beispiel zwischen den Maskenfreunden und den Maskenfeinden. Das Bußgeld wird nicht dazu beitragen, diesen Graben zuzuschütten."
Aus einem schützenden Stück Stoff ist inzwischen ein politisch-symbolisches Requisit geworden. Es lässt sich stilsicher in passender Farbe zum Hemd oder Kleid tragen, als Designer-Modell. In skandinavischen Ländern wurde es zunächst kaum bis gar nicht getragen. Das widersprach der Tradition der offenen Gesellschaften. Inzwischen hat sich das auch in Dänemark und Schweden geändert.
Die Maske zeigt quasi den nationalen und den individuellen Grad an Risikobewusstsein, Präventions-Einsicht und Regelkonformität an. Die Maske hat im vergangenen halben Jahr vieles verändert. Das Gesicht ist teils verdeckt, ein Lächeln unsichtbar, Emotionen sind weniger eindeutig, Kommunikation ist aufwendiger und anstrengender.
Ohne Maske und mit Anti-Merkel-Transparent demonstrieren Menschen in Berlin gegen die Anti-Corona-Maßnahmen.
Corona-Demonstrationen - Wer marschiert da zusammen?
Menschen mit Regenbogenfahnen, Reichsbürger, Identitäre, Impfkritiker und Ärzte: Die Corona-Gegner bilden ein breites Milieu ab. Und doch eint sie der Protest gegen die Beschränkungen durch die Corona-Maßnahmen. Wer steckt hinter den Protesten? Was verbindet die Demonstrierenden? Ein Überblick.
Maskenpflicht-Verstoß als Rebellion
Natürlich lässt sich mit Maskenpflicht-Verstoß auch prima rebellieren. Stephan Brandner von der AfD macht das gern medienwirksam. So kürzlich bei der Deutschen Bahn. Brandner forderte einen Polizeieinsatz heraus, weil er sich im Zug nicht an die Maskenpflicht hielt. Der Schaffner rief die Polizei. Der ICE nach Rügen musste deshalb anhalten. Der Abgeordnete wurde von der Polizei mehrfach ermahnt, bis er eine Maske aufsetzte. Oder sein Kollege Stefan Löw, der im Bayerischen Landtag meinte, eine martialisch aussehende Gasmaske am Rednerpult aufsetzen zu müssen und für einen kalkulierten Eklat sorgte. Beatrix von Storch, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD im Deutschen Bundestag, am Tag als die Berliner Großdemonstration startete:
"Wir sind für klare wissenschaftliche Grundlagen und Belege dafür, dass die Maßnahmen, die man ergreift, sinnvoll sind, dass die etwas bringen. Wir haben den Eindruck, dass die Regeln, die dort sind, deswegen auch nicht akzeptiert werden, weil sie nicht belegt sind, dass sie etwas Gutes bewirken. Masken sind nicht in jeder Situation hilfreich. Masken können auch gesundheitsgefährdend sein."
Wegen zu erwartender Verstöße gegen die Infektionsschutzverordnung hatte der Senat die Berliner Demonstration gegen die Corona-Politik Ende August zunächst untersagt. Gerichte kippten das Verbot mit Eilbeschlüssen. Weil die Abstandsregeln nicht eingehalten wurden, ordnete die Polizei Mund-Nasen-Bedeckung an. Dem Aufruf wurde nicht Folge geleistet. Der Demonstrationszug in der Friedrichstraße startete erst gar nicht.
Längst ist die Maske also eine Art politisches Bekenntnis-Tuch geworden. Sie ist nicht mehr dem Klinikpersonal im OP oder den Zahnärzten vorbehalten. Sie ist überall anzutreffen. Sie hat Eingang in unseren Alltag gefunden.
US-Präsident Donald Trump hat sich erneut in der Öffentlichkeit mit Mund-Nase-Schutz gezeigt.
US-Präsident Donald Trump mit Maske: Mal ist er gegen sie, mal dafür (picture-alliance/dpa)
Wer sie trägt, setzt ein Zeichen. Wer nicht, auch. Soziologe Armin Nassehi:
"Die Maske ist in der Tat eine Zivilisierungsübung. Also, ich würde ja, wenn ich Zivilisation definieren sollte, das ungefähr so definieren zu sagen: Zivilisiertes Verhalten zeichnet sich dadurch aus, dass man nicht alles, was einem in den Kopf kommt, gleich sagt. Und das ist ja bei der Maske sozusagen das Geschäftsmodell. Ja, ich versuche mit dem Anderen umzugehen, aber ich versuche, keine Zumutung für ihn zu sein. Und keine Zumutung heißt hier, keine infektiöse Zumutung. Aber es ist eben noch viel mehr. Es ist eben ein Verhalten, das eigentlich symbolisch abbildet, wie unser Alltagsverhalten normalerweise stattfindet: nicht zu stark in den Anderen einzudringen."
US-Präsident Trump träume davon - berichtete kürzlich die New York Times - sein Gesicht neben Washington, Jefferson, Lincoln und Roosevelt in den Felsen von Mount Rushmore meißeln zu lassen. Bei seinem Auftritt vor dem Denkmal am Unabhängigkeitstag posierte er schon mal dafür.
Unvorstellbar, dass er sich mit Mund-Nasen-Schutzmaske verewigen ließe.
Im New Yorker Wachsfiguren-Kabinett Madam Tussaud, das seit Anfang September für Touristen wieder geöffnet hat, steht am Eingang eine 1,80 Meter große Figur von Donald Trump. Sie trägt einen Mund-Nasen-Schutz und soll Besucher daran erinnern, es ihm gleichzutun.