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Die Medienwelt im Stadttheater

In Europa ist Bertelsmann noch spitze, doch weltweit wurde der Medienkonzern längst abgehängt. Allein der Erotik-Bestseller "Fifty Shades of Grey" gibt derzeit Anlass zur Freude. Thomas Rabe, seit Jahresanfang neuer Chef der Bertelsmänner, gab beim Managertreffen in Gütersloh nun die Stoßrichtung für die Zukunft vor.

Von Sina Fröhndrich |
    "Meine Vorstellung ist und unser Ziel ist, dass Bertelsmann sehr viel stärker wachsen wird, sehr viel internationaler sein wird und vor allem digital führend."

    Sagte Bertelsmann Vorstandschef Thomas Rabe in einem offiziellen Pressestatement. In seiner Wachstumsstrategie – auch bei der Tochter Gruner + Jahr spielt vor allem das Onlinegeschäft eine wichtige Rolle. Verlagskenner kritisieren schon lange, dass der Konzern das Internet verschlafe. Der frühere Chefredakteur der Gruner + Jahr-Zeitschrift "Capital", Ralf-Dieter Brunowsky:

    "Der ganze Konzern hat eigentlich viele Jahre eine sehr zurückhaltende Politik gefahren und jetzt kommt hier richtig eine ungeheure Dynamik rein, und das finde ich ganz fantastisch."

    Neben dem digitalen Markt mit E-Books und Video-on-demand-Angeboten setzt Bertelsmann außerdem auf Länder wie Brasilien, Indien und China. Denn noch werden 80 Prozent des Umsatzes in Europa gemacht. Nun also - alles neu in Gütersloh?

    "Das ist sozusagen das Gleiche, was Herr Rabe seit Monaten erzählt."

    Kritisiert der Journalist und Bertelsmann-Kenner Thomas Schuler.

    "Internationalisierung, Wachstum, Transformation, Bildung. Das sind so Stichworte, die immer wieder auftauchen bei ihm. Und das einzige Problem ist dabei: Es bleibt eben sehr unkonkret, ich hab gedacht, vielleicht wird hier in Gütersloh etwas verkündet, wo sie denn jetzt ansetzen wollen."

    Die Onlinestrategie sei zwar sinnvoll, sagt Schuler. Aber das Managertreffen in Gütersloh diene vor allem als Signal an die Mitarbeiter. Und es ist wohl auch eines an die Märkte. Denn für den geplanten Wachstumskurs muss Bertelsmann-Chef Rabe in Milliardenhöhe investieren.

    Auch noch immer ungewiss: die Zukunft von Gruner + Jahr. Das Verlagshaus von "Stern", "Brigitte" und der "Financial Times Deutschland" kann zwar noch immer mit Gewinnen aufwarten, doch waren die zuletzt nicht mehr so üppig. Daran konnten auch die "normalen" Models in der Brigitte nichts ändern – im Gegenteil, die Auflage ging zurück. Vielleicht auch deshalb kommen ab sofort auch wieder Profimodels ins Heft. Auch die Entwicklungen im Internet setzen Gruner + Jahr unter Druck. Und Journalist Thomas Schuler sieht noch einen Grund.

    "Gruner + Jahr muss Gewinn abliefern, damit der Mutterkonzern Bertelsmann dieses Geld in Wachstum investieren kann. Das heißt, Gruner + Jahr möchte gern aus eigener Kraft wachsen, aber stattdessen muss das Geld immer nach Gütersloh abgeliefert werden."

    Am Verlagsort in Hamburg herrscht Verunsicherung, auch von Stellenabbau ist die Rede. Für Ruhe sorgen soll nun Julia Jäkel. In einer Dreierspitze hat sie die Nachfolge für Bernd Buchholz übernommen, der erst vergangene Woche seinen Posten geräumt hatte. Der frühere "Capital"-Chefredakteur Brunowsky traut Jäkel zu, Gruner + Jahr neu auszurichten. Aber:

    "Ich nehme an, das Bertelsmann zunächst ihr nochmal die Chance geben will, sich zu profilieren, aber eigentlich braucht Bertelsmann oder Gruner und Jahr einen journalistischen Vorstand und eine Triebfeder, die das Wachstum bei Gruner und Jahr wieder vorantreibt."

    Entscheidend für die Zukunft Gruner + Jahrs ist auch, ob der Verlag komplett von Bertelsmann übernommen wird. Noch hält die Eigentümerfamilie Jahr 25,1 Prozent der Anteile und hat ein Mitspracherecht. Damit könnte Schluss sein, sollte es Bertelsmann gelingen, die Jahr-Familie rauszukaufen. Ob der Verlag dann sogar zum Verkauf steht? Bertelsmann-Chef Rabe wischt in einem Interview alle Spekulationen vom Tisch und beteuert: "Wir wollen Gruner + Jahr behalten."