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"Die meisten Steuern hinterziehen die großen Unternehmen"

Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy hat seinen Sparhaushalt vorgestellt. 13 Milliarden Euro will er bei den Ausgaben kürzen. Im Kampf gegen die Steuerflucht setzt Rajoy auf eine Steueramnestie - kein probates Mittel, findet die Gewerkschaft der Steuerbeamten.

Von Hans-Günter Kellner |
    Mariano Rajoy ist kein Schönredner. Als er sich am Montag nach einem Treffen im Vorstand seiner konservativen Volkspartei erstmals öffentlich zum Haushalt äußerte, musste er die Spanier auf bessere Zeiten vertrösten:

    "Dieses wird kein gutes Jahr. Aber wir legen gerade die Fundamente für die Wiederherstellung Spaniens. Die Fundamente eines Hauses sieht man nicht. Aber wenn wir jetzt den Weg der Reformen weiterbeschreiten, wird Spanien gestärkt aus der Krise herauskommen."

    Rajoys Haushalt hat es in sich: Mehr als 13 Milliarden Euro will er bei den Ausgaben kürzen. Um über 70 Prozent gehen die Ausgaben für Entwicklungshilfe und industrielle Forschung zurück, in absoluten Zahlen wird am meisten bei den staatlichen Investitionen gespart. Dem dafür zuständigen Infrastrukturministerium stehen drei Milliarden Euro weniger zur Verfügung als 2011. Der Fiskus will aber auch deutlich mehr einnehmen: Mehr als zwölf Milliarden Euro zusätzlich sollen in die Staatskassen fließen, durch eine Erhöhung der Einkommenssteuer, aber auch durch die Bekämpfung der Steuerflucht, erklärt Finanzminister Cristobal Montoro:

    "Wir wollen eine fiskalische Regulierung durchführen und den Druck auf die Steuerhinterziehung erhöhen. Wir brauchen diese fiskalische Regulierung, weil der Steuerbetrug nicht ausreichend korrigiert worden ist. Darum müssen wir uns noch einmal mehr anstrengen, dass diese Art wirtschaftlicher Aktivitäten und Einkommen ans Licht kommen. Sodass der Steuerbetrüger zu einer vom Aussterben bedrohten Spezies wird."

    Was der Minister in seiner verklausulierten Sprache als "fiskalische Regulierung" bezeichnet, nennt Spaniens Presse längst "Steueramnestie". Montoro hofft, damit würden 25 Milliarden Euro zusätzlich versteuert - zu einem Steuersatz von zehn Prozent – während der Spitzensatz für ehrliche Steuerzahler bei 52 Prozent liegt. Die Finanzbeamten protestieren seit Jahren gegen das Ausmaß der Steuerflucht in Spanien - und gegen die Untätigkeit sämtlicher Regierungen gegen dieses Übel. Zur jetzt vorgesehenen Amnestie meint Manuel Redal von der Gewerkschaft der Steuerbeamten:

    "Wir halten das für sehr schwerwiegend. Es gab in Spanien bereits drei Steueramnestien. Sie haben zu keiner nennenswerten Reduzierung der Steuerhinterziehung geführt und auch keine größeren Summen von Staatseinnahmen gebracht. Diese Amnestien funktionieren nicht, und wer seine Steuern ordentlich bezahlt, wie es sich gehört, wird auch noch bestraft. Im schlimmsten Fall führt das auch noch dazu, dass hier Geld aus illegalen Machenschaften gewaschen wird."

    Den Schätzungen der Steuerbeamten zufolge ist die Summe der hinterzogenen Gelder zehn Mal so hoch wie der von der Regierung anvisierte Betrag. Sie vermuten, dass in Finanzparadiesen und Sparstrümpfen rund 245 Milliarden Euro schlummern, erwirtschaftet in der spanischen Schattenwirtschaft. Die macht mehreren Studien zufolge fast ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts des Landes aus. Oft wird dieser Steuerbetrug den vielen kleinen Handwerksbetrieben zugeschrieben, die nur zu gern am Fiskus vorbei abrechnen. Doch dieser Eindruck trügt, erklärt Redal:

    "Die meisten Steuern hinterziehen die großen Unternehmen und Menschen mit sehr hohen Einkommen. Sie machen mehr als 70 Prozent des jährlichen Steuerbetrugs aus. Die kleinen Unternehmen hinterziehen vielleicht 20 Prozent. Der Rest, das sind Selbstständige. Aber das meiste Geld wird über Firmennetzwerke hinterzogen. Es wird erst in andere Staaten der EU transferiert und verschwindet am Ende in Steuerparadiesen wie Panama oder Belize, ohne zuvor in Spanien versteuert worden zu sein."

    Die Finanzämter müssten zwar jeden Wohnungskauf überprüfen, ob dabei nicht Schwarzgeld gewaschen wurde. Verdächtige Umsatzvolumen dürften jedoch ab einer bestimmten Summe gar nicht mehr untersucht, sondern müssten in der Behördenhierarchie nach oben weitergeleitet werden, beschwert sich der Gewerkschaftssprecher. Redal ist überzeugt, bei mehr Kompetenzen für die Steuerbeamten in den Finanzämtern hätten es die Steuersünder in Spanien schwerer:

    "Ich weiß nicht, ob wir den Steuerbetrug völlig ausmerzen könnten. Aber wir sollten doch in der Lage sein, die Schattenwirtschaft dem Niveau unserer europäischen Partner anzugleichen, auf zehn bis 13 Prozent. Das würde dem Fiskus 38 Milliarden Euro zusätzlich einbringen. Das würde einen Großteil unserer wirtschaftlichen Probleme lösen."

    Denn das Volumen der jährlichen Steuerhinterziehung in Spanien ist den Schätzungen zufolge mehr als doppelt so hoch wie die für dieses Jahr vorgesehene Neuverschuldung von 36 Milliarden Euro.