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Die Meister der Nummern

Mit ENUM, dem "Telephone Number Mapping", werden beispielsweise Telefonnummern bestimmten Internet-Adressen zugeordnet. Dann klingelt auf der ganzen Welt das Mobiltelefon, wird eine einzigartige Nummer gewählt. Seit Jahren treibt das Vorhaben die Internationale Telekommunikationsunion um, doch ENUM macht nur kleine Fortschritte.

Von Klaus Herbst |
    ENUM verknüpft in einem globalen Standard Telefonnummern mit Internet-Ressourcen, und erlaubt so die Adressierung von Internet-Diensten über eine Rufnummer. Theoretisch könnte man auch, einigermaßen sinnlos, mit der Eingabe der eigenen Bank-Konto-Nummer zu Hause den Herd einschalten. Populärer ist natürlich "Voice Over IP", das Telefonieren über Internet. SKYPE hat es vorgemacht, sagt ENUM-Guru Lawrence Conroy von Siemens Roke in England:

    "SKYPE ist wie ein ummauerter Blumengarten, ein interessantes, aber ein geschlossenes System. Wir nehmen es als Erfolg wahr, aber denken Sie einmal an die zwei Milliarden Mobil- und Festnetztelefone auf der Welt. Dann relativiert sich SKYPE mit seinen paar Millionen Nutzern. Das Unternehmen hat sich für ein geschlossenes System entschieden und nicht für einen offenen Standard, weil es kurzfristig etwas auf die Beine stellen wollte. Es könnte aber sein, dass es nicht so weitermachen will. Ein offenes Feld würde mehr Möglichkeiten, um noch schönere Dinge wachsen zu lassen. "

    So schöne, integrierte Dienste ENUM also ermöglicht, von der Öffentlichkeit wahrgenommen wird zurzeit hauptsächlich die Internet-Telefonie. Die Experten sehen das als einen Grund dafür, dass ENUM in Deutschland nicht so richtig abhebt. Der unabhängige ITK-Berater Wilhelm Wimmreuter aus München:

    "Wir argumentieren viel zu viel mit Voice Over IP. Davon müssen wir loskommen, denn nur für Voice Over IP kriegen Sie heute keinen mehr hinterm Ofen vor. Ich krieg heute für meine Taschentelefone in Ländern wie Österreich fünf Euro Flatrate, kann ich so viel telefonieren so viel ich will. Wenn ich in Billigangeboten in Deutschland schaue, dann bin ich bei 0,1 bis einem Cent. Da muss man sich nur mal auf der Zunge zergehen lassen, wie lang man telefonieren muss, damit man sich überhaupt die Briefmarke auf der Rechnung leisten kann. Weg von Voice Over IP, rein in Kommunikation, in kleine Hilfen, die der Anwender bereit ist zu bezahlen..."

    … sonst stagnieren die Nutzerzahlen bisher bei einigen Zehntausend. Das flächenmäßig viel kleinere Südkorea – und auch China - nutzen ENUM überproportional stärker. Österreich hat bewusst versucht, Konvergenz im Internet zu fördern, indem es sämtliche Hochschulen bei ENUM.at registriert hat. Die Möglichkeiten werden freilich auch dort selten genutzt.

    "Ich habe heute eine Festnetztelefonnummer, ich habe eine Mobiltelefonnummer, ich habe eine Nebenstelle. Für diese drei Elemente habe ich typischerweise drei verschiedene Endgeräte. Mit ENUM kann ich sowohl für mich als Internetendgerät, als auch für Festnetz und Mobilendgeräte meine Endgeräte in einem verheiraten. Ich sage dem Anwender gar nicht, dass er drei Telefonnummern hat. Ich kann aber meine Nebenstellennummer, meine Mobiltelefonnummer, meine Festnetznummer unter jeder Identität ansprechen, und es kommt immer an meinem Handy raus."

    Einer der derzeit offenkundigsten Vorteile: Nutzer umgehen das immer noch kostspielige International Roaming. Trotzdem sind bei der in Deutschland zuständigen Frankfurter DENIC nur rund 6.000 Nutzer registriert. Der Informatiker Stefan Liske von der Universität Potsdam erforscht Methoden, um die ENUM-Internet-Telefonie vor Spam zu schützen. Was nützt die schönste Verknüpfung sämtlicher Dienste, wenn nachts um drei das Taschentelefon klingelt und eine Computerstimme erektionssteigernde Medikamente anpreist – oder einen Versicherungsvertrag?

    "Ich denke, dass es ähnlich gefährlich wie bei E-Mail werden kann, wenn man nicht vorher darauf reagiert. Bei der Voice Over IP-Technik wird es ähnlich funktionieren. Wenn sie sich erstmal verbreitet hat und so durchgesetzt hat, dass alle ebenso einen Voice Over IP-Anschluss haben, auch dann wird es den Missbrauch geben - es sei denn, wir schaffen jetzt die Voraussetzungen, die das eindämmen. Ob wir es ganz verhindern können werden, das glaube ich nicht."

    Was im Internet bereits misslungen ist, Spam komplett zu verhindern, ist bei der Internet-Telefonie sogar noch viel schwieriger. Bevor das Telefon klingelt, ist es nicht möglich, dessen Inhalt vorwegzunehmen und automatisch zu analysieren; Content-Analyse fällt also aus. Und wenn es klingelt, ist ja der Schaden, die Störung, schon entstanden. Trotzdem haben die findigen Potsdamer Methoden entdeckt, den Telefon-Spam zu minimieren. Stichwort Reputationsfelder: Der Provider bewertet das soziale Ansehen in der Kommunikationsgemeinschaft. Minimale Geldbeträge können in Staffeln eingefordert werden. Zehn Cent symbolische Gebühr, die die Freundin gerne einmalig entrichtet, würden die infame Spam-Schleuder sicher abschrecken. Stefan Liske:

    "Wenn Sie zum Beispiel einen Anruf bekommen, und sie legen sofort auf. Dass passiert dem Anrufer immer wieder, dann ist das ein wirklich schon sehr untrügliches Zeichen dafür, dass der Anrufer nicht gewollt war. Und das können Sie auch auswerten und lassen es natürlich in das Reputationfeld mit einfließen. Genauso die Kosten. Sie haben ein gewisses Spiel bei den Kosten, die sie anfordern können als Angerufener, um sozusagen diese Hürde aufzubauen, dass sie nicht angerufen werden. Und je nachdem in welcher Höhe sie die plötzlich verlangen, wissen Sie auch als Provider, was der Angerufene dachte, dass der Anrufer zu einem gewissen Grad an Spammer sei. Mein Provider kann feststellen, dass jemand die ganze Zeit immer wieder versucht, Anrufe an Leute zu tätigen, die gar nicht existieren, weil er Nummern durchprobiert, es sich wahrscheinlich um unerwünschte Gespräche handelt. Das ist etwas, was kann nur ein Provider feststellen, und er kann auch nur diese Analysen durchführen. Solche Module müssen wir natürlich entwickeln und weiter verbessern."