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"Die Meldeämter geben ja nicht alle Daten preis"

In der Debatte über den Meldegesetzentwurf zur Weitergabe von Personendaten beruhigt Gerd Landsberg vom Städte- und Gemeindebund: Es finde kein "Ausverkauf" von Daten statt, in bestimmten Fällen gebe es sogar eine Sperre. Auch verdienten die Ämter nichts an der Weitergabe.

Das Gespräch führte Bettina Klein | 11.07.2012
    O-Ton Horst Seehofer: "Ich lese heute in irgendeiner Überschrift, das ist ein CSU-Meldegesetz. Jetzt hoffe ich nicht, dass CSU-Abgeordnete daran beteiligt waren. Das wäre nicht schön."

    O-Ton Hans-Peter Uhl: " Ja, selbstverständlich war ich beteiligt, das müsste Herr Seehofer auch wissen. Es war eine monatelange Debatte unter Fachleuten. Der Gesetzentwurf wurde von uns in wochenlangen Gesprächen geändert. Dann gab es einen Änderungsantrag, der lag 13 Tage vor der Abstimmung im Bundestag jedem vor, natürlich auch Frau Aigner, jedem Ministerium. Bei allen Veränderungen und Gesprächen war das Bundesinnenministerium immer anwesend."

    Bettina Klein: Da gibt es offenbar gewisse Unstimmigkeiten innerhalb der CSU. Horst Seehofer, den wir da gerade hörten, der hofft, dass keine CSU-Abgeordneten an der neuen Fassung des Meldegesetzes dabei gewesen sind, und ein CSU-Innenpolitiker Uhl bei uns gestern im Deutschlandfunk, der genau das selbstverständlich bestätigt und der auch darauf hinweist, die Einwohnermeldeämter hätten selbst dafür plädiert, dass nun jeder Bürger Widerspruch einlegen muss – dagegen, dass seine Daten von der Stadt weitergegeben werden. Ob das so stimmt und wie es in der Praxis ablaufen könnte, das wollen wir jetzt wissen von Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes. Schönen guten Morgen!

    Gerd Landsberg: Guten Morgen, Frau Klein!

    Klein: Herr Landsberg, der CSU-Innenpolitiker Uhl spricht auch von einer hysterischen abstrakten Diskussion über eine Gefahr, die es gar nicht gibt bei dieser aktuellen Fassung des Meldegesetzes. Sind auch Sie hysterisch?

    Landsberg: Wir sind ganz sicherlich nicht hysterisch. Ich glaube aber, man muss zur Kenntnis nehmen, dass Bürger in allen Bereichen, wo es um Daten geht, viel empfindsamer geworden sind. Wir haben die große Diskussion gehabt mit Street View und Google und deswegen hätte man hier vielleicht etwas vorsichtiger vorgehen sollen. Und ich muss auch sagen, natürlich waren wir als kommunale Spitzenverbände am Gesetzgebungsverfahren beteiligt. Aber dieser etwas dubiose Zusatz in dem Paragrafen 44, der eingefügt wurde, wo es heißt, diese Widerspruchslösung gilt nicht, wenn die Daten ausschließlich zur Bestätigung oder Berichtigung bereits vorhandener Daten verwendet werden, dazu sind wir nicht angehört worden.

    Klein: Uhl sagt nun aber, die Abgeordneten hätten sich bewusst mit Fachleuten aus den Einwohnermeldeämtern unterhalten, und die hätten glaubhaft versichert, sie müssten bei jeder Anfrage den jeweiligen Bürger anschreiben und eine Einwilligung einholen. Das stimmt nicht?

    Landsberg: Das kann durchaus stimmen. Ich kann auch nur den Gesetzgeber daran erinnern, die Beteiligungsrechte im Gesetzgebungsverfahren sind nicht Meldeämter, sondern die kommunalen Spitzenverbände. Richtig ist allerdings auch, dass die Einwohnermeldeämter wohl gesagt haben, wenn ihr die ursprünglich ja vorgesehene Einwilligungslösung macht, dann müssen wir ja jeden Einzelnen anschreiben, und das ist natürlich ein Riesenaufwand. Das heißt aber nicht, dass die gesagt haben, wir wollen eine eingeschränkte Widerspruchslösung.

    Klein: Das hat Uhl wörtlich so auch nicht gesagt, aber er hat ja schon zu verstehen gegeben, dass man dort durchaus den Persönlichkeiten aus den Meldeämtern nachgekommen sei und dass die das praktisch aus der Praxis im Grunde genommen so befürwortet hätten. Das heißt, das stimmt nicht aus Ihrer Sicht?

    Landsberg: Also das kann ich nicht beurteilen. Ich kann nachvollziehen, dass ein Meldeamt natürlich sagt, wir können doch nicht jeden Einzelnen anschreiben. Dann ist übrigens noch mal der Vorschlag gemacht worden, also wenn ihr diese Einwilligungslösung mit dem Anschreiben machen wollt, dann mag doch der Adresshändler die Einwilligung besorgen. Das ist auch so diskutiert worden. Aber warum am Ende dann diese Widerspruchslösung kam, mit dieser Einschränkung, das entzieht sich meiner Kenntnis.

    Klein: Gehen wir mal auf die konkreten Inhalte, worum es dabei geht: offensichtlich um eine Art von Personalmangel, die der CSU-Abgeordnete da auch ins Feld führt. Das sei in der Praxis nahezu unmöglich, wenn man daran denke, dass allein in einer Stadt wie München circa 100.000 Anfragen von Bürgern im Jahr kommen, und das ist offensichtlich nicht praktikabel. Ist das auch Ihr Eindruck?

    Landsberg: Das ist auch mein Eindruck, und ich verstehe ehrlich gesagt nicht, warum macht man nicht das, was man bisher gemacht hat. Wir haben ja im Moment in 16 Bundesländern Meldegesetze und jedes Meldegesetz sagt, Weitergabe von Daten nur dann, wenn der Betroffene widersprochen hat, und zwar völlig egal, ob ich schon Vorkenntnisse habe, wo er früher gewohnt hat. Und ich finde, dann sollte man diesen berühmten Zusatz im 44 streichen, und dann werden sich die Wellen auch wieder beruhigen. Man muss ja auch noch mal klar machen: Die Meldeämter geben ja nicht alle Daten preis. Was da teilweise in den Medien erzählt wird, ist ja nicht richtig. Weitergegeben wird die Anschrift, gegebenenfalls der Doktortitel, und auch die Frage, ob die Person gestorben ist oder nicht. Aber alle anderen Informationen, etwa Staatsangehörigkeit, Religionszugehörigkeit, Zahl der Kinder oder Ähnliches, wird natürlich nicht weitergegeben. Man sollte des Weiteren hinzufügen: Es gibt eine Sonderregelung im 21 Meldegesetz, da steht drin: Wenn Sie gemobbt werden, wenn Gefahr für Leben und Freiheit droht, dann gibt es eine absolute Sperre, an die sich natürlich auch Meldeämter halten. Es ist also nicht so, dass hier der Ausverkauf von Daten stattfindet, vielleicht das noch mal. Das hat mich ehrlich gesagt geärgert, dass man in der Öffentlichkeit so tut, ach die Kommunen, die wollen mal wieder Kohle mit den Daten machen. Es gibt pro Auskunft acht Euro und das ist eine Gebühr, für Gebühren gilt das Kostendeckungsprinzip, das heißt, damit werden die Unkosten abgedeckt. Zum Vergleich: Unter Adressenhändlern ist so ein Satz mal locker 80 bis 100 Euro wert.

    Klein: Also wir halten fest, Herr Landsberg: Sie können mit diesem Gesetz gut leben, wären aber auch dafür, dass praktisch die Fassung der Bundesregierung wieder in Kraft kommt und dass das jetzt über den Bundesrat auch geschieht, dass nämlich die Einwilligung des Bürgers jeweils immer eingeholt werden muss?

    Landsberg: Wir wollen eine Änderung dieses Gesetzentwurfes durch den Bundesrat, weil wir sagen, das besondere Vertrauensverhältnis Behörde-Bürger darf noch nicht mal anscheinsweise beschädigt werden, und das heißt entweder Einwilligung, oder uneingeschränkte Widerspruchslösung.

    Klein: Ein Argument war natürlich jetzt auch, wenn das wieder geändert werden sollte – dann sind wir noch mal bei dem Punkt Personal -, die Länder würden sich noch wundern, wenn jetzt die Meldeämter bei dem Innenminister sich melden würden und nach mehr Personal verlangten, sagte Uhl gestern. Wird das so kommen?

    Landsberg: Das wird dann nicht kommen, wenn wir einfach das festschreiben, was jetzt als Landesgesetze gilt, nämlich dass der Bürger widersprechen kann und dass es da keine Ausnahme gibt für die Adressenhändler. Das ist die jetzige Rechtslage, die allerdings in Nuancen von Land zu Land unterschiedlich ist. Und was wir bisher mit dem Personal geschafft haben, werden wir auch dann schaffen.

    Klein: Sie haben es auch angedeutet, Herr Landsberg, dass Bürger eigentlich in den vergangenen Jahren ja sehr viel von sich freiwillig preisgeben und dass sozusagen nicht das Problem die Weitergabe durch die Meldeämter sei. Auf der einen Seite geht es um große Sensibilisierung, auf der anderen Seite sagt man auch, die Leute sind eigentlich viel großzügiger mit ihren Daten. Würden Sie da zustimmen?

    Landsberg: Da würde ich zustimmen, und ich sehe ein weiteres Missverhältnis. Der Bürger ist unendlich misstrauisch beim Staat, obwohl er es dort eigentlich gar nicht sein braucht, und er ist sehr großzügig an der Tankstelle, bei privaten Unternehmen, bei der berühmten Payback-Karte. Nur das wird in der Öffentlichkeit aus meiner Sicht nicht richtig transportiert. Die Masse der Skandale, die wir in den letzten Jahren hatten, waren keine staatlichen Datenprobleme, sondern immer von privaten Unternehmen.

    Klein: Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, zum neuen Meldegesetz und zu der Variante, die nun möglicherweise vom Bundesrat verabschiedet werden wird. Herr Landsberg, danke für das Gespräch.

    Landsberg: Bitte schön! Auf Wiederhören.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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