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"Die Ministerin hat sich vorbildlich verhalten"

Der CDU-Politiker Peter Bleser verteidigt das Krisenmanagement von Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner. Sie habe rasch dafür gesorgt, dass die betroffenen Betriebe gesperrt wurden. Kontrollen bei den Fett-Zulieferern der Futtermittelwerke würden in Zukunft für "ordnungsgemäße Ware" sorgen.

Peter Bleser im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Jasper Barenberg: Woher stammt das giftige Dioxin, mit dem geschätzte 3000 Tonnen Futtermittel für die Landwirtschaft verseucht wurden? Eine Antwort auf diese Frage gibt es noch nicht. Dafür ist die Debatte über notwendige Konsequenzen aus dem Skandal in vollem Gange. Ein paar Stichworte hat Ministerin Ilse Aigner gestern genannt: strengere Auflagen für Hersteller von Futtermitteln zum Beispiel, oder die Regel, dass Produkte für die Industrie künftig nur noch getrennt von Nahrungsmitteln verarbeitet werden dürfen. Anderes will die CSU-Politikerin erst noch prüfen und überlegen und so wird der Ministerin von Kritikern vorgeworfen, zu spät und zu zaghaft auf den Skandal zu reagieren. Am Telefon begrüße ich jetzt Peter Bleser von der CDU, in der Unionsfraktion im Bundestag zuständig für Landwirtschaft und für Verbraucherschutz. Schönen guten Tag, Herr Bleser.

    Peter Bleser: Guten Tag, Herr Barenberg.

    Barenberg: Herr Bleser, wir haben es gehört: Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, er wird heute am frühen Nachmittag in Berlin zusammenkommen. Wie entschlossen sind Sie jetzt, wo Sie sich darauf vorbereiten? Sind Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen im Sinne von unseren Interessen, den Verbraucherinteressen, harte Konsequenzen aus dem Skandal zu ziehen?

    Bleser: Zunächst einmal: Die Sondersitzung ist von der Koalition, also von CDU/CSU und FDP, beantragt worden und uns geht es um zwei Dinge. Einmal, dass sichergestellt ist, dass die Gefahrenquelle verstopft wird oder verstopft ist. Das ist der Fall. Nach Äußerungen Niedersachsens sind alle Betriebe identifiziert, wo die Futterlieferungen hingegangen sind, 4700 an der Zahl, und die werden jetzt sukzessive abgearbeitet, beprobt oder die Wahrscheinlichkeit noch einmal ermittelt, ob eine Kontamination mit Dioxin überhaupt stattgefunden haben kann. Jeder Betrieb wird einzeln freigegeben und damit kann der Verbraucher sicher sein, dass zumindest keine neuen Partien mehr auf den Markt kommen, die in irgendeiner Weise belastet sein könnten.

    Barenberg: Der Verbraucher kann aber nicht sicher sein, Herr Bleser, dass es nicht bald schon den nächsten Skandal gibt. Welche Konsequenzen müssen jetzt gezogen werden? Der Vorwurf an die Ministerin ist ja, sie handele zu spät und auch zu zaghaft.

    Bleser: Das ist der nächste Punkt, sicherstellen, dass so etwas nicht mehr vorkommt. Da halten wir – und das deckt sich auch mit den Ministern, das hat sie auch gut gemacht – zunächst einmal das Verstopfen der Quelle für wichtig, und das kann man durch verschiedene Deklarationen nicht erreichen. Hier muss die labortechnische Untersuchung stattfinden, und deswegen ist es klug gewesen, gestern von der Futtermittelwirtschaft zu erreichen eine Selbstverpflichtung, dass sie selbst keine Fette mehr einmischen, die nicht vorher im Labor getestet worden sind und auf Dioxin hin überprüft wurden. Damit ist auch ganz konkret ausgeschlossen, dass aus dieser Quelle Dioxine ins Futter oder in die Nahrungsmittelkette kommen können. Darüber hinaus brauchen wir zusätzliche Sicherheiten. Das hat die Ministerin ebenfalls angekündigt. Wir wollen die Trennung der Produktionsstrecken für technische und für Fütterungszwecke und wir wollen natürlich darüber hinaus auch eine verstärkte Überprüfung durch die Länder, und wir empfehlen dringend den Ländern, gerade diese Fett herstellenden Betriebe zunächst einmal einer Dauerüberwachung zu unterstellen.

    Barenberg: Lassen Sie uns über ein paar Punkte noch mal in Einzelheiten sprechen, Herr Bleser. Stichwort Selbstkontrolle. Hat die nicht gerade versagt in der ganzen Branche, um die es jetzt geht, und wäre es nicht an der Zeit, da wirklich von außen Kontrollen anzusetzen?

    Bleser: Das ist der nächste Punkt. Übrigens die Selbstkontrolle hat funktioniert, denn dieser eine Futtermittelhersteller hat sich selbst angezeigt und damit das Ganze erst in Gang gesetzt. Aber das reicht uns nicht. Wir haben im Koalitionsvertrag schon drinstehen, dass wir eine Verzahnung der staatlichen Kontrolle mit privaten Zertifizierungsgesellschaften haben möchten. Das würde bedeuten und das wollen wir auch angehen, dass die staatliche Kontrolle auch auf diese privaten festgestellten Untersuchungsergebnisse zurückgreifen kann. Das würde das weiter verdichten, was die Kontrolle angeht, aber für mich ist entscheidend ein einziger Punkt, dass alle Lieferungen einer Laboruntersuchung unterzogen werden müssen, und damit haben wir die Quelle zu.

    Barenberg: Das heißt, Herr Bleser, wir reden über ein Gesetz, das die Hersteller, das die Futtermittelbetriebe dazu verpflichtet, jede einzelne Charge, die sie verarbeitet, vorher zu testen und diese Ergebnisse dann zu dokumentieren?

    Bleser: Wir reden hier nicht über ein Gesetz, sondern wir reden über eine freiwillige Selbstverpflichtung, weil wir national überhaupt keine Möglichkeit haben in dem Futtermittelrecht, was ausschließlich europäisch geregelt ist, hier national alleine vorzugehen. Hier gibt es eine Selbstverpflichtung der Wirtschaft, die wir aus gutem Grund auch gestern gemacht haben, und damit können wir sicher sein – das muss überprüft werden, natürlich durch die staatliche Kontrolle, dass das auch geschieht -, dass hier die Quellen verstopft sind.

    Barenberg: Die Argumentation der Bundesregierung klingt immer ein bisschen danach, als seien es einzelne schwarze Schafe und man müsste einfach nur die bestehenden Regeln einhalten und dann sei für die Zukunft vorgesorgt. Ist das nicht ein Trugschluss?

    Bleser: Das ist ja jetzt von mir gerade auch anders dargestellt worden. Die Trennung der Produktionslinien ist eine zusätzliche Sicherheit, dass hier kriminelles Handeln nicht so einfach möglich wird.

    Barenberg: Warum ist das heute noch nicht aktuelle Gesetzeslage, dass diese Produktionswege getrennt werden müssen? Ich meine, über die Probleme weiß man doch schon seit Jahren bescheid.

    Bleser: Aus dem Bereich gab es jetzt keine Probleme. Nur sie entdecken immer einen Fehler erst dann, wenn er auftritt, und in dem Falle ist es jetzt durch ein wirklich kriminelles Handeln eines einzelnen entstanden und da muss systematisch dann dafür gesorgt werden, dass dieser Fehler nicht wieder vorkommt. Aber wo Menschen sind, werden auch in Zukunft Fehler passieren, und deswegen ist es gut, dass man so viel Organisation schafft, dass die Wahrscheinlichkeit dieser Fehler noch weiter zurückgeht. Die Strategie muss sein, an der Quelle, also bei den Zulieferern zu den Futtermittelwerken, entsprechend für ordnungsgemäße Ware zu sorgen. Dafür dienen diese Kontrollen.

    Barenberg: Nun ist mir und vielleicht auch anderen aufgefallen bei dem, was die Ministerin gestern gesagt hat, dass es zunächst mal vor allem um Ankündigungen geht. Sie will wohl das Strafmaß verschärfen, sie will prüfen lassen und ist sich da mit der Justizministerin einig, sie möchte gerne in Europa einheitliche Regeln vereinbaren. Ist das nicht ein bisschen zu viel der Ankündigung und zu wenig an konkreten Sofortmaßnahmen, die die Verbraucher jetzt erwarten?

    Bleser: Die Ministerin hat sich vorbildlich verhalten, zwar ruhig, aber sehr energisch, zunächst einmal die Quellen zu verstopfen, die zu einem weiteren Eintrag von Dioxin in die Nahrungsmittelkette geführt hätten. Es wurde sauber aufgearbeitet, es wurden die Betriebe gesperrt, die Chargen zurückgerufen. Das war das Wichtigste, was zuerst gemacht werden konnte. Gesetze kann man halt eben nicht von einem zum anderen Tag machen, die kann man nur ankündigen und dann in den parlamentarischen Verfahrensgang hineinbringen. Es ist auch keine vordringlich gesetzliche Regelungsnotwendigkeit da, bis auf die Dinge, die wir mit Produkttrennung oder Positivliste für Futter auf europäischer Ebene – nur dort kann man es machen – anstreben. Insofern ist das korrekt und richtig, was die Frau Ministerin gemacht hat, und zwar ohne Hektik und mit dem sicheren Anschein, dass wir auch alles tun, damit die Bevölkerung vor Gesundheitsgefahren geschützt bleibt.

    Barenberg: Herr Bleser, ist dieser Skandal ein Menetekel für eine inzwischen hochgezüchtete, industriell arbeitende Nahrungsmittelproduktion und ist es gleichzeitig ein nötiges Plädoyer für die Rückkehr zu regionaler Wirtschaft in der Landwirtschaft?

    Bleser: Sehen Sie, regionale Wirtschaft, das ist immer ein Begriff, den man sehr weit ziehen kann. Wir haben offene Märkte. Deutschland will Exportweltmeister sein oder zumindest Vizeweltmeister. Wir können uns die Märkte nicht mehr abschotten. Die Verbraucher möchten günstige Lebensmittel. Ob man jetzt eine Bioproduktion hat oder eine konventionelle Produktion, wir müssen sicherstellen, das ist die Aufgabe des Gesetzgebers, dass die Nahrungsmittel sicher sind, und sie sind es auch und der Fall, der jetzt eingetreten ist, beweist im Grunde genommen, dass die Mechanismen funktionieren, die entsprechende Auffälligkeiten auch dann registrieren. Wir müssen sie nur verbessern und weiter verschärfen.

    Barenberg: Vielen Dank! – Peter Bleser war das von der CDU, in der Unions-Fraktion im Bundestag zuständig für Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Danke, Herr Bleser, für das Gespräch.

    Bleser: Ja. Danke schön, Herr Barenberg.