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Die möglichen Folgen einer Klimaerwärmung am Beispiel von Russland

Die meisten Wissenschaftler sind sich einig: eine Erwärmung des Weltklimas findet statt und der größte Teil der Erwärmung ist auf menschliche Aktivitäten zurückzuführen. Die Folgen sind gravierend für viele Menschen, so die Forscher - allein der Anstieg des Meeresspiegels wird ganze Landstriche verschwinden lassen, die Wetterverhältnisse ändern und hohe Kosten verursachen, wenn neue und höhere Schutzdämme gebaut werden müssen.

von Volker Mrasek |
    Welche möglichen Folgen eine Klimaerwärmung in Russland haben könnte, das haben unter anderem Wissenschaftler des Staatlichen Institutes für Wasserwirtschaft in Sankt Petersburg untersucht.

    Bis heute ist schleierhaft, welche Art Klimaschutzpolitik Russland eigentlich betreiben will. Ob es dem großen Bremser USA nahe steht oder eher den umweltorientierten Europäern. Mitunter wird die Erderwärmung sogar begrüßt, berichtet der Regierungsberater und Klima-Experte Oleg Anisimow:

    Viele Wissenschaftler in Russland betonen, dass der Klimawandel durchaus Vorteile für unser Land bringt. Zum Beispiel wird die landwirtschaftlich nutzbare Fläche zunehmen. In den nördlichen Regionen hat sich bereits die Heizperiode verkürzt. Der Energiebedarf ging dadurch zurück. Was sehr wichtig ist, wenn man bedenkt, dass die wirtschaftliche Situation in Russland zur Zeit nicht die beste ist.

    Anisimov dagegen sieht die Entwicklung mit Sorge. Der Wissenschaftler arbeitet am Staatlichen Institut für Wasserwirtschaft in Sankt Petersburg und macht jetzt auf ein gravierendes Problem aufmerksam, das Russland durch den Klimawandel bekommt: Vor allem in Sibirien stehen Städte auf Dauerfrostboden. Und der verliert seine Tragfähigkeit, wenn er - wie abzusehen ist - weiter auftaut.

    Die Folge: Häuser werden unbewohnbar, weil das Mauerwerk plötzlich abbröckelt und sich armdicke Risse vom Keller bis unters Dach ziehen. Betroffen seien insbesondere Wohngebäude aus der Chruschtschow-Ära, sagt Anisimov. Zehntausende von ihnen wurden im Eiltempo errichtet. Von Massivbau kann keine Rede sein ...

    Russland unterscheidet sich zum Beispiel von Kanada oder Alaska. Dort gibt es nur kleine Siedlungen im hohen Norden. Wir dagegen haben große Städte in der Permafrost-Region: Norilsk, Workuta oder Jakutsk etwa. Die Bauweise dort ist einzigartig. Alle Gebäude sind auf Pfählen im gefrorenen Boden verankert.

    Die Frage ist nur: Wie lange noch? Anisimov:

    Es gibt eine Abschätzung von Geowissenschaftlern der Universität Moskau. Sie haben zunächst ermittelt, wo diese Wohnhäuser in Leichtbauweise überall errichtet wurden. Dann haben sie sich Klima-Vorhersagen für den Norden angeschaut und schließlich abgeschätzt, in welchen Regionen Gebäudeschäden zu erwarten sind, wenn der Permafrostboden weiter auftaut. Die Zahlen sind wirklich dramatisch. Danach werden wir in den nächsten 30 Jahren rund 90 Prozent dieser Wohnhäuser ersetzen müssen.

    Schon heute treten Gebäudeschäden auf, weil der Dauerfrostboden schwach wird. Nur führe niemand eine Statistik über den klimabedingten Häuser-Verfall, sagt Anisimov.

    Es trifft im übrigen nicht nur die Chruschtschow-Bauten. Auch Straßen drohen abzusinken, wenn der aufgewärmte Boden nicht mehr so tragfähig ist. Und dann sind da auch noch die vielen Öl- und Gas-Pipelines in der sibirischen Tundra:

    Die meisten der Pipelines sind ziemlich alt. 30, 35 Jahre. Und viel länger halten sie normalerweise auch nicht. Durch Sibirien zieht sich ein ganzes Netzwerk aus Öl-Leitungen. Und da der Permafrostboden nachgibt, sorgt man sich um ihre Stabilität. Es könnte zu Leckagen kommen. Und die zu finden in einem so weiten Land wie Russland, das ist nicht so einfach.

    Der Klimawandel hat also auch für Russland Schattenseiten. Regierungsberater Anisimov hält es deshalb für zweckmäßig, die globalen Klimaschutz-Vereinbarungen mitzutragen. Denn schließlich profitiert Russland vom Kyoto-Protokoll. Beim geplanten Handel mit Emissionsrechten werden die Russen wahrscheinlich richtig Kasse machen. Den Erlös könnten sie ja in die Sanierung der gefährdeten Wohngebäude und Öl-Pipelines in Sibirien stecken.

    Anisimov rät aber, den Ausgang der Bonner Verhandlungsrunde abzuwarten. Auch er wisse nicht, was Russland am Ende zum Kyoto-Protokoll sagt: Ja wie die Europäer oder Nein wie die USA.