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Die Müll-Fischer

Deutschen Fischern geht neben Hering und Makrele auch jede Menge Müll ins Netz. Einige Fischer nehmen den Abfall mit an Land und entsorgen ihn dort in speziellen Sammelcontainern - ein kleiner Beitrag zum Meeresschutz. Die Behälter stellt der Naturschutzbund bereit. Ihr Inhalt erzählt viel über den Zustand unserer Meere.

Von Dietrich Mohaupt |
    "Was man hier so sieht, sind letztendlich gesammelte Werke: Schrott, Plastik – alles gemixt, Schläuche, entsorgte Schläuche, Styropor, auch viele Eisenteile. Alles, was man so finden kann am Meeresgrund, was unschön ist und teilweise eben auch unsere Netze zerreißen kann. Wenn man sich diesen großen Kühlschrank da anschaut, den jetzt zufälligerweise auch ich ‚gefangen‘ habe vor etwa einem halben Jahr – der hat schon drei bis vier Stunden Arbeit bedeutet für mich."

    Zerrissene Netze flicken, Fangausfall – Gunnar Hansen ist einer der Burgstaakener Fischer, die beim NABU-Projekt "Fishing for Litter" mitmachen, weil sie der Müll in der Ostsee nervt. Ein paar Minuten hat er am frühen Morgen nur gebraucht um einen ganzen Eimer voller Abfall einzusammeln – an einem nur 10 Meter langen Strandabschnitt im Hafen.

    "Also – das ist hier z. B. ein Kissen, dann haben wir kleine Unterlegplatten, die man draufmacht, um die Yachten zum Herbst hin auszuwintern – die werden zwischen Boot und die Stützen gepackt, so was geht natürlich auch verloren. Dann wundert mich, dass wir hier Plastikflaschen haben, die werden eigentlich nur im Duty-Free-Verkauf seegehend verkauft – Plastiktüten, ja, das ist wie gesagt so ein Sammelsurium von einer Nacht."

    Vor allem die großen Mengen an Plastikmüll sind es, die Natur- und Umweltschützern Sorge bereiten. Große Folien oder Netze werden immer wieder zu tödlichen Fallen für Schildkröten, Robben oder Delfine. Salzwasser, Sonne und Reibung durch Wind und Wellen zersetzen das Plastik langsam, kleinste Partikel geraten so in den Nahrungskreislauf der Meere. Eine immense Gefahr, deren volles Ausmaß noch gar nicht absehbar ist, betont Kim Detloff vom NABU.

    "Man hat Mikroplastik nachgewiesen in Muscheln, in Miesmuscheln z. B., in kleinen Krebstieren, in Plankton fressenden Fischen, auch in Sprotten und in Heringen, und im Kot von Kegelrobben. Also – es pflanzt sich fort, es akkumuliert sich, und Plastik hat giftige Inhaltsstoffe, wie z. B. Bisphenol A, wie Weichmacher, Styrol-Verbindungen. Plastik hat die unangenehmen Eigenschaft, Umweltgifte anzuziehen – DDT und PCBs – und diese verteilen sich und akkumulieren sich im marinen Nahrungsnetz."

    Rund sechseinhalb Millionen Tonnen Müll landen Jahr für Jahr in den Ozeanen. Da sind die gut drei Tonnen, die etwa 70 deutsche Fischer in acht Häfen an Nord- und Ostsee im Rahmen des Projekts "Fishing for Litter" seit dem Frühjahr 2011 eingesammelt haben, eher der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Im Kampf gegen den Müll können also solche Aktionen immer nur ein Baustein sein, betont Kim Detloff. Besonders wichtig sei es, internationale Vereinbarungen wie das MARPOL-Abkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe auch wirklich durchzusetzen.

    "MARPOL kann wehtun, kann teuer werden, da können Geldstrafen von bis zu 50.000 Euro ausgesprochen werden. Aber das findet in der Regel nicht statt. Wenn man ein Schiff in flagranti dabei ertappt, dass es Müll über Bord wirft, dann reicht es nicht, den Reeder oder den Kapitän zur Verantwortung zu ziehen, sondern man muss letztendlich den Matrosen finden und mit Namen benennen, der diesen Verstoß begangen hat. Und da glaube ich, muss man ansetzen, man muss die Mannschaften auch aufklären – aber man muss das Strafmaß, das MARPOL uns an die Hand gibt, unbedingt auch ausschöpfen, um abzuschrecken."

    Und natürlich gehört auch eine vernünftig ausgebaute Infrastruktur für die Müllentsorgung in den Häfen dazu – auch in den kleineren Fischerei- und Sportboothäfen an Nord- und Ostsee, fordert Fischer Gunnar Hansen. Ein Blick nach Dänemark z. B. könnte da recht lehrreich sein.

    "Da ist Dänemark z. B. wesentlich weiter – in sämtlichen Häfen sind Entsorgungsstationen, hier haben wir extra jetzt einen Container dafür, der gesponsert wird. Aber andere Länder sind da schon viel weiter und bieten der Schifffahrt kostenlose Entsorgung an für solche Geschichten."

    Das NABU-Projekt "Fishing for Litter" kann Anstoß sein, Hilfestellung bieten für den Aufbau einer fachgerechten Abfallentsorgung – das Kernproblem müsse aber anders gelöst werden, fordert der NABU-Vorsitzende Olaf Tschimpke. Ein völliger Verzicht des Einzelhandels auf Plastiktüten z. B. wäre ein wichtiger Schritt – und wenn es auf freiwilligem Weg nicht weitergehe, dann müsse es eben auch Verbote geben.

    "Hier in Deutschland gibt es ja auch schon die Debatte relativ heftig – auch auf EU-Ebene gibt es sie – und ich denke, wenn man nicht vorwärtskommt mit anderen Maßnahmen tatsächlich, auch mit Vermeidungsmaßnahmen, die dann vielleicht auch mal die großen Handelsketten selbst auf den Weg bringen, dann wird irgendwann ordnungsrechtlich dort auch etwas geschehen."